Mit einem leichten Ruck setzen wir uns in Bewegung. Begleitet von feinem Surren geht es schnurstracks den Berg hinauf. Das Dolomiten-Panorama, das sich immer weiter öffnet, könnte gar nicht spektakulärer sein. Dort der Sellastock, dort die Marmolata mit ihrer ewigen Eiskuppe. Und dann sind wir auch schon oben: 800 Höhenmeter in weniger als fünf Minuten, kein einziger Tropfen Schweiß auf der Stirn. Diese Power lässt sich selbst dem stärksten Boost-Modus nicht entlocken. Den Col di Rosc haben wir mit der Gondel erklommen, um uns Extra-Reichweite zu erkaufen.
“Warum auch nicht? Elektrische Bergbahnen sind ja im Grunde der Ursprung des E-Bikens”, so rede ich mir die Sache schön. Insgesamt werden wir auf dieser großen Runde mit 2400 Höhenmetern sogar drei Mal die Seilbahn benutzen.
Die Bike- und Bergwelt von Canazei im Fassatal liegt mitten im Herzen der Dolomiten und gehört zu den schönsten Spots des bleichen Wundergebirges. Deshalb sind wir hier oben am Col di Rosc auch nicht allein. Mit einem Slalom durch die Wanderer folgen wir dem Schotteranstieg zum ersten Trail-Einstieg am Col de Cuch. Ein Flowtrail: Tief in den Hang geschnittene Anlieger schaukeln uns sicher, sanft und trotzdem rasant Meter um Meter hinunter zur Pass-Straße. Am Ende dieser Abfahrt wartet der Sessellift an der Pont de Vauz, und es geht wieder entspannt 400 Höhenmeter bergauf zum Passo Pordoi. Jetzt folgt die lange Abfahrt auf dem Burz-Trail nach Arabba hinunter. Elegant, flowig und mit mäßigem Gefälle windet sich dieser Pfad durch fette Almwiesen. Kurze Gegenanstiege werden locker im Trail-Modus weggeschaltet, bevor der Trail immer noch flowig, jetzt aber steiler werdend, ins Tal abfällt.
Unten in Arabba müssen wir uns allerdings sputen, um die letzte Gondel zur Porta Vescovo hinauf zu erwischen. Aber wir schaffen es noch. Nur zwei einzelne Biker und zwei Wanderer sind mit an Board. Ein gutes Zeichen, denn die Porta Vescovo gehört zu den schönsten Panorama-Spots entlang der Sellaronda. Selten, dass man dort oben nicht auf Heerscharen von Wanderern trifft. Aber unsere späte Auffahrt hat auch einen Nachteil: Im Rifugio gibt es keinen Kuchen mehr. Dafür haben wir nun den beliebten und spektakulären Wanderweg ganz für uns allein.
Die Abfahrt Richtung Passo Padon ist durchaus technisch, rutscht einige steile Rampen runter und fordert mit Stufen. Im direkten Vergleich mit den Flowtrails der Sellaronda durchaus eine fahrtechnische Herausforderung. Auch, weil die Aussicht auf die Marmolata immer wieder versucht abzulenken. Wir genießen die Nachmittagssonne und jeden Meter Trail. Ab der Padon-Hütte schließt sich dann ein schneller Schotterweg an, der bis zum Fedaia-See hinunterführt. Den passieren wir entlang seines Südufers, abseits der Straße. Doch kurz bevor der Weg auf die Pass-Straße trifft, zweigt an der Staumauer wieder ein technischer Singletrail ab. Er taucht in einen lichten Lärchenwald ein und überrascht mit einer lockeren Abfolge von Felsstufen. Dazu das flackernde Abendlicht durch die Bäume - da ist schon höchste Konzentration gefragt, und der Rhythmus der Stufen mag hier auch erst auf den zweiten Blick passen. Doch am Ende schaukelt uns der Federweg am Bike sicher ins Tal - wo uns ein kurzer Abstecher ins Örtchen Penia den Rückweg nach Canazei doch noch mit einem Stückchen Kuchen versüßt.
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