Traumtour Toskana380 Kilometer Radrunde durch Italiens Schmuckschatulle

Daniel Simon

 · 22.11.2023

Traumradweg – vor der alten Oberstadt von Colle di Val d’Elsa.
Foto: Daniel Simon
Genuss pur! Eine Reise durch die Toskana spricht alle Sinne an. Man sollte sich Zeit nehmen, denn zu entdecken gibt es viel.
Die Toskana übt seit jeher eine magische Anziehungskraft auf Reisende aus aller Welt aus. Vollkommen zu Recht, stellte Autor und Fotograf Daniel Simon auf seiner zweiwöchigen Radreise fest.

Es ist immer wieder ein Spaß, die schlecht übersetzten Marketingfloskeln in Tourismus-Broschüren zu lesen. „Der Radfahrer ist ein antiker und diskreter Pionier, der sich von den Kurven eines Landes wiegen lässt …“. Naja, ein Pionier ist der Radreisende in der Toskana schon lange nicht mehr. Und antik fühlen wir uns mit unseren Rädern ganz und gar nicht. Im Gegenteil – gerade hier im wald- und weinreichen Chianti oder in den ursprünglichen Crete mit ihren sanften Hügeln gibt es sicher keine zeitgemäßere Art des Reisens, um Land, Kultur und Menschen kennenzulernen.


Wer die Toskana mit allen Sinnen erfahren will, sollte sich Zeit nehmen, denn zu entdecken gibt es auf der knapp 400 Kilometer langen Fahrrad-Traumtour viele kulinarische und kulturelle Genüsse. Daniel Simon, Reiseautor und Fotograf

Am Ende unserer Rundreise wollen wir das einzigartige Flair der Kunstmetropole Florenz genießen. Deshalb nutzen wir vor dem Start den Vorverkauf der terminierten Eintrittskarten, um die berühmten Gemälde in den Uffizien und Michelangelos David in der Galleria dell’ Accademia ohne stundenlanges Anstehen bewundern zu können. Die Renaissance-Stadt am Arno lassen wir schnell hinter uns und bald schon zieht uns die Landschaft des beginnenden Chianti in ihren Bann. Nach einer langen Auffahrt erreichen wir hungrig das schmucke Städtchen Greve. Unser erster Weg führt in die „Antica Macelleria Fallorni“. In der großen traditionellen Metzgerei hängen die Decken voll mit Wildschweinschinken und -salami. In einem Kellergewölbe lagern hunderte Käselaibe, die einen würzig-aromatischen Duft verströmen. Wir bestellen eine Platte mit diversen Köstlichkeiten und eine Prepaid-Weincard, so können wir auf elegante Weise die verschiedensten toskanischen Weine verkosten.

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Ohne ausgiebige Wein- und Käseverkostung sollte kein Radurlauber die Toskana verlassenFoto: Daniel SimonOhne ausgiebige Wein- und Käseverkostung sollte kein Radurlauber die Toskana verlassen

Am nächsten Tag auf der Fahrt nach Radda begegnen uns immer häufiger Rennradler auf teils sehr alten Rädern. Sollte die Aussage über die antiken Pioniere doch zutreffen? Im Ort angekommen, klärt sich der Sachverhalt. Am nächsten Tag findet das historische Radrennen L’Eroica statt. Das faszinierende Spektakel werden wir hautnah miterleben, da Teile unserer Reiseroute auf der Rennstrecke liegen. Wir schämen uns ein wenig, denn die Teilnehmer quälen sich mit ihren liebevoll restaurierten Velos die Schotterrampen der „strade bianche“ hoch, während wir völlig unpassend mit unseren dreißig Gängen locker vorbeikurbeln. Wenigstens können wir einem Fahrer bei einer Reifenpanne helfen. Der Arme hatte beim frühmorgendlichen Start vor Aufregung sein Flickzeug vergessen.


Historisches Radrennen L’Eroica

Jedes Jahr im Oktober findet das historische Radrennen in Gaiole in Chianti statt. Die meisten Teilnehmer starten mit Rennrädern. Das Reglement ist streng. So sind zum Beispiel ein Baujahr vor 1987, Rahmenschaltung, freiliegende Bremskabel oder Hakenpedale Pflicht. Vier Streckenlängen (38, 75, 135 und 205 Kilometer) fordern den Fahrern alles ab, vor allem weil große Teile der Strecke über Schotterstraßen, die „strade bianche“ führen.

