Lofoten – 80 Inseln ragen im Norden Norwegens aus dem Atlantik. Gerade zur Mittsommernachtszeit strahlen ihre Trails in goldenem Licht. Für E-MTB-Weltmeisterin Nathalie Schneitter ein lang gehegter Traum, den sie nun verwirklicht hat.
Sie sind mindestens 80, lassen sich jenseits des Polarkreises alles andere als leicht erreichen, das Wetter kann gut sein, ist es aber höchst wahrscheinlich nicht und brauchbare Touren-Literatur für Mountainbiker gibt es auch nicht. Was also hat unsere Autorin Nathalie Schneitter dazu gebracht, die lange Anreise von der Schweiz bis auf die Lofoten anzutreten und dabei auch noch ein E-MTB im Gepäck zu haben? Verkürzt könnte man sagen: Die 39-Jährige sitzt bereits seit 20 Jahren im Mountainbike-Sattel. Schon während ihrer Rennkarriere hat sie die besten Bikespots der Welt erleben dürfen, 2008 sogar die olympischen Trails in Peking. 2019 wurde sie die erste Weltmeisterin auf dem E-MTB und gewann seither einige Worldcup-Rennen in dieser Kategorie.
Was ihr bisher aber zu kurz kam: das Abenteuer. Trails, die noch nicht erschlossen oder vielleicht sogar schon per Lift zugänglich sind. Dass man dafür in weniger sonnige Gefilde reisen muss, nimmt sie in Kauf. Dass die Anreise mit dem E-MTB kompliziert sein könnte, ist für sie auch okay. Nur die Trails selbst sollten auf keinen Fall enttäuschen. Doch da hatte Nathalie bereits genügend Bilder gesehen und war sich sicher: Diesbezüglich kann auf den Lofoten eigentlich nichts schief gehen. Ob es auch so war? Wir haben sie nach ihrer Rückkehr nach ihren Erfahrungen und ihren besten Reisetipps gefragt:
Ja, definitiv. In Zeiten, in denen alles auf der Welt schon entdeckt und erschlossen ist, fühlen sich die Lofoten wirklich noch nach Abenteuer an. Wir waren natürlich im Juni dort, weil die Sonne in der Zeit wochenlang nicht untergeht und das Mitternachtslicht dann auch noch für diese magische Stimmung sorgt. Man muss sich allerdings für eine Region entscheiden, denn die 80 Inseln erstrecken sich auf 150 Kilometer und jede ragt wie ein spitzer, grüner Zahn aus dem Atlantik.
Zwar sind die meisten Inseln per Brücke oder Tunnel miteinander verbunden, aber ihre Berge sind bis zu 1200 Meter hoch und die Anstiege dort hinauf ausgesprochen steil. Von daher bin ich froh, dass wir uns für die E-MTBs entschieden haben, obwohl uns so mancher davon abgeraten hat. Unter anderem deshalb, weil sie die Anreise nochmal komplizierter machen.
E-Bikes lassen sich bekanntlich nicht im Flugzeug transportieren – in Norwegen nicht mal dann, wenn man den eigenen Akku zuhause lässt und sich Vorort einen leihen würde. Unsere Lösung: Wir sind von München nach Bodø geflogen und von dort mit dem kleinen Flieger weiter nach Leknes. Die E-Bikes haben wir samt Akku einfach vorab mit der Post geschickt. Das klingt erst mal nach einer super Idee und gar nicht so kompliziert, aber: Während unserer Anreise gab es drei Wetterumschwünge, dadurch einen verpassten Anschlussflug und dazwischen ein halbes Dutzend Sicherheitskontrollen.
Als wir die Lofoten endlich unter den Füßen hatten, waren unsere Bikes noch nicht da. Norwegen ist ja nicht in der Europäischen Union, was das Versenden von Ware exponentiell schwieriger gestaltet. Das erfuhren wir aber erst vor Ort. So mussten wir ordentlich zittern, ob unsere Bikes überhaupt noch eintreffen. Aber am nächsten Tag stand der Postbote doch vor unserem Hotel.
Größere Orte gibt's auf den Lofoten hauptsächlich an den Ostküsten der Inseln, also auf der wetterabgewandten Seite. Da findet man auch die meisten Touristen-Unterkünfte. Wir haben als Basecamp allerdings Unstad gewählt. Eine kleine Siedlung an der Westküste mit einem Strand, der Kaltwasser-Surfer aus aller Welt anzieht. Mountainbiker waren wir hier dagegen die einzigen. Warum, sollten wir in den nächsten Tagen noch zu spüren bekommen.
Aber unsere Unterkunft war grandios: Wir durften in einem schlichten Holzhaus mitten im Surfcamp wohnen, mit Aussicht aufs Meer. Gegessen haben wir im dazugehörigen Hotel mit unglaublich gutem Koch. Er hat uns jeden Abend mit kulinarischen Kunstwerken überrascht. Mein Lieblingsgericht war zum Beispiel: „Bacalao“, eine Art Tomaten-Kabeljau-Eintopf. Und zum Frühstück gab es natürlich die für Skandinavien typischen „Kanelboller“, ausgesprochen leckere Zimtschnecken.
