E-MTB-Hüttentour LigurienMit Harald Philipp zum Rifugio La Terza

Harald Philipp

 · 04.08.2024

Man sieht es an der T-förmigen Architektur: die La Terza-Hütte war mal eine Liftstation.
Foto: Markus Greber / Skyshot
Nur eine Autostunde von der Küste entfernt, stößt man auf Liguriens höchsten Gipfel – ein verwelktes Skigebiet. Doch die La Terza-Hütte haucht der Region mit E-Ladestation gerade ganz neues Leben ein.

Ein loser Teil des Blechdachs vom Albergo Rendentore scheppert im Wind. In einer Dornenhecke parkt ein Ungetüm – auf den zweiten Blick handelt es sich um einen eingewucherten, rostigen Pistenbulli. Im Schaufenster eines verrammelten Sportgeschäfts baumelt noch ein verstaubter Monoski. Dessen Blütezeit war etwa in den 70er Jahren, als Monesi di Triora noch „Die kleine Schweiz Liguriens“ genannt wurde. Nach nur einer Stunde Autofahrt von der Mittelmeerküste stoßen wir hier nicht nur ins allerhinterste Hinterland vor, sondern auch in eine völlig vergessene Zeit. Aus dem Nichts hat man dieses Monesi in den 60er Jahren in die Bergflanken des Monte Saccarello betoniert. Einen Touristenort auf 1380 Metern Höhe mit vier Skiliften, Ferienhäusern und ein paar Hotel-Plattenbauten. Doch die Winter blieben zu kurz, der Schneefall zu unberechenbar – schon Ende der 80er Jahre war hier der Lack ab. Als 2016 ein Erdrutsch die Zufahrtsstraße wegriss und einen Teil der Ferienhäuser in den Fluss Tanaro spülte, wurde der Liftbetrieb schließlich ganz eingestellt. War das der Todesstoß?

Man muss zwei Mal hinsehen, um zu erkennen: Da steckt ja wirklich wieder Leben drin!Foto: Markus Greber / SkyshotMan muss zwei Mal hinsehen, um zu erkennen: Da steckt ja wirklich wieder Leben drin!

Während ich so melancholisch durch die Vergangenheit des ligurischen Skitourismus radle, überrascht mich ein modernes Plakat mit der Aufschrift: „E-Bike-Testcenter“. Inmitten dieses verwitterten Hotelkomplexes entdecke ich einen Balkon, der fast schon trotzig mit frischen Blumenkästen dekoriert ist. Auch hinter dem Schild „Albergo La Vecchia Partenza“ scheint noch Leben zu stecken. Die ehemalige Lifttalstation ist jetzt ein Restaurant! Ich frage mich: Wer bringt so viel Optimismus auf, um hier ganz neu anzufangen?

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Auf Liguriens höchsten Gipfel

Die Antwort begrüßt mich im Türrahmen mit strahlenden Augen: Simone war mal italienische Meisterin im Wellenreiten. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Maurizio, einem ehemaligen Triathleten, hat sie sich hier niedergelassen. Sie sind überzeugt davon, dass sich Monesi mit einer Bike-Station, gutem Kaffee und gutem Essen wiederbeleben lässt. Ich wünsche es ihnen jedenfalls, muss aber weiter, denn mein heutiges Ziel ist die La Terza-Hütte.

Simone und Maurizio sind mit sportlichem Ehrgeiz aufgewachsen.Foto: Markus Greber / SkyshotSimone und Maurizio sind mit sportlichem Ehrgeiz aufgewachsen.

Auf Liguriens höchsten Gipfel – mit dem E-MTB lässt sich der Anstieg zügig wegkurbeln. Anfangs asphaltiert und dann geht's auf Schotter flott dahin. Das lässt viel Zeit zum Schauen und Denken. Gegenüber von Monesi entdecke ich das Bergdorf Piaggia. Seine Steinhäuser haben mindestens 100 Jahre auf dem Buckel, sind aber deutlich besser gealtert. Andere Bauweise und gute Pflege, nehme ich an. Die Gerippe der alten Liftstützen passierend, werde ich den Gedanken nicht los, dass dies nicht nur eine Zeitreise in die Vergangenheit Liguriens ist, sondern vielleicht auch ein Blick in die Zukunft andere alpiner Skiorte?

Der 2201 Meter hohe Saccarello ist der höchste Berg Liguriens und hat etwas Magisches. Von seinem Gipfel blickt man gen Süden volle Breitseite aufs Ligurische Meer. Doch der Regen, der auf die Nordflanken des Berges fällt, fließt lieber einen Umweg in die 500 Kilometer entfernte Adria. Und noch etwas macht diesen Berg so besonders: Sein italienischer Gipfel wartet bereits auf 2164 Metern mit einer 10 Meter hohen Christusstatue. Hier fühlt man sich als Biker ganz klein, daher lohnt sich unbedingt noch der Abstecher zum 2201 Meter hohen Gipfel-Obelisken auf der französischen Seite. Von hier oben reicht der Blick bei gutem Wetter bis nach Korsika und gen Norden bis zum Monviso.

