Hüttentour GrödnertalDurch den Naturpark Puez Geisler zur Raschötzhütte

Sissi Pärsch

 · 01.07.2025

Langkofel, Sellastock und Geislerspitzen (von rechts). Man muss auf dieser Tour immer mal Fotopausen einlegen.
Foto: Mia Knoll
Sella-Stock, Langkofel, Schlern-Massiv – im Val Gardena drängen sich die Dolomiten-Promis. Aber natürlich auch die Touristen. Daher geht diese MTB-Runde eigene Wege mit Übernachtungs-Geheimtipp auf der Raschötzhütte!

St. Christina/Gröden, 14 Uhr. Die Augustsonne brezelt auf unsere mit Polenta und Pizza gefüllten Bäuche. In mir macht sich eine leichte Unruhe breit. Wir haben zwar einige Kilogramm im Magen, aber noch keinen Kilometer in den Beinen. 14 Uhr und unsere E-MTBs ruhen noch immer jungfräulich am Zaun. Die Südtirolerinnen Michi und Ellis rührt das wenig.

Ellis zuckt mit den Schultern. Nichts und niemand dränge uns, meint sie. Im Gegenteil: „Im August entkommst du dem Gedränge nur, wenn du azyklisch fährst.“ August – da schwingt ein leicht vorwurfsvoller Unterton mit. Sie hat wenig Verständnis dafür, dass wir uns entschlossen haben, sie gerade in der Hochsaison zu besuchen. Eigentlich hätten wir im Mai oder Juni ins Grödnertal kommen sollen, meint sie, „oder im Herbst, wenn die Farben jeden Tag anders leuchten“. In St. Christina führt Ellis gemeinsam mit ihrem Gatten Wolly die kleine Kedul Lodge, einen der bike-verrücktesten Plätze im Val Gardena. Heute aber darf sie sich selbst ins gemachte Bett der Raschötzhütte legen.

Mich flashen die Dolomiten auch im Hochsommer – und Michi scheint nicht einmal der Trubel zu stören. Sie ist aus dem nahen Pustertal herübergekommen und amüsiert sich bestens über die Grödner Touristen-Show. Flanierende, fotografierende und diskutierende Seniorentrupps. Wanderer, die brav mit ihren Stöcken an der Bushaltestelle Spalier stehen. Verzweifelte Eltern, unmotivierte Kinder.

Im August nutzt man mit dem E-MTB besser die fotogeneren Nachmittagsstunden.Foto: Mia KnollIm August nutzt man mit dem E-MTB besser die fotogeneren Nachmittagsstunden.

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„Und außerdem“, sagt Ellis, als sie endlich ihren Helm ergreift, „reicht es, wenn wir zum Abendessen oben auf der Hütte sind.“ Sie hat natürlich recht. Mit allem. Als wir ihr in den Naturpark Puez-Geisler folgen, hinein in das wunderschöne Langental, da kommen die Wanderer bereits wieder heraus. Auf schmalen Wegen fahren wir bergan. Bald tauchen die Geislerspitzen vor uns auf, während uns die mächtige Langkofel-Nordwand auf der gegenüberliegenden Talseite den Rücken deckt. Man tut sich immer so schwer, den Dolomiten abzunehmen, dass sie echt sind. Diese Felsformationen, die emporschießenden Nadeln und Spitzen, die zerfurchten Zacken und Zinnen. Davor saftig grüne Wiesen und braungebrannte Stadl. Alles so vollkommen.

Akkus laden auf der Danielhütte

Keineswegs mehr voll sind allerdings unsere Akkus. Die steilen Stiche haben ganz schön gesaugt. So mahnt Michi, nach 800 Höhenmetern bei der Danielhütte zu stoppen und aufzuladen. Wir haben erst die Hälfte der Strecke hinter uns. Michi meint, wir sollten unbedingt auf Nummer sicher gehen. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als ausgiebig einzukehren“, sagt sie mit großer Opferbereitschaft. So sitzen wir in der warmen Nachmittagssonne bei Schorle und Strudel auf lauschigen Loge-Plätzen und blicken auf Sella und Langkofel – eine Aussicht, die schwummrig macht.

Richtig Spaß macht dann das Bergab auf einem Potpourri aus Forst- und Feldwegen und schmalen Pfaden, die allesamt ganz geschmeidig zu fahren sind. Wir rollen im Tal durch St. Ulrich, bevor es wieder hinauf zu unserem Ziel geht. Wir werden ruhiger. Es geht langsam auf den Abend zu. Die Stille ist schön und das Gefühl, den Berg mit nur wenigen zu teilen, noch schöner. Schließlich taucht die Hütte vor uns auf. Sie liegt frei auf einer weiten Hochalm auf einem Bergrücken inmitten einer unglaublichen Kulisse. Direkt gegenüber steht – mächtig und unverrückbar – der Langkofel, duldet links neben sich den Sellastock und rechts die Seiser Alm.

