Schon aus dramaturgischen Gründen startet die Runde in Canale d’Agordo. Im östlichen Hinterhof der Palagruppe, sozusagen. Auf einer leicht ansteigenden Schotterstraße kurbelt man sechs Kilometer nach Falcade und steigt dort in die Gondel Molino-Le Buse. Das erspart fast 700 asphaltierte Höhenmeter zum Passo Valles hinauf. Leider lässt man auf der anderen Passseite 350 der gerade erkämpften Höhenmeter auch wieder auf Asphalt durch den Tacho rasseln. Geht leider nicht anders, der Wald gehört bereits zum Paneveggio-Naturpark und den dürfen Biker nur auf dem offiziellen Weg am Eingang des Val Venegia befahren. Dort geht es aber bald los mit dem Panorama-Film dieser Runde.
Zunächst versperren hohe Bäume noch den Blick. Fichten, die sich wegen ihrer Haselfichtenfasern besonders für den Bau von Geigen eignen. Doch die Schotterstraße steigt an und die Bäume weichen zurück. Immer grandioser stehen bald die Felsfinger der Pale di San Martino Spalier, während wir uns nun mit den teils grob-gerölligen Schotterkehren zur Baita Segantini abmühen. Oben an der Hütte entscheidet nun die Uhr, wie ausgiebig die Rast ausfällt: Um 6:15 Uhr legt unten in San Martino di Castrozza die letzte Gondel zum Rifugio Rosetta ab und dazwischen liegt noch eine lange Abfahrt über die Waldwege und Trails über den Passo Rolle hinunter.
Ohne die Colverde-Seilbahn wäre diese Tour kein Spaß. Es gibt zwar Wandersteige, die zur Pala-Hochebene hinaufklettern, aber schon wegen der Steilwände wäre das Bike dort hinauftragen ein Kraftakt mit über 1000 Höhenmetern. Als wir am späten Nachmittag auf knapp 2600 Metern aus dem Lift steigen, stehen wir im Nebel. Die Wolken haben sich fest in den Cime der Pala untergehakt. Alles was wir sehen, ist weißer Felsboden unter unseren Füßen und eine Wegspur, die mit Begrenzungssteinen gelegt wurde. Wir tasten uns voran, anfangs noch auf feinen Kieseln, bald auf gröberem Geröll. Da reißt der Nebel ein wenig auf und ganz hinten, am Ende des Weges erkennen wir ein Haus mit blauen Fensterläden – unsere Übernachtungshütte.
Seit 1896 beherbergt das Rifugio hier oben auf dem Altopiano Bergsportler. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg brannte die Hütte jeweils bis auf die Außenmauern nieder, doch der dritte Aufbau von 1952 steht noch. Er wurde 2011 modernisiert und seither finden auch immer mehr Biker den Weg hier herauf. Wir haben Glück: Während unsere Pasta auf dem Tisch dampft, regnen sich draußen die Wolken ab. Bald blicken wir vor der Tür über ein orange-rotes Gipfelmeer in der Abendsonne. Ein unglaubliches Spektakel.
Am nächsten Morgen wirft in der Ferne gerade die Civetta-Wand ihren ersten Schatten, als wir uns die Rampen hinter der Hütte hinaufkämpfen. Bis wir schließlich am Abgrund der Hochebene stehen und ins Tal nach Garès hinunterblicken. 1300 Tiefenmeter Abfahrt. Erst noch leicht karstig zackt der Militärpfad die Steilwand hinunter, dann übernimmt ein weicherer Waldboden, der aber von Wurzeln, Wasserrinnen und Stufen durchzogen ist. Eine knifflige Aufgabe, die am Ende in einen Schotterweg ausläuft. Auf diesem rollt man nun acht Kilometer entspannt bis zum Auto in Canale d’Agordo aus.
Kurzbeschreibung: Schöner geht’s nicht: Die Dolomitenrunde über das Altopiano der Palagruppe gehört landschaftlich zu den absoluten Highlights der Ostalpen. Fahrtechnisch und konditionell ist die Tour allerdings auch nicht ohne. Man sollte mit Rampen, gröberem Geröll und ausgesetzter Wegführung umgehen können. Schwierigkeitsgrad maximal: S2.
Unterkunft: Rifugio Rosetta, geöffnet: 20. Juni bis 28. September 2025 (danach auf Anfrage) Ü mit HP 80 Euro, Tel. 0039/3495331742, Info: rifugiorosetta.it
Seilbahn Molino-Le Buse: geöffnet von Juli bis Anfang September. Die Seilbahn erspart 700 Höhenmeter. Man kann die Straße zum Passo Valles hinauf aber auch komplett selbst kurbeln (angenehme Steigung, aber lang und aussichtslos im Wald.)
Seilbahn Colverde Rosetta: Mitte Juni - Ende September täglich, später je nach Wetter am Wochenende. Wichtig: Letzte Bergfahrt 16:15 Uhr! Tickt: 21,50 Euro + 5 Euro pro Bike, Info: sanmartinorolle.it
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