Liguriens Berge haben etwas mehr als Mittelgebirgshöhe, fühlen sich aber nach Hochgebirge an.Foto: Markus Greber / SkyshotLiguriens Berge haben etwas mehr als Mittelgebirgshöhe, fühlen sich aber nach Hochgebirge an.

Das Erste, was bei der Ankunft am Rifugio La Terza ins Auge sticht, ist die prominente E-Bike-Ladestation direkt vor dem Haus. Unter zwei Solarpanelen steht alles bereit, um den Stromdurst leergesaugter Akkus zu stillen. Ein zusätzliches „Biker willkommen“-Schild ist hier definitiv nicht nötig. Als nächstes nimmt man die T-förmige Architektur dieser Hütte wahr und erkennt: Es handelt sich eindeutig um die ehemalige Bergstation eines Skiliftes. Dort wo früher Skifahrer in die Bergstation hineingegondelt sind, hat man nun ein riesiges Panoramafenster eingelassen. Aus dem blickt man auch sofort, wenn man den großen Gastraum samt offener Küche betritt.

Die Idee dazu hatte die Familie Porro, die am Colle di Nava (ebenfalls ein tolles Bikegebiet!) eine Pasta-Manufaktur betreibt. Sie hat das alte Liftgebäude gekauft, renoviert und 2020 neueröffnet. Wobei „renoviert“ untertrieben ist. Der Gastraum erinnert eher an ein Nobelrestaurant als an eine einfache Berghütte. Die Produkte aus der eigenen Manufaktur im höchst gelegenen Restaurant Liguriens anbieten – so das Motto von Inhaber Stefano Porro. Dafür steht er jeden frühen Morgen in der Nudelfabrik und ab mittags in der Küche auf der La Terza. Nebenbei ist er Handwerker und Lieferfahrer, in seiner Freizeit – wenn er denn welche hat – Bergsportler. Im Obergeschoss der Hütte hat sich die Familie Apartments für den Winter eingerichtet. An Powder-Tagen – und die gibt es in Ligurien durchaus – nistet sich hier Stefanos Neffe, Amadeo Porro, ein.

Hat sich noch lang nicht satt gescoutet: Harald Philipp findet in seiner neuen Heimat Ligurien immer noch neue Trails.Foto: Markus Greber / SkyshotHat sich noch lang nicht satt gescoutet: Harald Philipp findet in seiner neuen Heimat Ligurien immer noch neue Trails.

Ich starte am nächsten Morgen Richtung Monte Frontè. Unten im Tal brodelt bereits eine Wolkenküche, die wie im Hochgebirge langsam aufsteigt. Die Tour ist ein Teilstück der Alta Via Monti Ligure. Ein Fernwanderweg, der zwischen Ventimiglia und La Spezia in verschiedenen Varianten die Berge Liguriens quert. Hinterm Passo Frontè schnürt sich der Weg zu einem Pfad zu und klettert unfahrbar steil zum Gipfel der 2141 Meter hohen Cima Garlenda hinauf.

Selbst mit dem E-MTB ist das eine echte Schinderei. Aber es gibt natürlich einen Grund, warum ich mir das antue: Oben startet gen Norden ein spektakulärer Gratweg. Klar, die Aussicht von dort oben ist natürlich gewaltig, aber vor allem herrscht hier ein Mikroklima, das oft zu einer Inversion führt und ein Wolkenmeer an die Bergflanke anbranden lässt. Der Pfad selbst erfordert ein waches Auge, denn Murmeltiere haben ihre Tunneleingänge ins Pfadband gegraben. Das bringt ein wenig aus dem Tritt. Doch kaum zweigt der Pfad in den Wald ab, kann man es wieder laufen lassen: Der lehmige Boden bietet viel Grip und die Kehren weiten sich wieder zu Kurven. An der Margheria Garlenda wird der Flow kurz gebremst, weil sich Kuhfüße in Weide und Pfadspur so tief verewigt haben, dass man den Rechtsabzweig unterhalb der Alm leicht übersieht. Und das wäre wirklich schade, denn jetzt beginnt der beste Wegabschnitt, ein Rollercoaster! Von Eseln und Menschen über Jahrhunderte perfekt eingelaufen. Eine wilde Fahrt, die in San Bernardo di Mendatica schließlich in die Straße mündet. Über eine neue Brücke mit frischem Asphalt surrt man nun fast lautlos zurück nach Monesi. Der Erdrutsch darunter bröckelt noch.

