Autor: Peter Schlickenrieder
Der manchen vielleicht vom Weltcup bekannte Wintersportort Madonna di Campiglio liegt eingebettet zwischen der Adamello-/Presanella-Gruppe und den schroffen Brenta-Dolomiten. Die türmen sich im westlichen Trentino, rund 30 Kilometer Luftlinie nördlich des Gardasees, auf und sind Teil des Naturparks und gleichzeitig des UNESCO-Weltnaturerbes. Auf den ersten Blick würde man hier keine moderaten E-Bike-Touren vermuten – schon eher Bikeparks für Downhiller unter Nutzung der Liftanlagen. Aber: Sowohl die Infrastruktur, wie öffentliche und kostenlose Ladesäulen, als auch die einsamen Täler mit oft asphaltierten kleinen Straßen eignen sich bestens auch für E-Biker. Zu Erkunden gibt es eine faszinierende Mischung aus schroffen Felsen, Bergseen mit reißenden Flüssen, Berghütten und Restaurants mit dem typisch italienischem Flair, die zum genüsslichen Verweilen einladen. Die Bergwelt, geprägt durch tiefe Täler und hohe Gipfel inmitten der Weinbauregion des Trentino, sorgt für eine einzigartige Kulisse, die gastronomischen Betriebe befördern mit ihren regionalen Spezialitäten das leibliche Wohl bei jeder Einkehr.
Während Madonna di Campiglio auf einer Seehöhe von 1500 Metern liegt, haben wir als Ausgangsort unserer Tour im Val Rendena das liebliche und romantische Caderzone Terme auf 723 Metern gewählt, eines der ältesten Dörfer des Tals, nur 17 Kilometer südlich von Madonna gelegen. Es verläuft von dort in Richtung Süden zum Gardasee. Caderzone Terme ist ein ideales Ziel für Wohlfühl- und Sporturlaub. Die gleichnamige Therme mit eisenhaltigem Wasser lädt zu Wellness mit Entspannung nach der Radtour ein. Alternativ zum Radeln bietet sich auch mal eine Runde Golf auf dem 9-Loch-Rendena-Golfplatz an. Beides haben wir aber links liegen lassen, um das Wochenende für zwei schöne Touren zu nutzen, mit gemütlichem Einkehren und einem schönen Glas Rotwein am Abend.
Unsere erste E-MTB-Tour führt uns zu den Seen des Nambrone-Tales, ein Seitental des Val Rendena, das zwischen Pinzolo und Sant Antonio di Mavignola von diesem abzweigt. Der Weg dorthin ist größtenteils asphaltiert, zumindest bis zum Rifugio Laghi di Cornisello auf 2120 Metern, und leicht zu erreichen. Leicht, weil wir hier mit der zweiten Stufe Unterstützung durch unsere E-Bike-Motoren kontinuierlich und immer gleichmäßig leicht steigend bergauf pedalieren.
Von Caderzone fahren wir bis nach Sant Antonio auf dem Radweg Richtung Madonna di Campiglio die ersten zehn Kilometer flussaufwärts. Von Sant Antonio geht’s kurz auf der Hauptstraße bergab, nach circa einem Kilometer biegt der Weg gleich wieder rechts ins Nambrone-Tal ab. Vorbei am gleichnamigen, wunderschön gelegenen Wasserfall passieren wir die Nambrone-Hütte, in der wir später einkehren. Natürlich unternehmen wir dort auch einen kurzen Spaziergang zum Wasserfall. Gleich mehrere Bäche fließen hier zusammen und lassen einen verträumten märchenhaften Wasserspielplatz für Jung und Alt entstehen. Das Tal steigt auf dieser schmalen asphaltierten Bergstraße zur Cornisella-Hütte (die gerade renoviert wird) hinauf – nur die letzten Meter sind gesandet. Unterhalb der Bergspitzen der Presanella-Gruppe genießen wir die grandiose Aussicht über das Tal. Wem das noch nicht reicht, der kann sich noch ein paar Höhenmeter an den Cornisello-Seen vorbei auf Schotterstraße und weiter zu Fuß (ca. 30 Minuten) zum Lago Nero, bisher noch ein Geheimtipp, bis auf 2.280 Meter hocharbeiten. Wer, wie wir, bereits Anfang Juni in diese Höhen vordringt, erlebt noch den Schnee, der sich im Winter auf den Gletschern ansammelt und erst im Hochsommer komplett verschwindet. Dieses Schmelzwasser gelangt in die Seen und speist den Fluss Sarca, der durch das Tal bis in den Gardasee fließt.
