Daniel Klawczynski
· 14.04.2011
Der Blaubeer-Trail – Kanada mitten in Europa: In den östlichen Sudeten zieht sich ein Mountainbike-Trail über einen Gebirgsgrat. Sechs Tage totale Wildnis entlang der tschechisch-polnischen Grenze.
Wasser kann verdammt teuer sein. In gewissen Edel-Restaurants kredenzt der Wasser- Sommelier die Flasche zu 20 Euro – ohne mit der Wimper zu zucken. Hier, in den Sudeten, kostet die Flasche mehr: mehrere hundert Höhenmeter extra. Ein Preis, den heute keiner von uns mehr zahlen will. Irgendwo da oben gibt es bestimmt eine Quelle, wo wir zumindest unsere Wasserflaschen wieder auffüllen könnten. Aber unsere Kraft reicht nur noch, um das Camp aufzuschlagen. Und ein kleiner Schluck Wasser ist ja noch da.
Klar, in den Sudeten entspringen Oder und Elbe, an der berühmten Schneekoppe (1602 m) bleiben reichlich Regenwolken hängen und die zugehörigen Iser- und Riesengebirge ziehen genug Wanderer an, dass sich sogar bewirtschaftete Hütten rentieren. Aber für unseren Trip sind wir extra ins Reichensteiner Gebirge gefahren – in die wilden Ostsudeten. Nicht, weil es da kein Wasser gäbe, sondern weil genau über dem Rücken dieses Mittelgebirges die tschechisch- polnische Grenze verläuft. Ein Garant für Schmuggler- und Patrouillen-Trails. Mehr noch: Es soll dort einen Höhen-Trail geben, der sich für mehrere Tagesetappen den kompletten Grat entlang dahinzieht. Bepackt mit Proviant für mehrere Tage, Schlafsack, Zelt und überhaupt keiner Ahnung, was uns an fahrbaren Wegen erwartet, sind wir vor fünf Tagen zu dieser Mission aufgebrochen.
In sechs anspruchsvollen Etappen vom Międzyleska-Pass entlang der tschechisch-polnischen Grenze nach Złoty Stok.
Etappe 1: Międzyleska-Pass (534 m) zum Śnieżnik-Gipfel (1425 m)
Vom Pass folgt man der grünen Route in Nord-Ost-Richtung entlang der polnischen Grenze. Sie führt ziemlich steil zum Kleinen Schneeberg hinauf und weiter zur weiten Alm Hala pod Snieznikiem. Hier gibt es das Hostel zur Übernachtung. Am Malý-Sneznik-Gipfel geht’s direkt an der Grenze entlang, jenseits der markierten Route. Zum höchsten Punkt, dem Snieznik, folgt man einfach dem schmalen Trail. Insgesamt warten 900 Höhenmeter Anstieg. Die aber am Stück und ausgesprochen steil. Eventuell schieben.
Etappe 2: Śnieżnik-Gipfel (1425 m) – Płoszczyna-Pass (817 m)
Weiter geht’s entlang der Grenze. Einfach stets der grünen Markierung folgen. Erlebnisreiche Abfahrten warten und jede Menge schöner Aussichten in die Täler. Bis der Trail mehr und mehr in den Fichtenwald abtaucht und dort wieder sehr viel Spaß macht. Am Ende dieser Etappe stößt man auf ehemalige Grenzgebäude und -überg.nge. Das ist der einzige Punkt der Tour, wo man auch etwas zu essen und zu trinken bekommt. Allerdings nur an Wochenenden!
Etappe 3: Płoszczyna-Pass (817 m) – Iwinka-Gipfel (1075 m)
Heute geht es wieder deutlich mehr bergauf, aber nicht mehr so steil, wie bei der ersten Etappe. Man folgt einfach weiter der rot-weißen Grenzmarkierung. Allerdings wird der Trail nun rauer. Teilweise führt er durch mooriges Sumpfgebiet, und hin und wieder liegt ein Baum quer über dem Weg. Dafür wird die Gegend nun immer mehr zur Wildnis. Wanderer trifft man keine mehr und es gibt viele schöne Plätze zum Campen!