2010 komplett renoviert: Die Raschötzhütte auf über 2000 Meter Höhe.Foto: Val Gardena2010 komplett renoviert: Die Raschötzhütte auf über 2000 Meter Höhe.

Die letzten Tagesgäste verabschieden sich gerade von Wirt David Piazza. Klein ist sie, seine Hütte auf 2170 Metern oberhalb von Val Gardena. Gerade einmal 28 Schlafplätze hat sie. Wir teilen uns die Ütia de Resciesa mit fünf belgischen Wanderinnen, die auf ihrer dreitägigen Dolorama-Tour hier Station machen. Und mit einem verliebten Pärchen, das zurückgezogen im Eck turtelt und wohl das Doppelzimmer reserviert hat. Wir sind im Viererlager untergebracht. David tischt großzügig und großartig auf: Ziegenfrischkäse, Bratkartoffeln, Gemüse, Rippelen, Steak.

Zart und ausgesprochen saftig: das Steak in der für ihre Küche berühmten Raschötzhütte.Foto: Mia KnollZart und ausgesprochen saftig: das Steak in der für ihre Küche berühmten Raschötzhütte.

Es ist ein Traum, was David hier zu bieten hat. Das Duschwasser ist warm, das Bier aus Bayern, die Speisen sensationell, das Federbett frisch bezogen. In das ziehen wir uns auch bald zurück – die Nacht wird kurz, auch ohne geruchs- und geräuschintensive Zimmergenossen. Der Wecker summt im Dunkeln. Einen Sonnenaufgang auf über 2000 Metern in den Dolomiten zu verpassen, wäre eine Sünde. Im Dämmerlicht pedalieren wir den kurzen Anstieg zum Außerraschötz-Gipfel und setzen uns unter das wuchtige Kreuz. Dann kommt sie. Blutrot und gewaltig. Exakt zwischen Peitlerkofel und Geislerspitzen steigt sie auf, schickt erste Strahlen Richtung Sellastock und Langkofel, während das Villnößtal und die Plose noch im Dunkeln ruhen. Es ist ein Sonnenaufgang, der uns bleiben wird. Geredet wird wenig, fotografiert viel.

Selbst in den Dolomiten kann man noch mehr aus dem Panorama rausholen, wenn man sehr früh aufsteht.Foto: Mia KnollSelbst in den Dolomiten kann man noch mehr aus dem Panorama rausholen, wenn man sehr früh aufsteht.

Obwohl wir schon eine Weile auf den Beinen sind, folgt der richtige Erweckungsmoment aber erst nach dem (natürlich wieder zu ausgiebigen) Frühstück bei David: „Wachrüttler-Trail“ tauft Michi den Kreuzweg Nummer 35 und ist ganz selig. Es ist ein Trail nach ihrem Geschmack: rockige Felsplatten, technische Engstellen, gewaltige Aussichten. An den Tschan-Wiesen wird der Untergrund weich, und die Finger können mal lockerlassen. Es ist verrückt! Sonnenaufgang, Hüttenfrühstück, ein kilometerlanger Trail durch die Einsamkeit. Und es ist noch keine 10 Uhr, als wir im Grödnertal auf die Zivilisation treffen.

Nach der Trail-Abfahrt rüber zum Schlern

Unsere Sinne müssen sich erst wieder an den Geräuschpegel und den Verkehr gewöhnen. Nur schnell von einer Seite auf die nächste, hinauf zur Seiser Alm. Beim Bergan ist die Vorfreude groß. Das Hochplateau ist schließlich so berühmt wie die Kastelruther Spatzen. Allerdings – so zeigt sich nach einer entspannt ruhigen Auffahrt – tatsächlich auch so beliebt. Auf Asphaltstraßen wandern die Massen und klackern die Pferdekutschen. Ich bin irritiert, Michi amüsiert: „Schau mal, was es hier alles zu sehen gibt. Das ist doch spannend.“ Ellis lacht, ich schüttle den Kopf. Wie gut, dass man mit dem E-MTB zügig vorankommt …

Bei der Mahlknechthütte zweigen wir dann allerdings in die richtige Richtung ab. Der Teer liegt hinter uns – und die Touristenscharen auch. Je schöner die Wege, desto weniger werden die Menschen. Am Fuße vom Plattkofel kehren wir noch beim Zallinger Hof ein, schauen den Haflingern beim Grasen zu und den Dolomiten beim Schönsein. Es ist ein unglaubliches Gebirge. Wir alle drei durften schon ein paar Ecken von ihm erleben. Aber die zwei Tage mit Hüttenübernachtungen haben sich nochmals ganz anders eingebrannt. Apropos zwei Tage … Der finale Trail spuckt uns fast um die gleiche Uhrzeit in St. Christina aus, zu der wir am Vortag gestartet sind. Voller kann man 24 Stunden wohl kaum packen.