Weil die Cornisella-Hütte wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war, sind wir nach dem ersten Teil der Abfahrt in die Rifugio Nambrone eingekehrt – und haben das definitiv nicht bereut. Mit einem Aperitif ganz im italienischen Stil haben wir die Cappuccino-und Kuchen-Pause sehr genossen. Mehr oder weniger auf dem gleichen Weg geht’s zurück nach Caderzone Terme.
Wir genießen den lauen Abend bei einem typisch trentinischen Abendmahl. Zu Strangoli Preti („Strangulierter Priester“) gibt’s den Trentino-Wein Teroldigo („Tiroler Gold“). Im Hotel Palazzo Albergo Lodron Bertelli fühlen wir uns wie in eine andere Zeit zurückversetzt. Der Palazzo reicht bis ins frühe 14. Jahrhundert zurück, wurde aufwendig restauriert und ist eines der Wahrzeichen der historischen ländlichen Architektur im Val Rendena. Zu dem denkmalgeschützten Ensemble gehört das SPA- und Wellnesszentrum Terme di Sant‘Antonio, eine Kapelle und das Museo della Malga. Eine beruhigende Aura.
In uns ruhend und erholt starten wir am nächsten Morgen wieder direkt in Caderzone Terme. Zunächst in die gleiche Richtung wie gestern, dann aber biegen wir mit Beginn der Steigung in die entgegengesetzte Richtung mitten hinein ins Brenta-Gebirge ab. Also wieder auf dem größtenteils asphaltierten Radweg bis nach Pinzolo und weiter entlang der Sarce ins Val Brenta. Bis hierhin geht’s leicht kupiert dahin. Ab dem Forsthaus ist es zunächst noch circa zwei bis drei Kilometer flach, dann nimmt die Steigung kontinuierlich zu. Richtig steil wird’s nur die letzten Meter ab dem Wasserfall bis zur neu erbauten Hütte Rifugio Valsinella. Den Wasserfall erkundet man von der Forststraße aus (ca. 200 – 300 m) am besten zu Fuß. Hier besteht auch an der Rifugio Caseata di Mezzo eine Einkehrmöglichkeit, aber keine 30 Minuten später erreicht man das Rifugio Valsinella. Dort kann man bei Speck und Brot und einem Gläschen Wein oder Bier die hinter der Hütte aufsteigenden Alpinisten beobachten.
Das Vallesinella-Tal ist eine der „Pforten“ zu den alpinen Aufstiegen zur Cima Brenta sowie dem Sosat-Klettersteig. Den steilen Anstieg ab dem Wasserfall haben wir hier bereits hinter uns und können mit vollem Magen locker nach Madonna di Campiglio weiterrollen … für ein schönes Gelato und einen Cappuccino am Marktplatz. Das letzte Stück der Tour ist dann Abfahrtsgenuss auf asphaltiertem Radweg zurück nach Caderzone. Sollte zwischendrin doch mal der Akku schlappmachen, stehen in Madonna di Campiglio oder an den Hütten genügend Möglichkeiten zum kostenlosen Aufladen zur Verfügung. Dem ungetrübten und sanften E-Biken sind im so schroffen Dolomitenfels wenig Grenzen gesetzt!
39,1 km, 1.430 Hm, 95 % Asphalt und gut fahrbarer Schotter
Von Caderzone Terme gleich westlich des Sarca-Flusses leicht bergan auf dem Radweg nach Pinzolo und Madonna di Campiglio. Ab Ortsausgang Pinzolo geht’s kurz (ca. 2 km) auf der Hauptstraße 239 weiter, bevor man – noch vor dem Ort Sant Antonio di Mavignola – links abzweigt ins Val Nambrone. Ab hier zieht sich die für den Autoverkehr gesperrte Bergstraße allmählich in die Höhe. Vorbei an den Wasserfällen, die nahe bei der Hütte Nambrone liegen, und weiter entlang von Wassermärchen-Wiesen geht es gleichmäßig bergauf. Die vielen Höhenmeter sind gut zu bewältigen, weil über 95 Prozent auf asphaltierter Straße bei nahezu immer gleichbleibender Steigung bewältigt werden können. An den Hütten ist das Akku-Laden möglich. Die Cornisello-Hütte auf 2.120 Meter bietet auch Übernachtungsmöglichkeiten an.