Ganz oben, im Talschluss des Valle Argentina, dreht sich die Hometrail-Runde von Harald Philipp über den Monte Saccarello.Foto: Karin Kunkel-JarversGanz oben, im Talschluss des Valle Argentina, dreht sich die Hometrail-Runde von Harald Philipp über den Monte Saccarello.

Die Tour: von Monesi zur La-Terza-Hütte

  • Länge: 22,9 Kilometer
  • Bergauf 1032 Höhenmeter
  • Schwierigkeit: mittel bis schwer
Die Tour zur La Terza-Hütte lässt sich am zweiten Tag noch um eine Trail-Extraschleife verlängern.Foto: BIKE MagazinDie Tour zur La Terza-Hütte lässt sich am zweiten Tag noch um eine Trail-Extraschleife verlängern.

Tourenbeschreibung

Von Monesi auf den Monte Saccarello: Die Tour auf Liguriens höchsten Berg beginnt am Albergo Vecchia Partenza und führt gemütlich erst über Asphalt und dann auf gut ausgebauter Schotterstraße zum Gipfel des Monte Saccarello. Die Höhenstraße zur Rif. La Terza bietet tolle Ausblicke.

Am nächsten Morgen beginnt der Weg breit und wird immer schmaler, bleibt aber einfach zu fahren bis zum Passo Frontè. Zum Cima Garlenda (2141 m) warten einige Schiebestellen. Die Abfahrt ist anfangs recht alpin und enthält einige Felssektionen (max. S2-3). Sobald der Trail in den Wald abzweigt, mutiert er zu einem recht einfachen, flowigen S1/S2-Pfad. Die Rückfahrt nach Monesi führt anschließend über die wenig befahrene Asphaltstraße (5 km).

Infos zur MTB-Hüttentour La Terza

Familie Porro hat die Liftstation zur Gaststube ausgebaut und serviert Pasta aus der eigenen Manufaktur.Foto: Markus Greber / SkyshotFamilie Porro hat die Liftstation zur Gaststube ausgebaut und serviert Pasta aus der eigenen Manufaktur.

Albergo La Vecchia Partenza in Monesi di Triora

Ein Neustart für Monesi im alten Liftgebäude. Liebevolles Restaurant mit Menschen voller Geschichten und Visionen. Simone und Maurizio eröffneten ihr Herzenzprojekt 2016 und waren kurz danach für vier Jahre von der Außenwelt abgeschnitten. Mit viel Durchhaltewillen haben die beiden Triathleten eine kleine Bike-Station aufgebaut und vielleicht wird es irgendwann auch wieder Liftbetrieb und einen Bikepark geben…? E-Bike-Testcenter mit Bikes von Focus und Santa Cruz gibt es schon jetzt, dazu 7 Zimmer für Übernachtungsgäste. Ganzjährig am Wochenende geöffnet, im Sommer durchgängig. Via Provincale 25, 18025 Monesi di Triora, lavecchiapartenza@gmail.com

Rifugio La Terza

Das höchste Restaurant Liguriens mit selbstgemachter Pasta im Panorama-Restaurant. Eine Berghütte mit Meerblick in zwei Himmelsrichtungen. Gämsen vorm Haus zum Sonnenaufgang. Ein Spielplatz von Bergbegeisterten für Bergbegeisterte. E-Bike Ladestation und Hüttenpersonal mit Trailkenntnis. Geöffnet von Ende Juni bis Oktober. Bis zu 40 Übernachtungsplätze in Mehrbettzimmern oder komfortablen Appartements. Im Sommer kann man auf der La Terza auch die deutsche Auswanderin Katharina Fritzenwallner treffen, die als E-Bike-Guide auch alle unbekannteren Trails der Gegend kennt. Località valletta, 18025 Monesi di Triora, info@rifugiolaterza.it, rifugiolaterza.it

Extra-Loop

Falls der Uphill zu schnell geht und man noch Lust auf mehr Trail hat, kann man nach ca. 600 Höhenmetern rechts zum Tanarello-Pass abbiegen und von dort über ein Stück des Gratweg-Trails der „Via di Sale“ fahren. Der alte Handelspfad geht in beide Richtungen mit dem E-Bike zu befahren. Über die Cima Missun (2350 m) und den Colle Rossa auf einem roten Schiefer-Trail (Baby-Rampage) zur Höhenstraße abfahren. Dann einfach die Höhenstraße als flachen Transfer zurück zum ursprünglichen Uphill nutzen.

Oder cooler: Am höchsten Punkt einfach umdrehen und denselben Trail zurückfahren! Die Runde ist theoretisch noch sehr viel weiter verlängerbar, aber wenn man noch zum Monte Saccarello will, darf man das Akku-Management nicht aus den Augen lassen. Mit 750 Wh muss man sparsam fahren, mit Range Extender und ca. 1000 Wh braucht man sich weniger Sorgen machen.

Empfohlener redaktioneller Inhalttouren.bike-magazin.de

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