Rund ein halbes Jahr vor den Olympischen Winterspielen Milano-Cortina 2026 hat Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder die Austragungsorte im Trentino inspiziert. Mit dem
E-Gravelbike hat er nicht nur frühere Weggefährten, Skisprungschanzen und Langlauf-Arenen im Val di Fiemme besucht, sondern auch exquisite Weingüter im benachbarten Val di Cembra.
Autor: Peter Schlickenrieder
Es ist kurz nach sieben Uhr morgens, als wir uns in Cavalese auf die E-Gravelbikes schwingen. Die Luft ist noch frisch, ein kühler Hauch von Bergwiesen und Fichtenharz liegt über dem Tal, während die ersten Sonnenstrahlen die Dächer des kleinen Orts in goldenes Licht tauchen. Vor uns liegen drei Tage, drei Touren und eine Entdeckung: wie sich Sportgeschichte, alpiner Alltag und vinophile Kultur im Val di Fiemme und Val di Cembra zu einem Erlebnis verweben, das weit über die reine Bewegung hinausgeht. Olympisches Erbe und stille Pfade Unsere erste Etappe führt uns von Cavalese hinunter nach Tesero. Das Langlaufstadion Lago di Tesero, eingerahmt von bewaldeten Hängen, gilt als pulsierendes Herz der nordischen Skisportarten in Italien.
Hier fanden drei Nordische Ski-Weltmeisterschaften statt; 2026 wird das Stadion erneut olympische Geschichte schreiben. Wir rollen mit den E-Gravelbikes am Rand der Loipen entlang, passieren kleine Holzbrücken, hören das Rauschen des Avisio und sehen Baukräne und Arbeiter, die Tribünen und Versorgungsgebäude erneuern. Mein Freund und Organisationschef der nordischen Wettbewerbe bei Olympia, Pietro de Godenz, erklärt, wie wichtig die nachhaltige Umgestaltung ist: Photovoltaik, ressourcenschonende Bodenbeläge, neue Wasserführungen für Beschneiung. „Wir wollen zeigen, dass Tradition und Innovation hier Hand in Hand gehen“, sagt er.
Es ist beeindruckend, wie bescheiden und gleichzeitig visionär diese Projekte wirken. Pietro ist dabei genau der richtige Mann. Im Hauptjob ist er seit Jahrzehnten verantwortlich für die Bergbahnen im Tal und damit einer der Wegbereiter für nachhaltigen Skisport und ganz nebenbei einer der Ideengeber und Ermöglicher für die wohl berühmtesten und extremsten Skilanglaufveranstaltungen im Weltcupzirkus.
Mit dem sogenannten Final Climb, der entgegen der Richtung beim alpinen Skifahren bergauf zum Alpe Cermis verläuft, also die Skipiste von unten nach oben. Bei der Tour de Ski Anfang Januar müssen die Athleten und Athletinnen diese finale Etappe bewältigen. Zurück auf dem Rad, stellen sich auch uns bald die ersten steilen Rampen zwischen Weinbergen entgegen. Dank der sanften Unterstützungsleistung unserer neuen E-Gravelbikes meistern wir die Anstiege ohne große Mühen.
Wir sind begeistert, vor allem, weil man den Rädern den leichten und kleinen Elektroantrieb gar nicht ansieht. Unsere Tour führt uns weiter über kleine Wirtschaftswege in Richtung Predazzo. Hier ragen die Skisprungschanzen plötzlich vor uns auf – wie Startrampen in den Himmel. Beide Schanzen werden für Olympia modernisiert. Von der Plattform oberhalb der Schanzen genießen wir eine spektakuläre Aussicht: das weite Fleimstal, umrahmt von den Dolomiten, das satte Grün der Wiesen und das graue Band der Straße, auf der wir gekommen sind. Hier oben herrscht Stille, unterbrochen nur vom Pfeifen des Windes und dem fernen Hämmern der Baustelle. Ein kurzer Espresso-Stopp in einem Café in Predazzo unterhalb der Anlage belebt unsere Sinne, bevor wir direkt an der Skisprunganlage die steile Auffahrt zum Passo Feudo in Angriff nehmen.