Wer die Gelegenheit hat, sollte sich das historische Radrennen L’Eroica nicht entgehen lassenFoto: Daniel SimonWer die Gelegenheit hat, sollte sich das historische Radrennen L’Eroica nicht entgehen lassen

Ein Rennen im eigentlichen Sinne ist die L’Eroica dennoch nicht. Vielmehr zählt das Ereignis selbst, das Bestaunen liebevoll restaurierter Velos aus vielen Dekaden des Radsports, das Fachsimpeln mit Gleichgesinnten und das Stöbern nach historischem Material auf dem Flohmarkt. In dem Städtchen herrscht an den Tagen der Veranstaltung ausgelassene Volksfeststimmung. www.eroicafan.it


Eine Reise durchs Chianti gleicht einem Schönheitswettbewerb. Ein Weingut ist noch imposanter und edler als das andere. Ein Ort noch liebevoller restauriert als der vorige. Als wir an Siena vorbei südwärts rollen, ändert sich das Bild. Die Weinberge weichen welligen, unendlich wirkenden Ackerflächen, die in allen Erdtönen schimmern. Fast auf jedem Hügel steht ein altes Bauerngut. Viele dieser Höfe werden von der charakteristisch geschwungenen Zypressen-Auffahrt geschmückt. Die Orte sind ursprünglicher, einfacher, aber nicht weniger schön. Die Crete südlich von Siena werden nicht so stark vom Tourismus frequentiert. Erfreulicher Nebeneffekt: Ein Stück köstlicher Pecorino kostet oft nur die Hälfte dessen, was wir im Chianti bezahlt haben. In Pienza sind wir so begeistert von der Fülle kulinarischer Genüsse, dass wir beim Probieren in den vielen Feinkostläden die Zeit vergessen.

Wildschweine können Radfahrern in den Eichenwäldern der Toskana durchaus begegnenFoto: Daniel SimonWildschweine können Radfahrern in den Eichenwäldern der Toskana durchaus begegnen

Am späten Nachmittag steht noch der Besuch des beschaulichen Örtchens Bagno di Vignoni auf dem Programm. Schon die Römer nutzten die heilenden Quellen. Statt einer Piazza schmückt ein großes, mittelalterliches Thermalbecken den Ortskern. Es ist schon dunkle Nacht und wir sind immer noch unterwegs zu unserem Etappenziel Montalcino. Im dichten Eichenwald knackt und knistert es verdächtig. Die letzten Kilometer teilen wir uns auf der Hauptstraße mit vorbeirasenden Lastwagen. Ganz unberechtigt war unsere Sorge nicht. Schon am nächsten Tag prescht urplötzlich eine Horde Wildschweine vor uns aus dem Gebüsch. Wildtiere leben noch zahlreich in der Toskana und nicht selten bekommt man neben Wildschweinen auch Füchse, Rehe, Luchse und sogar Stachelschweine zu sehen.

Nach den vielen Landschaftserlebnissen gönnen wir uns in Siena zwei Tage Pause vom Radfahren. Die gotischen Prachtbauten zeugen von einer reichen Geschichte. Jeder Stadtbummel durch die geschwungenen Gassen endet unweigerlich an der imposanten, muschelförmigen Piazza del Campo. Vor der Weiterfahrt packen wir noch eine Torta Senesi mit Feigen und Nüssen aus der bekannten Pasticceria Nannini in unsere Fahrradtasche.

Touristenmagnet: die Stadt San Gimignano mit ihrem mittelalterlichen StadtkernFoto: Daniel SimonTouristenmagnet: die Stadt San Gimignano mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern

Ein Besuch von San Gimignano gehört zum Pflichtprogramm, aber leider ist die Stadt mit ihren berühmten Geschlechtertürmen in den letzten zwanzig Jahren zu einem großen Souvenirshop verkommen. Ganze Busladungen werden im Minutentakt durch die historischen Gassen geschleust. Unseren Übernachtungsstopp planen wir deshalb lieber in Colle di Val d’Elsa. In der für ihre Kristallglas-Herstellung bekannten Stadt pulsiert das toskanische Leben ohne allzu viel Tourismus. Ein Erlebnis ist die Fahrt mit dem Lift durch einen Bergstollen, der die neue Unterstadt mit der historischen Oberstadt verbindet. Hier genießen wir bei einer saftigen Bistecca Fiorentina einen ruhigen Abend und planen unsere restliche Reise, die uns noch traumhafte Landschaften bescheren wird, bevor wir wieder in das turbulente Florenz einrollen werden.