37,7 km, 940 Hm, 75 % Asphalt, Rest Schotter
Zunächst wieder auf dem asphaltierten Radweg Richtung Pinzolo und Madonna di Campiglio. Nach Pinzolo in Carisolo geht es für zwei Kilometer auf der Hauptstraße 239 bis Sant Antonio di Maviignola (hier gibt es an der Tourist-Info auch eine kostenlose Ladestation). Kurz danach zweigt man in Richtung Val di Brenta ab. Gut ausgeschildert geht’s ab dem Forsthaus nun auf Schotterstraße immer steiler werdend ins Tal Vallesinella. Ab dem Wasserfall (unbedingt kurz besichtigen – 300 m zu Fuß) kommt das steilste Stück, das circa zwei Kilometer lang ist – dann hat man sich eine deftige Brotzeit im neu erbauten Rifugio Vallesinella verdient. Ab hier geht’s nur noch flach oder bergab über Madonna di Campiglio (schöner Marktplatz und optimal für eine Cappuccino-Pause) zurück nach Cardezone.
Autobahn A 8 über Irschenberg nach Kufstein und weiter über den Brenner auf A 22 bis Trento Centro. Abbiegen auf der SS12 Richtung Riva del Garda. In Sarche weiter geradeaus auf der SS237 ins Val Rendena bis nach Caderzone Terme.
Der Naturpark Brenta-Dolomiten gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe. Madonna di Campiglio ist ein bekannter Skiort. In dem kleinen Ort Caderzone Terme befindet sich mit der Albergo Palazzo Lodron Bertelli, das einer Trentiner Adelsfamilie gehörte und auf das frühe 14. Jahrhundert zurückgeht, eines der Wahrzeichen der historischen ländlichen Architektur im Val Rendena.
An der Südseite des Palazzo (Palastes) errichtete das Familienoberhaupt Don Gian Giacomo Bertelli 1677 eine Kapelle. Die gesamte Anlage umfasst darüber hinaus ein SPA (Terme di Sant‘Antonio), das Wellness-Zentrum und das Museum der Malga, das sich mit Kultur und Geschichte des alltäglichen Lebens auf den Almen beschäftigt und etwa Werkzeuge zeigt, mit denen Butter, Käse und andere Milchprodukten hergestellt wurden.
Caderzone Terme: Albergo Palazzo Lodron Bertelli (mit E-Bike-Ladestation), Piazza S. Antonio 8, www.palazzolodronbertelli.it, Tel: +393358754925
Madonna di Campiglio: Beste Pizza im Ristorante Le Roi, Via Cima Tosa, 40,
www.ristoranteleroicampiglio.com/
Caderzone Terme: Nachhaltig und Bio im Palazzo Lodron Bertelli (s.o.)
Tabacco-Karte 053 Dolomiti di Brenta
Kompass-Karte 070 Adamello-Brenta
Lardaro TN, Zero Gravity di Lorenzi Davide, Via Nazionale 12,
www.zerogravitybike.it, Tel: +393934571219
www.campigliodolomiti.it/de/bike/e-bike
www.trentino.com/de/trentino/
www.dolomiten.net
Peter Schlickenrieder (53) ist den meisten bekannt aus dem Skilanglauf. Als Aktiver gewann er 2002 die olympische Silbermedaille im Sprint, als Cheftrainer betreut er seit 2018 die deutschen Skilangläuferinnen und Skilangläufer und führte sie zu großen Erfolgen wie Olympiagold 2022 (Teamsprint Damen). Der gebürtige Tegernseer ist darüber hinaus vielfältig sportlich aktiv und auch häufig auf dem Bike – mit und ohne Motor – unterwegs.