Erneut freuen wir uns über die E-Unterstützung, die die Anstrengung erträglich macht. Vollprofis können sich hier auspowern, wem die Auffahrt auch mit E-Bike zu anstrengend ist, kann auch die Bergbahn ins Skigebiet Pampeago/Latemar nehmen. Der Ausblick vom Passo Feudo über die Latemar-Dolomiten hinaus bis in die Brenta-Dolomiten bei Madonna di Campiglio, ist atemberaubend. Die folgende Abfahrt zurück nach Cavalese führt sehr moderat entlang des Hanges vorbei an zahlreichen wunderschönen Almhütten im Pampeago-Skigebiet, die förmlich zur Einkehr einladen. Die Olympischen Spiele 2026 werfen im Val di Fiemme bereits ihre Schatten voraus. An den Skisprungschanzen von Predazzo und im Langlaufstadion in Lago di Tesero, keine 10 Kilometer entfernt, finden die nordischen Wettbewerbe statt. Hotels werden renoviert, Geschäfte gestalten ihre Schilder mit einem mehrsprachigen Angebot um. Die Region erwartet die Welt – mit Stolz, aber ohne Überheblichkeit.
Am späten Nachmittag fahren wir wieder nach Cavalese und gönnen uns einen Aperitivo auf der Piazza. Ein Glas Müller-Thurgau aus dem Val di Cembra prickelt auf der Zunge, die leichten Zitrusnoten harmonieren mit der klaren Höhenluft. Ein kleiner Vorgeschmack auf unsere nächsten Touren ins südlich angrenzende Val di Cembra. Auf den Spuren des Weins, möchten wir diese ganz andere Seite von Olympia und dieser so faszinierenden Gegend entdecken. Mit Blick auf die umliegenden Gipfel, die im Abendlicht rot glühen, beschließen wir den Tag im historischen Zentrum von Cavalese.
Am nächsten Morgen bringt uns ein Transfer ins Val di Cembra, eine andere Welt nur wenige Kilometer entfernt. Das Tal ist enger, steiler, wärmer. Terrassenförmig ziehen sich Weinberge die Hänge hinauf, gestützt von jahrhundertelangen Trockensteinmauern. Hier gedeihen der Müller-Thurgau auf besonders mineralischen Böden, ebenso Chardonnay, Pinot Nero und der autochthone Vernatsch. Wir starten in der Ortschaft Cembra und fahren zunächst hinunter in Richtung Süden nach Lisignago.
Die Strecke ist gesäumt von Weingärten, die bereits in voller Pracht stehen. Links ragt der Porphyrfels rotbraun in den Himmel, rechts gleitet der Blick über Reben, Dörfer und Obsthaine. Es geht bergauf und bergab. Wieder sind wir bei den teils steilen Rampen und dem ruppigen Untergrund froh um die elektrische Unterstützung unserer Räder. In Verla di Giovo stoppen wir bei der kleinen Cantina Villa Cornile. Die Winzerin führt uns durch den Keller, erzählt von der besonderen Bodenstruktur des Cembra, der Säure und Eleganz der Weine und ihrem Stolz, bei der Müller-Thurgau-Messe im Juli wieder mit dabei zu sein.
Natürlich verkosten wir: einen frischen, prickelnden Müller-Thurgau Riserva, dazu einen Pinot Nero, der mit würzigen Kirschnoten begeistert. Die Weine sind nach den Töchtern der Winzerin benannt. Danach geht es weiter nach Giovo und hinauf auf einen Panoramapunkt bei Masen di Giovo. Oben angekommen, blicken wir zurück ins Tal: endlose Rebzeilen, kleine Dörfer. Im Hintergrund thronen die fast ganzjährig schneebedeckten Dolomiten wie eine gemalte Kulisse.
Nach einer weiteren Einkehr am Lago Santo (heiliger See) geht’s ziemlich steil bergab auf Asphalt zum Ausgangsort Cembra. Während wir die Bikes verladen, erfüllt uns immer noch der Genuss der hausgemachten Canederli mit Bergkäse und Spinat und des Chardonnay Riserva. Müde, aber beseelt von der Schönheit und Ruhe dieses kleinen, unterschätzten Tals, kehren wir ins Hotel nach Cavalese zurück.