Prächtiges Bauwerk: die „Cattedrale di Santa Maria Assunta“ in Siena. Einmal im Jahr (meist im Herbst) ist der berühmte Mosaikfußboden komplett zu besichtigen.Foto: Daniel SimonPrächtiges Bauwerk: die „Cattedrale di Santa Maria Assunta“ in Siena. Einmal im Jahr (meist im Herbst) ist der berühmte Mosaikfußboden komplett zu besichtigen.

Traumtour Toskana

Ich verband meine Leidenschaft fürs Radfahren mit der Liebe zu meiner alten Wahlheimat. Mein Ziel war es, eine „Idealtour“ zu planen, die die attraktivsten Orte über die landschaftlich schönsten Strecken verbindet. Im Chianti und in den Crete südlich von Siena gibt es noch viele „strade bianche“. Diese öffentlichen Straßen sind ungeteert und mit feinem Schotter belegt. Sie sind kaum befahren und eignen sich daher perfekt zum Radfahren. Das Terrain ist durchweg hügelig, die Anstiege aber meist moderat. Bilderbuchblicke über die klassische Kulturlandschaft sind garantiert.

Daniel Simon, Reiseautor, Fotograf und Toskana-ExperteFoto: Daniel SimonDaniel Simon, Reiseautor, Fotograf und Toskana-Experte

Das dürfen Sie auf einer Radtour durch die Toskana auf keinen Fall verpassen:

  1. Weinverkostung auf dem Weingut Caparzo bei Montalcino (Brunello) und im Castello di Brolio (Chianti). Ein Fläschchen in die Packtasche, die Kisten lässt man sich schicken.
  2. Wurst und Schinken vom Wildschwein aus der Antica Macelleria Falorni in Greve in Chianti
  3. Die kleine Stadt Pienza liegt in einer der malerischsten Landschaften der Toskana, ist selbst wunderschön und es gibt dort fantastische Delikatessenläden mit dem besten Pecorino.

Tourenverlauf

Florenz – Greve in Chianti – Radda in Chianti – Gaiole in Chianti – Castelnuovo Berardegna – Pienza – Bagno Vignoni – San Quirico d’Orcia – Montalcino – Siena – Colle di Val d’Elsa – San Gimignano – Certaldo – Tavernelle Val di Pesa – San Casciano – Florenz

GPX-Daten

Sie können den GPX-Track zur Radreise durch die Toskana hier kostenlos herunterladen oder finden Ihn in der MYBIKE Collection auf komoot

Beste Reisezeit

Anfang April bis Mitte Juli, sowie September bis Mitte November. Der August ist zu heiß zum Radfahren, außerdem ist die Toskana als eines der weltweit beliebtesten Reiseziele in der Hauptsaison sehr voll.

Unterkunft

Wer länger an einem Ort bleibt, kann sich eine Ferienwohnung oder ein Zimmer in einem der vielen, traumhaft gelegenen Landhäuser oder Weingüter mieten. Eine erlesene Auswahl bieten Sylvia Stich und ihr Team. www.terra-antiqua.com

Wer auf Streckentour täglich den Ort wechselt, findet in den Orten Hotels und Pensionen für alle Ansprüche. Die Toskana wird auch in der Nebensaison so stark besucht, dass man seine Übernachtungsorte vorher planen und buchen sollte. Die größte Auswahl bieten die gängigen Buchungsportale.

Anreise mit der Bahn

Täglich mit der CityNightLine von München nach Florenz. Fahrradmitnahme muss reserviert werden. Eine internationale Fahrradkarte muss dazu gebucht werden.

Achtung bei Anreise bis München: Fahrräder können nicht im ICE mitgenommen werden.

Landkarten

  • Kompass Wander-Radkarten, Toskana 1:50.000, (Set aus 4 Karten) WK 2440
  • Marco Polo Freizeitkarte Toskana, 1:125.000

Reiseführer

  • Toskana Reisehandbuch, Michael Müller Verlag
  • DuMont Kunstreiseführer Toskana
  • Radtouren in der Südlichen Toskana, Frischluft Edition
  • Erlebnis Rad: Toskana, Bruckmann Verlag
  • bikeline Radtourenbuch: Radatlas Toscana, Verlag Esterbauer

Weitere Infos

ENIT – Italienische Zentrale für Tourismus, https://www.enit.it/en

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