Auf den Lofoten wartet kein Trailpark-Idylle und auch keine gebaute Mountainbike-Infrastruktur. Genau deshalb waren wir ja dort. Was es gibt, sind Schaf-Trails und alte Wanderpfade. Teils vermoost und verblockt. Auf einigen dieser Pfade war bestimmt noch nie ein Mountainbiker unterwegs. Fahrtechnik am Limit, würde ich sagen – bergauf wie bergab. Das E-Bike war kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung. Ohne Schub wären viele der steinigen Rampen nicht machbar gewesen. Sie ziehen sich endlos bergauf und am Ende muss man trotzdem schieben, wegen des losen Gerölls und der schmierigen Felsen.
Dabei holt man sich dann nasse Socken, weil die Vegetation tundrisch, fast arktisch ist. Bäume sieht man nur vereinzelt, dafür aber Moose, Flechten und zähe Kräuter. Das Moos ist besonders tückisch: Man tritt hinein und versinkt darin bis zum Knöchel – schon ist der Schuh voll Wasser. Damit geht man am besten gelassen um, haben wir von unserem Guide Seth gelernt. Er ist Amerikaner, lebt aber seit über 20 Jahren auf den Lofoten, spricht fließend Norwegisch und kennt jede Ecke der Inselgruppe. Das war extrem hilfreich. Zudem ist er ein wandelndes Lexikon. Er hat uns viel aus der Wikinger Zeit erzählt, wie wichtig der Fischfang für die Region ist und – ach ja: dass es eigentlich gar nicht “die Lofoten” heißt. Im Norwegischen ist Lofoten der Name der Region. Auf deutsch müsste es also richtig übersetzt heißen: Ich war in Lofoten.
Hm, geht so. Auch beim Thema Wetter haben wir versucht, uns die Gelassenheit der Einheimischen anzueignen. Während der Anstiege zum Berggipfel wurden wir immer mal von Regenschauern überrascht. Dann hieß es: Regenjacke anziehen, Thermoskanne raus und warten bis sich der Nebel verzogen hat. Am Kreten-Trail saßen wir so lange da, bis die Nässe durch die Nähte unserer Jacken sickerte. Aber heißer Tee dichtet von innen ganz gut gegen die Kälte ab.
Und Geduld zahlt sich in Lofoten aus: Die Wolken ziehen irgendwann wie ein Vorhang auf, der Blick über diese einzigartige Fjordlandschaft wird frei und du darfst dich auf einen exklusiven, technisch-anspruchsvollen Trail bis zum Strand freuen. Es wäre extrem ärgerlich gewesen, wenn wir uns nach diesem schweißtreibenden 1000 Höhenmeter-Anstieg nicht belohnt hätten.
Ganz klar unsere Mitternachtstour: Die Sonne steht dann stundenlang tief und flutet die Berge mit goldenem Licht. Das Meer glitzert, die Schatten sind weich und es ist absolut still. Lofoten gehört für mich zu den eindrucksvollsten Spielplätzen Europas.
Die Inseln von Lofoten gehören zu Europas schönsten Landschaften. Vor allem im ewigen Licht der Mitternachtssonne. Als Mountainbiker lohnt die Anreise allerdings nur, wenn man die nötigen Fahrtechnik-Skills mitbringt.
Der norwegische Distrikt Lofoten liegt mit seinen 80 Inseln im Nordmeer, nördlicher als Island und sogar noch knapp jenseits des Polarkreises. Landschaftlich gehört Lofoten mit seinen Fjorden und steilen, grünen Gipfelzacken zu Europas spektakulärsten Gebirgen. Das Wegenetz ist allerdings begrenzt. Oft gibt es nur einen steilen Trail für Auf- und Abfahrt, der im letzten Drittel Richtung Gipfel auch von sehr guten E-Bikern geschoben werden muss. Grundsätzlich sollte man Fahrtechnik-Skills bis Schwierigkeitsgrad S3 mitbringen, wenn man auf den oft rutschigen und geröllhaltigen Trails Spaß haben möchte.
Am unkompliziertesten ist die Anreise mit dem Auto oder Wohnmobil. Da man auf der Europastraße E10 mittlerweile ohne Fähre auf die Inseln kommt und dank der sechs Tunnel sogar bis zum südlichsten Ort gelangt. Aber die Anreise von Hamburg bis dorthin ist schon über 2000 Kilometer lang. Die Flüge von Deutschland nach Leknes (Flugdauer mit Zwischenstopps ca. 8 Stunden) kosten hin und zurück zwischen 600 und 800 Euro. Aber Achtung: Der E-Bike-Transport ist in Norwegen auch ohne Akku nicht erlaubt. Eine Sendung mit der Post ist möglich, sollte aber rechtzeitig aufgegeben werden.
Das Phänomen der Mitternachtssonne kann man in diesen Breiten von Mitte Mai bis Mitte Juli erleben. Mit durchschnittlich 15 Grad ist das bis August auch die wärmste Reisezeit.
Unterkunftstipp: Unstad Arctic Surf direkt am Strand. Wir hatten das Beach House inklusive Halbpension und Wellness-Bereich. Info: unstadarcticsurf.com
Weitere Adressen: infolofoten.no, visitlofoten.com
Die erste E-MTB-Weltmeisterin kommt aus der Schweiz und kennt sich mit technischen Trails aus. Doch die Berge in Lofoten hatten auch für sie ein neues Level Uphillflow parat.