Am dritten Tag unserer Dolomiten-Reise wollen wir beide Täler verbinden. Wir starten früh auf die lange Tour in Cavalese und radeln Richtung Molina di Fiemme. Von dort schlängelt sich ein alter Karrenweg hoch in die Wälder, vorbei an verlassenen Almen und einsamen Gehöften. Die Räder rollen leicht auf dem geschotterten Untergrund, der Motor unterstützt uns sanft.
Oben, bei der Trudner Horn Alm, genießen wir den Blick auf das gesamte Val di Fiemme, die Lagorai-Kette im Rücken, während vor uns die Hänge ins Val di Cembra abfallen. gisch Wein produziert, der nur direkt beim Barone, also dem königlichen Nachfolger, zu beziehen ist. Der Besuch des historischen Weinkellers lässt sich gut mit einem Schlossaufenthalt kombinieren. Leicht beschwingt geht’s nach der Jause weiter zu den Erdpyramiden, einer geologischen Formation aus Lehm und Porphyrblöcken, die wie Naturkunstwerke in den Himmel ragen. Danach fahren wir wieder zurück ins Val di Fiemme.
Diesmal auf flacher bis leicht steigender Strecke. Wir lassen die Weinberge und Apfelhaine hinter uns und tauchen wieder ein in den bewaldeten Talabschnitt, bis das Cembra-Tal ins Val di Fiemme mündet. Vor uns erheben sich die Latemar-Dolomiten, die Lagorai-Gebirgskette bis hin zum Pale-di-San-Martino-Gebirge am Ende des Tals. Immer wieder stoppen wir, um Fotos zu machen, den Gaumengenuss nachwirken zu lassen und einfach nur den Blick in die nahe und ferne Bergwelt schweifen zu lassen.
Drei Tage voller Bewegung, Genuss, Natur und Geschichte liegen hinter uns. Am Abend auf der Hotelterrasse, mit Blick auf die Lichter von Cavalese, lassen wir die letzten Tage Revue passieren. Die olympischen Sportstätten sind mehr als Austragungsorte – sie sind Symbole für den Pioniergeist dieser Täler. Die Weine sind mehr als Genussmittel – sie sind Ausdruck von jahrhundertealter Kultur und harter Arbeit an steilen Hängen. Und das Rad? Es ist das ideale Vehikel, um diese beiden Welten miteinander zu verbinden. Es schenkt Freiheit, Erdung und Nähe. In vino veritas – im Wein liegt Wahrheit. Doch in der Bewegung liegt das Leben.
Die GPX-Daten zu den drei Gravelbike-Touren im Trentino zum kostenpflichtigen Download gibt es hier:
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30 km, 1280 Hm (alternativ Bergbahnunterstützung ), Untergrund: ca. 40 % Schotterstraße, 25 % Radweg, und 30 % Straße, 5 % Singletrail
Von Cavalese auf asphaltierter Straße nach Lago di Tesero zum Langlaufstadion der Olympischen Spiele 2026. Auf dem Radweg geht’s weiter in Richtung Predazzo und ca. 2 km in Richtung Moena zu den Skisprungschanzen. Direkt gegenüber der olympischen Skisprunganlage zieht sich zuerst gemächlich, dann immer steiler die Schotterpiste die gesamten 1280 Höhenmeter nach oben zum Passo Feudo. Alternativ kann auch die Bergbahn Pampeago/Latemar genutzt werden, um die Höhenmeter hinter sich zu bringen. Oben angekommen genießt man den Ausblick auf die Latemar und in weiter Ferne die Brenta-Dolomiten.
