Thomas Rögner
· 14.04.2015
Übers Biken am Gardasee zu schreiben, ist wie Kiesel an dessen Strand zu tragen. Doch wenn man dem Lago lange genug den Rücken kehrt, erschließen sich im Umland spannende Varianten und Extra-Touren.
Wer glaubt, den Gardasee mit all seinen Trails und Touren tatsächlich zu kennen, sollte sich mal in dessen Umland umsehen. Kaum ein anderes Revier ist so abwechslungsreich und bietet auf so engem Raum so viele unterschiedliche Landschaften und Touren für alle Ansprüche wie die Bike-Arena Mountain & Garda Bike. Zu ihr gehören die vier Tourismusregionen Garda Trentino, Val di Ledro, Rovereto und Vallagarina, Trento, Monte Bondone und Valle dei Laghi mit alpinen Hochgenüssen und mediterranen Spezialitäten. Als Biker ist man dort nie allein: In keinem einem anderen Gebiet treffen sich so viele Gleichgesinnte zum Biken, Spaß haben, chillen und genießen – abends auf der Piazza, mit einem Spritz, ein paar kleinen Häppchen, viel italienischem Charme und einem Hauch dolce vita. Aber von vorne.
Fette Wolkenfetzen hängen genau an der steilen, felsigen Kante des Monte Tremalzo fest. Der frische Rückenwind beschleunigt unsere Abfahrt noch. Kaum haben wir den tropfenden Tunnel durchfahren, bietet sich eine neue, spannende Szenerie: Grüne, mit Felsen durchsetzte Rücken und Kämme tauchen aus dem grauen Meer auf und verschwinden wieder im Nebel. Da blitzt die Sonne kurz hervor und wirft ihren Spot direkt auf ein blaues Fleckchen weit, weit unten – den Gardasee. Statt endloser Sicht gönnt uns das durchziehende Tief heute eine dramatische Show mit schnellen Wolken, handverlesenen Sonnenstrahlen und Landschafts-Puzzleteilchen. Wow, so habe ich den Tremalzo noch nie erlebt, auch wenn ich mich schon oft und von verschiedenen Seiten auf den Klassiker hinaufgequält habe. Dieser Tag ist der beste Beweis, dass man jede Menge verpasst, wenn man sich nur bei strahlendem Sonnenschein in den Sattel schwingt.
Als wir nach drei Stunden immer noch nicht nass sind, grinst auch mein Begleiter Loris Tagliapietra. Beim Frühstück lag der Lago noch vor uns wie eine Erbsensuppe, Bindfäden pieselten traurig herab, und Loris checkte zum dritten Mal das Regenradar auf seinem Tablet-PC. Für einen Italiener gibt es, glaube ich, nichts Schlimmeres, als im Regen Rad zu fahren. Deswegen plante Loris unseren Trip minutiös nach dem Satellitenbild aus dem Internet: Um elf lässt es nach, dann sollte es ein paar Stunden nicht regnen, und abends kommt die zweite Front durch. Ich war skeptisch, doch es lief genau nach Plan. Als uns der Shuttle am Ledrosee kurz vor Mittag ablädt, fallen nur noch Tröpfchen aus den tiefen Wolken. Tatsächlich bleiben wir die ganze Tour über trocken – äußerlich. Abends, fünf Minuten nach unserer Ankunft in Riva, rauscht dann schon wieder der erste Schauer über den See.
Obwohl ich dachte, den Tremalzo gut zu kennen, hat mir diese Tour wieder gezeigt, warum man als Biker jahrelang an den Gardasee fahren kann und immer wieder überrascht wird. Je nach Wetter und Stimmung erscheinen altbekannte Strecken neu und anders. Zudem hat mir Loris eine Abfahrtsvariante rund um den Cima Casèt hinab zum Ledrosee gezeigt, den wir anschließend auf der westlichen Uferseite umrunden, um über die bekannte Ponale-Straße zurück zum "großen" Lago zu rauschen.
Wir waren auf den Spuren des legendären Rampiledro unterwegs, ein Rennen für echte Bergbeißer, das zu den ersten Veranstaltungen am Ledrosee zählte und bis 2007 zehn Mal stattfand. Der Name ist Programm, auch die zahlreichen neu hinzugefügten Betonabschnitte haben die Rampen ab Molina di Ledro bergauf zum Passo Nota nicht wirklich flacher gemacht. Erst ab dem Bocca dei Fortini beruhigt sich der Anstieg, und wir können mit normaler Pulsfrequenz weiterkurbeln.
Die Abfahrt vom Tremalzo nach Tiarno ist ein bunter Mix aus Schotter, Trails und mit Beton befestigten Abschnitten. Den Abschluss bildet entspanntes Cruisen am Ufer des Ledrosees, der bei besserem Wetter mit vier Badestränden lockt. Ich bin schon zufrieden mit dem Lokal Cima d’Oro direkt am Ufer, das extrem leckere Pasta mit Pilzen auftischt. Perfekter i-Punkt ist der schnelle Abstieg von Molina di Ledro über den Radweg.
Doch neben den Klassikern am und um den Gardasee versuchen die Touristik-Manager, weitere Routen im Umland zu etablieren. Der Monte Bondone, der Hausberg der Provinz-Hauptstadt Trento, ist ein Teil der Riesenrunde vom Nordufer des Gardasees bis Terlago, der über den Monte Casale und an den Flanken des Monte Misone entlang über Tenno und den Ledrosee zurückführt. Um vom Valle dei Laghi auf den immerhin 1600 Meter hohen Bondone zu starten, beginnen Loris und ich die Auffahrt in Dro. Von dort sind es nur fünf Kilometer nach Drena, wo sich eine schmale Asphaltstraße Richtung Monte Stivo bergauf windet. Tausend Höhenmeter und gefühlte hundert Kehren später, zweigen wir an einer Kurve mit einem Jesuskreuz links in den Forst ab und befinden uns nun in einem endlos erscheinenden Netz von Forstwegen, die die Flanken des Monte Bondone durchziehen. Selbst Loris, der für die Marathons des BIKE-Festivals die Region immer wieder durchkämmt, zückt an diesem Tag mehr als einmal die Karte, um sich zu vergewissern, dass wir uns noch auf der richtigen Strecke befinden, die er ausgeklügelt hat. Wir sind die Einzigen auf dem Rad am Bondone, an diesem Spätsommertag streifen außer uns nur Ausflügler und die ersten Pilzsammler durch die Wälder – ein Sport, den die Locals mit solcher Leidenschaft betreiben, dass es gesetzliche Einschränkungen für die Sammelmengen gibt. Stolz zeigen uns drei Frauen ihre Funde: mächtige, duftende Steinpilze, bei deren Anblick mir schon das Wasser im Munde zusammenläuft.
Vorerst bleibt mir nur ein Biss vom Fruchtriegel und ein Schluck aus der Plastikflasche. Unser Pausenziel, die Agritur Malga Brigolina auf 997 Metern, ist noch über eine Stunde entfernt. Die Sennerei und Käserei, einst wichtiger Betrieb des Sopramonte, gehört inzwischen einem großen Milchproduzenten. Sie bietet leckere Spezialitäten wie den würzigen Vezzena-Käse, Frischkäse, selbst gemachten Yoghurt mit Waldfrüchten und natürlich die Trentiner Hausmannskost: kalorienreiche Pasta und Polenta, in allen Variationen. Der Blick schweift weit übers Tal hinüber zur Paganella. Wir schwingen uns wieder aufs Bike, um hinunter ins Valle dei Laghi zu rollen. Loris checkt noch ein paar versteckte Trails aus. Nach einigen kleineren, ungeplanten Umwegen landen wir wieder auf der richtigen Route, die uns nach Vezzano führt. Der weitere Heimweg läuft entspannt auf dem teils neu gebauten Radweg im Tal entlang, vorbei an den Seen der Region. Der Lago di Santa Massenza schließt sich an den Lago di Toblino an, kurz vor Dro umrunden wir noch den Lago di Cavedine.
Um zum Ufer das Gardasees zurückzugelangen, hätten wir noch die markierte Strecke am Monte Casale dranhängen können – da hätten noch ein paar hübsche Trails auf der Abfahrt gewartet. Doch meine Beine fühlen sich gerade gar nicht danach an. Dieser Bike-Tag im Valle dei Laghi hatte einen ganz anderen Charakter als die üblichen Lago-Touren. Statt einer heftigen Auffahrt und langer Abfahrt, mäandert die Tour an den Flanken des Bondone immer wieder bergauf und bergab, das kostet Kraft. Als ich abends das GPS checke, wird mir klar, warum: Weit über 2000 Höhenmeter stehen in der Auswertung – da hätte ich gut noch einen Nachtisch essen können.
Über den Dächern von Nago entsteht gerade ein Gravity-Projekt für Downhiller, Freerider und Enduro-Fahrer: der Bike Park Garda Trentino. Drei anspruchsvolle Abfahrtsstrecken sind geplant – die erste davon wird 2015 schon freigegeben. "La Val del Diaol" heißt die Strecke, die viele vielleicht auch unter dem Namen "Skull Trail" kennen, doch die Mitglieder der "Associazione AGBA” (Alto Garda Bike Arena) haben nun grünes Licht und die Gelder für eine Rundum-Sanierung des Trails bekommen. Der Einstieg befindet sich nur wenige Hundert Meter hinter der Malga Casina, dann kurvt der 4,2 Kilometer lange Trail sehr anspruchsvoll ins Industriegebiet von Nago hinunter. Auch der legendäre 601er ist nun offiziell erlaubt. Offiziell heißt er nun „Seicentonuno“-Trail. Eine weitere Abfahrtsstrecke vom Monte Baldo soll noch folgen: der Coast-Trail. Alle Streckeninfos unter www.gardatrentino.it/bike
Ledrosee – Tremalzo
Der Tremalzo ist einer der Klassiker am Lago und wird von mehreren Shuttle-Diensten angefahren. Ehrlicher ist die Auffahrt vom Ledrosee aus (wohin man sich auch bringen lassen kann, Infos zu Shuttles: www.mountaingardabike.com). Über zahllose Kehren und Betonrampen geht es über Bocca dei Fortini zum bekannten Passo Nota und Passo Tremalzo. Wer vom Ledrosee startet, kann sich am Ende über die Abfahrt über die Ponale mit Blick über den Gardasee nach Riva und Torbole gönnen. In endlosen Schleifen kurbelt man hinauf zum Tremalzo und genießt im oberen Bereich immer wieder das Panorama über den See Richtung Süden. Der wahre Grund für die Plackerei sind natürlich der Downhill über flotte Schotterwege, Trail-Abschnitte und (im Herbst laubgepolsterte) Waldteppiche. Diese Abfahrt bringt mit fortschreitender Höhenvernichtung jede Bremsscheibe zum Kreischen. Abschluss ist die Umrundung des Ledrosees.
Altissimo-Alternative
Diese Route auf dem Rücken des Altissimo dreht eine weite Schleife auf die seeabgewandte Seite bis Brentonico. Die kleine Teerstraße führt von Torbole über den Busatte bis unterhalb des Monte Varagna (auch hier Shuttle möglich). Hartgesottene Biker schieben und tragen bis zum 2079 Meter hohen Altissimo-Gipfel. Die hier vorgestellte Variante bietet bereits einen herrlichen Blick über den Lago, lässt den Gipfel rechts liegen und rauscht über einen unmarkierten, aber gut erkennbaren Wiesen-Trail zum Rifugio Malga Campei hinab. Ab da steil bergab bis Brentonico, Wald- und Betonrampen wechseln sich ab. Dann langer, aber gut rollender, welliger Heimweg (mit manchmal kleinen roten Bike-Zeichen markiert) über Castione, Loppio und den kleinen Passo San Giovanni. Teils auf Schotter, teils auf Radwegen folgt man dem Verlauf des Tales zwischen Mori und Nago (hoffentlich mit Rückenwind), um wieder im Sturzflug am Seeufer in Torbole zu landen.
Monte Bondone
Der Hausberg der Trentiner liegt nur 20 Kilometer vom Gardasee entfernt und trennt das Etschtal vom Valle dei Laghi. Unzählige Waldwege durchziehen den Monte Bondone. Von seinem Gipfel genießt man fantastische Blicke in die gegenüberliegenden Brenta-Dolomiten. Diese lange Runde startet in Dro, wer sie um zehn Kilometer verkürzen möchte, legt erst in Drena los. Nach einem schweißtreibenden Aufstieg über 1000 Höhenmeter auf Asphalt hangelt man sich oberhalb von Cavedine und Lasino in den bewaldeten Flanken des Bondone entlang, bis man auf Höhe des kleinen Ortes Lagolo den Rücken Lavachel erreicht. Um den Col di Castion und über den Side-Trail Monte Bondone geht es zum perfekten Einkehrstopp, die Agritur Malga Brigolina, in der es leckere lokale Käse- und Pasta-Spezialitäten gibt. Ab da abwärts nach Vezzano und im Valle dei Laghi über Padergnone, Calavino und Pergolese auf dem (zum Teil noch in Bau befindlichen) Radweg zurück.
Bike-Routen
Als Biker-Hochburg sind die Strecken am Gardasee, rund um Torbole und Riva, in den Ferienzeiten kräftig frequentiert. Verlagert man die Startorte ein wenig, wie beispielsweise an den Ledrosee oder ins Hinterland bei Dro, entspannt sich die Situation. Das Projekt Mountain & Garda, vor rund drei Jahren ins Leben gerufen, verbindet die Orte direkt am Ufer mit den Gebieten Valle di Ledro, Rovereto, Vallagarina, Trento, Monte Bondone und Valle dei Laghi (Tal der Seen), nördlich von Arco. Eine große Gesamtrunde verläuft über 220 Kilometer mit rund 10000 Höhenmetern, die in Teilabschnitten befahren werden kann. Mit sogenannten "Side-Trails" lassen sich einzelne Touren ergänzen.
Regionen und Lage
Zum Gardasee-Hauptgebiet zählen neben Riva del Garda und Torbole sul Garda/Nago die umliegenden Orte Arco, Drena, Dro und Tenno. Infos zu den Unterkünften gibt’s über das Tourismusbüro, www.gardatrentino.it
Das Val di Ledro ist der perfekte Einstieg zum Klassiker Tremalzo (siehe Touren-Beschreibung) und ist der ruhigere Badesee. Infos: www.vallediledro.com
Hauptort des Vallagarina ist Rovereto. Statt nur durchzufahren, sollte man einmal die Rückseite des Monte Baldo erforschen – es lohnt sich auf jeden Fall. www.visitrovereto.it
Der Monte Bondone ist durchzogen von einem Netz von Waldwegen und Trails. Nicht alle sind für Biker erlaubt, doch was übrig bleibt, ist mehr als genug. Außer im Herbst, wenn zur Pilz-Saison die Locals den Wald bevölkern, ist es dort ruhig und schattig. www.discovertrento.it
Hier ist der Name Programm: Das Valle dei Laghi, Tal der Seen, beginnt am Lago di Cavedine, malerisch liegt das Castel Toblino im gleichnamigen Gewässer, und am Ende beschließt der Lago di Lamar das Tal, das den Monte Bondone vom Monte Gazza trennt. www.valledeilaghiturismo.it
Trento ist die Stadt der Renaissance und der Studenten und bietet mit seinem Hauptplatz Piazza Pasi die perfekte Bühne für den Einstiegs- oder Abschiedskaffee. Am Donnerstag findet am Dom der Markt statt, und auch sonst bietet Trento jede Menge Shopping-Möglichkeiten, zum Beispiel in der Galleria Garbari (Via Manci). Dort in der überdachten Passage fühlt man sich wie in einem verkleinerten Mailand. www.discovertrento.it
Events
Ziener BIKE Festival Garda Trentino powered by MINI, 29. April bis 1. Mai 2017, Riva del Garda, riva.bike-festival.de
Bikeshops
Über 20 Bikeshops gibt es in den Hauptorten Riva, Torbole, Arco, Dro und Pietramurata, dazu mehrere Shuttleservices. Die meisten Shops haben Verleih-Bikes, und bieten zum Teil geführte Touren oder Shuttles an. Infos dazu auch auf. www.mountaingardabike.com
Unterkünfte
Auf der Webseite www.mountaingardabike.com findet man alle Bike-friendly-Hotels der Region.
Karten
Mountain & Garda Bike Map, 1:40000, mit der großen Runde und Side-Trails (Einzel-Touren) gibt es in den Tourismusbüros. 4Land-Karten: Trail-Map Nr. 114 Alto Garda Valle di Ledro, Nr. 142 Valle dei Laghi-Alto Garda, Nr. 144 Trento-Monte Bondone-Valle dei Laghi, Nr. 145 Vallagarina, Nr. 157 Riva-Torbole-Nago, alle 1:25000. Kompass-Karten Nr. 690 Alto Garda e Ledro, Nr. 096 Alto Garda-Ledro-Valle del Sarche, beide 1:25000. Tabacco Nr. 55 Valle del Sarca-Arco-Riva del Garda 1:25000
Anreise
Über die Brenner-Autobahn Ausfahrt Trento erreicht man nach 30 Minuten das Valsugana. Im Juli und August hat der Regionalzug von Trento Platz für 32 Bikes. Von Ostern bis September befördert ein Bus Bikes auf der Strecke Trento-Bassano (nur am Wochenende). Die Regionen Val di Fiemme und Val di Fassa erreicht man über die Ausfahrt Egna/Auer, von dort etwa 30 Minuten Fahrt nach Canazei. Von Predazzo in 30 Minuten über Passo Rolle nach San Martino di Castrozza, 20 min weiter ins Primiero-Tal (12 km).
Touren-Literatur
Bike-Guides Gardasee, Nr. 11 und 12, Elmar Moser, Delius Klasing Verlag. Gardasee GPS Roadbooks, Andreas Albrecht, Verlag Books on Demand GmbH, Norderstedt. Gardasee und Trentino, Achim Zahn, Bruckmann Verlag
Alle weiteren Infos zur Region gibt's auf der Webseite: www.mountaingardabike.com
Die GPS-Daten der oben beschriebenen Touren können Sie im Anschluss an diesen Artikel kostenlos herunterladen.