Etappe 4: Iwinka-Gipfel (1075 m) – Kowadło-Gipfel (989 m)
Die härteste Etappe für Mensch und Material. Wer hier fahrtechnisch und konditionell nicht topfit ist, wird keinen Spaß haben. Dazu kommt, dass der Grenzweg hier nur sehr spärlich bis gar nicht mehr markiert ist und man gute Orientierungskünste braucht. Belohnt wird man dafür mit dem prickelnden Glücksgefühl eines Entdeckers. Wer sich diese Strapazen nicht zutraut, der folgt einfach der grünen Markierung. Sie umgeht dieses heftige Stück Grenz-Trail und führt direkt ans Ziel, zum Kowadlo.
Etappe 5: Kowadło-Gipfel (989 m) – Heidelkoppe-Gipfel (899 m)
Die Etappe mit dem längsten Singletrail-Stück. Etwa auf 900 Metern Höhe führt er über die Berggrate dahin. Immer leicht bergauf und bergab. Technisch bleibt der Trail aber meistens anspruchsvoll. Obwohl man von hier oben immer mal wieder ein Dorf im Tal unten aufblitzen sieht, fühlt man sich auf dieser Passage wie in der einsamen Bergwelt Kanadas. Zum Schluss lohnt ein Aufstieg zur Heidelkoppe. Dort wartet eine wirklich großartige Aussicht. Und Blaubeeren pflücken nicht vergessen!
Etappe 6: Heidelkoppe-Gipfel (899 m) – Złoty Stok (348 m)
Ein steiler Downhill und der Trail ist leider zu Ende. Eine Schotterstraße führt durch eine Agrar-Landschaft nach Zloty Stok (ca. 10 km). Aber hier gibt es endlich wieder was zu essen und zu trinken!
Das Revier
Die Sudeten sind ein Mittelgebirgszug im Dreiländereck Deutschland-Tschechien-Polen. Insgesamt sind die Sudeten 310 Kilometer lang, 30-45 Kilometer breit und werden geographisch in verschiedene Untergebirgsgruppen unterteilt. Höchster Punkt: die Schneekoppe (1602 m) im Riesengebirge. Diese Tour entlang der tschechisch-polnischen Grenze führt durch die Ostsudeten. Hier trifft man nur selten auf Wanderer, dafür aber auf grenzenlos wilde Natur. Die Route ist daher nur echten Abenteurern mit guter Kondition und Fahrtechnik zu empfehlen.
Anreise
Nach Międzylesie gibt es Zugverbindungen, aber die Anreise mit dem Auto ist bequemer: Auf der A4 über Görlitz nach Wroclaw und weiter auf der Stra.e Nr. 8 nach Klodzko. Hier am besten das Auto stehen lassen und mit dem Zug weiter: Startpunkt der Tour ist der Międzyleska-Pass (Pass von Mittelwalde). Auch als Startpunkt möglich: der Ort Petrovićky.
Übernachtung
In der Nähe des Blaubeer-Trails gibt es zwei Hostels: Śnieżnik Hostel (polnische Seite) und Paprsek Hostel (Nähe Palaš-Gebirge, Tschechien). Außerdem gibt es die Schneeberg-Baude (Schutzhütte) an der Ostflanke des Śnieżnik. Sie liegen allerdings nicht direkt auf der Route. Wir empfehlen daher das einfache Zelt.
Karte
Die beste tschechische Karte zur Orientierung gibt es Vorort zu kaufen: die JESEN.KY. RYCHLEBSK. HORY im Maßstab 1:50000, Turistick. mapa, Shocart Cartography.
Verpflegung
Am besten alles mitbringen. Vor allem Wasser! Nur selten stößt man auf eine kleine Quelle zum Nachfüllen. Orte oder Resorts anfahren bedeutet immer mehrere 100 Höhenmeter extra und ist nur in allergrößter Not zu empfehlen. Eine einzige Verpflegungsmöglichkeitdirekt an der Route gibt es am zweiten Tag am ehemaligen Grenzübergang. Hier ist allerdings nur an Wochenenden geöffnet!
Rücktransfer
Vom Zielort Złoty Stok sind es auf direktem Weg nur 22 Kilometer zurück nach Klodzko. Das ist mit dem Rad locker machbar.
Im PDF-Download unten finden Sie alle Infos zur MTB-Tour durch die Sudeten.