Tag 1: Von St. Christina zur Raschötzhütte

  • Länge: 28 Kilometer
  • Bergauf: 1867 Höhenmeter
  • Bergab: 1189 Tiefenmeter

Flach geht es zunächst von St. Christina im Grödnertal ins Langental, das bei Wolkenstein Richtung Nordosten in die Puezgruppe abzweigt. Vom Talboden macht man jedoch bald eine Kehrtwende und tritt unterhalb der (spektakulär in den Felsen des Monte Stevia klebenden) Burgruine Wolkenstein bergauf. Über die Wege 298 und 299 geht es zur Danielhütte, wo es Lademöglichkeiten für die Akkus gibt.

Bergab folgt man der Wegnummer 298 und gelangt schließlich über Peza und die Wege Nr. 6 und 9b auf die Forststraße, die sich von St. Ulrich rund 800 Höhenmeter bis zur Raschötzhütte hochschraubt. Wer müde Beine oder einen schwächelnden Akku hat, nimmt in St. Ulrich die Standseilbahn.

Tag 2: Via Seiser Alm zurück nach St. Christina

  • Länge: 41,7 Kilometer
  • Bergauf: 1460 Höhenmeter
  • Bergab: 2138 Tiefenmeter

Gleich zum Auftakt ab der Raschötzhütte ist maximale Konzentration gefragt: Der Weg 35 ab der Raschötzhütte entpuppt sich mit seinem Steinfeld als echter Wachrüttler. Richtig sanft wird er über die Tschan-Wiesen, bevor er in den Wald abtaucht. Am Pineder Kreuz abzweigen auf die 8A und schließlich über die 9 bis in die Industriezone von Pontives. Ein Stück führt die Route an der Schnellstraße und dem Grödner Bach entlang, bevor es vor Runggaditsch auf der anderen Talseite zur Seiser Alm bergauf geht. Bei Compatsch wechselt man auf den Weg 253 – hier ist viel los. Ab der Mahlknechthütte und dem Rifugio Zallinger (beide haben Ladestationen) wird es einsamer. Schließlich folgt man der Nummer 223 nach St. Christina, zweigt jedoch zum Finale noch auf den Trail Nummer 30 ab.

Zwei Tage lang mitten im Dolomiten-Panorama: die Raschötzhütten-Tour.Foto: Karin Kunkel-JarversZwei Tage lang mitten im Dolomiten-Panorama: die Raschötzhütten-Tour.

Infos Bike-Revier Grödnertal

Anreise
Das 25 Kilometer lange Val Gardena erreicht man mit dem Auto über die Brennerautobahn, Abfahrt Klausen/Gröden. Die Höhenstraße windet sich ca. 20 Minuten bis nach St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstein. Nach Bozen kommt man auch sehr gut mit Fernbus und Bahn. Mit dem Südtirol-Transfer geht es dann weiter ins Grödnertal, suedtiroltransfer.com

Unterkunft
Die legendäre Kedul Lodge von Biker-Paar Ellis und Wolly Mussner liegt in St. Christina, Tel. 0039/0471/793308, kedul-lodge.com

Die Raschötzhütte (ladinisch: Ütia de Resciesa)

Das Haus liegt auf 2164 Meter Höhe oberhalb von St. Ulrich. Eine Standseilbahn führt auf das Hochplateau – von der Gipfelstation sind es 1,4 Kilometer zur Hütte.. Der Holzbau ist erst 2010 komplett neu errichtet worden und bietet einen entsprechenden (alpinen) Komfort. Hüttenwirt David ist zudem ein ausgezeichneter Koch und hervorragender Gastgeber. Insgesamt bietet die Hütte 40 Übernachtungsplätze. Vom Doppelzimmer mit eigenem Bad bis zum Lager mit 14 (Doppel-)Betten. Ü ab 65 Euro. Infos: Tel. 0039/328/3345986, rifugioresciesa.com

Die GPX-Daten zur Tour

BIKE-Abonnenten können die GPS-Daten gratis downloaden: bike-magazin.de dann unter “Mein Bereich”.

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