42 km, 1550 Hm, Untergrund: ca. 30 % Schotterstraße, 20 % Radweg, 10 % Wirtschaftswege, 40 % Straße, 5 % Singletrails
Wir starten in der Ortschaft Cembra zunächst auf Asphalt, stark kupierten Weinbergwegen bis zum Ort Verla di Giovo. Hier lohnt die Einkehr zur Weinprobe und Brotzeit in eine kleine Weinkellerei, die Cantina Villa Corniole. Weiter über gut fahrbare Schotterwege, mitten durch Weinberge hinauf bis auf den höchsten Panoramapunkt auf 1.255 m bei Masen di Giovo. Eine genussvolle Einkehr im Rifugio oberhalb des Sees Lago Santo rundet die Tour ab. Nach rasanter Abfahrt geht’s zurück zum Ausgangs- punkt nach Cembra.
88 km, 2500 Hm, Untergrund: ca. 35 % Schotterstraße, 35 % Straße, 10 % Radweg, 15 % Wirtschaftswege, 5 % Singletrails
Diese Tour verbindet beide Täler, das Val di Fiemme mit dem Val di Cembra. Von Cavalese im Val di Fiemme geht’s bergab nach Molina di Fiemme. Hier zweigt das Cembra-Tal ab. Weiter Richtung Altrei zum höchsten Punkt Monte Paludi (1520 m) und Monte dell’ Orso (1576 m). Immer entlang des Höhenrückens zwischen dem Cembratal und dem großen Etschtal. Immer weiter am Höhenrücken in teils dichtem Wald zur Rifugio Potzmauer, das ebenso wie der Lago Santo zur Einkehr einlädt.
Nach langer Abfahrt auf Asphalt geht’s durch den Ort Cembra und bis zum tiefsten Punkt der Tour auf der Brücke über den Aviso-Fluss. Von hier geht’s kurz, aber steil bergauf bis zur Einkehrmöglichkeit des Weingutes Barone a Prato, wo ökologischer Wein angebaut wird. Geheimtipp! Weitere Stationen sind die Erdpyramiden, Formationen aus Lehm und Porphyrblöcken in der Ortschaft Segonzano. Auf dem Rückweg nach Cavalese nutzen wir größtenteils die Bundesstraße und lassen die Weinberge und Apfelhaine hinter uns. Ziemlich am Schluss der Tour tauchen wir wieder in die Alpinregion des Val di Fiemme ein.
Auto: Autobahn A22 (Autostrada del Brennero), ABA „San Michele all’Adige“ oder „Trento Nord“ und weiter in Richtung Cavalese/Val di Fiemme.
Öffentlich: Mit dem Zug via Innsbruck nach Trento. Weiter mit Bus direkt nach Cavalese. Die Busfahrt dauert je nach Verbindung etwa eine Stunde, und die Busse fahren regelmäßig.
Kompass Nr. 079 Val di Fiemme Kompass Nr. 075 Altopiano di Pine Tabacco Nr. 014 Val di Fiemme, Lagorai – Latemar
Cantina Villa Corniole, Valle di Cembra, Via al Gréc‘, 23, 38030 Giovo TN, Italien Tel.: +39 0461 695067, villacorniole.com
Albergo Rifugio Lago Santo, Località Lago Santo, 1, 38034 Cembra TN, Italien, Tel.: +39 0461 527141
Cantina Barone a Prato, Frazione Piazzo, 44, 38047 Segonzano TN, Italien Tel.: +39 347 759 3662,
baroneaprato.com
Trattoria Bar Alpino, Fr. Stedro, 12, 38047 Segonzano (TN), Tel.: +39(0461)686100
Baita Passo Feudo, Localita‘ Passo Feudo, 38037 Predazzo TN, Italien, Tel.: +39 347 991 9582, baitapassofeudo.com
Grappa Destillerie Pilzer, Via Portegnago 5, 38030 Faver TN, Italien, Tel.: +39 0461 683326
pilzer.it
Caseificio Sociale Predazzo e Moena (Käserei mit Restaurant), Via Nazionale, 38030 Ziano di Fiemme TN, Italien, Tel.: +39 0462 503170
Erdpyramiden von Segonzano: Sie entstanden vor 50.000 Jahren durch die Erosionskraft der Gletscher des Alvisio und der folgenden Zersetzung der Felsen.
dolomiti.it/de/naturparks-und-natur/die-erdpyramiden-von-segonzano
Tickets und Informationen: