MTB-Abenteuer in SchwedenBohusleden-Trail

Daniel Klawczynski

 · 24.11.2015

MTB-Abenteuer in Schweden: Bohusleden-TrailFoto: Daniel Klawczynski
MTB-Abenteuer in Schweden: Bohusleden-Trail
Mal wieder so richtig in der nordischen Wildnis verloren gehen? Die Naturgewalten zum Zweikampf fordern? Kein Problem auf dem Bohusleden-Trail durch den Südwesten Schwedens.

Okay, der Bohusleden ist ausgeschildert. Ein 360 Kilometer langer Wanderweg von Göteborg nach Strömstad, nahe der norwegischen Grenze. Das klingt nicht gerade nach einem Abenteuer, das den Überlebenswillen aus den Poren kitzelt. Mehr so nach Bällebad im Erlebnispark. Und eigentlich hatte ich bei Google auch "Lappland", ganz im Norden Skandinaviens, eingegeben. Dünn besiedelte Urlandschaft, raues Klima – da ist sicher eine Menge Testosteron nötig, um zu überleben. Doch bei der Recherche stieß ich auf den Bohusleden. In Foren und Blogs schwedischer Enduro-Biker tauchte der Name immer wieder auf. Ein Pfad, der durch den südwestlichen schwedischen Wald führt. Einsam und unberechenbar sei der Weg. Obwohl keine nennenswerten Berge in Sicht seien, "… ist die Route nicht flach und schon gar nicht einfach", stand da verheißungsvoll. Doch allein die Vorstellung, dass wir unterwegs 112 Seen passieren würden, überzeugte auch meine Kumpels. So könnten wir uns jederzeit abkühlen, wenn es zu heiß werden würde.

Statt Sonne – Pilze!

Leider haben wir uns mit dem Start der Tour auf Mitte August einigen müssen. Als wir mit der Fähre von Polen aus in den Hafen von Göteborg einlaufen, ist uns bereits übel vom harten Seegang auf der Ostsee. Ich wusste es! Schon einmal habe ich schlechte Erfahrungen mit dem skandinavischen Spätsommer gemacht. Im Regen schlurfen wir die Gangway hinunter und schnappen aus den Gesprächen anderer Passagiere auf, dass der Sommer praktisch mit unserer Ankunft zu Ende ging.

"Egal, dann gibt’s im Wald wenigstens Pilze, die wir essen können", muntern wir uns gegenseitig auf. Ich fürchte nur, für Pilze ist es fast zu kalt. Meine Jacke ist bin zum Kinn zugezippt. Wahrscheinlich werden wir wegen des schlechten Wetters mit zusätzlichen Schwierigkeiten rechnen müssen. Der Bohusleden führt nämlich über weite Strecken durch eine Moor- und Sumpflandschaft. Wenn die sich mit dem Regen erst mal richtig vollgesaugt hat, werden wir bestimmt eine Menge Zeit verlieren. Was schlecht wäre, denn wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesteckt, die 360 Kilometer in zehn Tagen zu schaffen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Märchenhaft schlingert der Pfad durchs Moos. Elche treffen wir unterwegs leider nicht. Dafür gibt es jede Menge Pilze, die man abends am Feuer brutzeln kann.
Foto: Daniel Klawczynski

In Lindome, einem südlichen Vorort von Göteborg, geht es los. Als wir den markierten Holzpfahl am Eingang unseres Abenteuers erreichen, sickert bereits das erste Wasser durch meine Regenjacke. Es regnet jetzt in Strömen. Von oben, dank Sturmböen auch von der Seite, und ich habe das Gefühl, von unten regnet es auch. Nichts in Sicht, was auf eine Wetterbesserung hindeuten könnte. Daher kurbeln wir nur ein paar Kilometer, bis die erste Hütte auftaucht. Hier bleiben wir über Nacht, bei dem Regen macht Fahren einfach keinen Sinn. Diese Hütten waren ein weiterer Motivationspunkt für diese Route. 36 Windschutzhütten warten entlang der gesamten Route. Hölzerne Heuschober mit nur drei Wänden. Vor der fehlenden vierten Wand gibt es meist eine Freiluftfeuerstelle mit Grillrost. Nur heute können wir das Feuermachen vergessen, das Holz ist durchgeweicht. Dabei ist das Lagerfeuer am ersten Tag eines Abenteuer-Trips so ein wichtiger moralischer Programmpunkt! Na ja, wenigstens haben wir ein Dach überm Kopf.

Statt am Lagerfeuer zu relaxen, sortieren wir unser Gepäck noch mal. Wir stopfen die Klamotten so zusammen, dass das Wichtigste möglichst trocken bleibt. Da wir ja ohne Hilfe der Zivilisation auskommen wollen, mussten wir uns exakt vorbereiten. Obwohl wir wegen der Hütten kein Zelt, sondern nur eine Plane mitgenommen und alles bis aufs Kleinste durchdacht haben, konnten wir nicht alles Gepäck im Rucksack unterbringen. Daher sind wir zum ersten Mal zusätzlich mit Gepäckträger und Gepäcktaschen unterwegs. Eigentlich eine Schande für Abenteurer, aber tatsächlich hält uns das den Rücken etwas freier, und die Trails machen mehr Spaß. Zumindest hier im südlichen Teil der Route, wo sich der Pfad noch zivilisiert durch den Wald schlängelt. Weiter gen Norden soll die Strecke deutlich wilder werden – aber genau das wollten wir ja: unsere persönliche Bike-Trophy!

27 Etappen für den Bohusleden-Trail

Insgesamt ist der Bohusleden in 27 Etappen unterteilt. Die ersten sind relativ einfach zu fahren. Sie ziehen sich noch durch die städtische Peripherie. Doch es dauert gar nicht lang, bis erste Überraschungen auftauchen: moosbewachsene Steine, einzelne Felsen, tückische Wurzeln, und nasse Stege wollen überquert werden. Doch die erste echte Unannehmlichkeit, die uns bis zum Ende der ganzen Tour begleiten wird, ist: Wasser in den Schuhen. Und es gibt absolut nichts, was man dagegen tun kann. Über manche Moorlandschaften führen nur Holzbohlen. Die Bretter sind schmal und rutschig. Eine ruckartige Lenkbewegung reicht, und man muss im Morast mit dem Fuß absetzen. Da würden nicht mal Gummistiefel helfen.

  Einmal von den teils verrotteten Bohlen abzurutschen, ist lustig. Doch ab dem fünften Mal ist es mit der Laune vorbei. Foto: Daniel Klawczynski Einmal von den teils verrotteten Bohlen abzurutschen, ist lustig. Doch ab dem fünften Mal ist es mit der Laune vorbei. 
Es gibt bestimmt Alternativstrecken. Doch leider haben wir nur die Kartenausschnitte von der offiziellen Homepage ausgedruckt. Sie sind zu schmal, um die Umgebung drumherum noch abzudecken. Wir wissen nur: Irgendwo im Westen ist die Zivilisation.

Einige Kilometer von Angered entfernt, wo uns ein herrlicher Pfad gerade durch eine Wald-Felsen-Landschaft den Wetterwahnsinn vergessen lässt, passiert es: Ich rutsche auf einem Steg mit dem Vorderrad weg und platsche in den tiefen Schlamm. Nach und nach passiert das auch meinen Kumpels. Das finden wir eine Weile zum Totlachen komisch, dann weniger und irgendwann nur noch zum Kotzen. Nie hätten wir mit solch technischen Abschnitten gerechnet. Bei schönem Wetter, ohne diese ganze Nässe, ohne Gepäck und mit Fullys, wären die kniffligsten Passagen bestimmt fahrbar. Leider habe aber nur ich ein Fully und muss trotzdem hin und wieder schieben. Es gäbe ja Alternativ-Routen, doch die Kartenausschnitte, die ich von der offiziellen Homepage des Bohusledens ausgedruckt habe, sind zu schmal. Sie zeigen zu wenig Umland. Also muss es reichen, wenn wir die Gabeln weicher machen, Luft aus den Reifen lassen und die Click-Pedale lockerer einstellen. Die Stimmung in der Gruppe hebt das allerdings nicht. Doch immer dann, wenn wir gerade maximal angepisst sind, setzt der Pfad ein freundlicheres Gesicht auf. Wie aus dem Nichts geht es auf einmal göttlich dahin. Die harten Zeiten sind dann sofort vergessen. Wir durchqueren Fichtenwälder mit saftig grünen Moosteppichen und rasten an chilligen Plätzen direkt am Seeufer.

Der skandinavische Gletscher hat hier einst wirklich schöne Ecken in die Landschaft modelliert. Von einer seiner letzten Aktionen profitieren wir jetzt, denn es geht fast mühelos auf plattgeschürften Steinplatten dahin. Rechts und links des Pfades liegen mannshohe Felskaliber herum. Manchmal passieren wir auch Felsklippen, was erstaunlich ist für diese eigentlich flache Region. Der höchste Punkt der Route liegt auf nur etwa 200 Metern Höhe. Dennoch geht es ständig bergauf oder bergab. Das ist nicht nur anstrengender, sondern auch zeitraubender, als wir dachten. So langsam bezweifle ich, dass wir mit zehn Tagen hinkommen.

  Eine gigantische Landschaft hat der skandinavische Gletscher einst hinmodelliert. Durch die glasklaren Seen wischen jede Menge Fische und Otter.Foto: Daniel Klawczynski Eine gigantische Landschaft hat der skandinavische Gletscher einst hinmodelliert. Durch die glasklaren Seen wischen jede Menge Fische und Otter.
112 Seen, dazu Moorlandschaften und all das im dichten Wald. Normalerweise würde man in solch einer Region von Mücken aufgefressen werden. Aber hier gibt es weder Mücken noch andere nervige Insekten.

Mittlerweile hangeln wir uns von See zu See. Es gibt die ganz kleinen, kristallklaren Wasserspiegel, die hinter Bäumen aufblitzen, aber auch größere mit steinigen Inseln in der Mitte. An den schönsten Uferstellen finden wir oft eine Hütte zum Übernachten. Die fehlende Wandseite dieser Unterkünfte macht uns schon lang nichts mehr aus. So liegt man im Schlafsack unterm Dach, blickt aber panoramamäßig über einen schönen See. Was allerdings wirklich merkwürdig ist: Es gibt keine Mücken oder andere nervige Insekten. In Lappland oder auch zu Hause in Polen hätten uns die nervigen Sauger längst aufgefressen. Hier aber können wir völlig unbelästigt Pilze sammeln, Fische angeln und alles zusammen dann gemütlich überm Feuer brutzeln. Und wenn das Feuer am Ende richtig schön brennt, riskieren wir auch mal ein Vollbad im See. Das sind die Momente, in denen unsere Welt wieder rundherum in Ordnung ist.

In Skandinavien hat diese natürliche Art zu leben sogar einen Namen: friluftsliv – Freiluftleben. Wir haben die Natur hier praktisch schon auf der Haut. Das Wasser der Seen hat einen leicht rötlichen Schimmer von den Heidelbeerbüschen. Für ein Bad in diesem Extrakt zahlt man in Wellness-Hotels viel Geld. Hier spülen wir sogar unser Geschirr darin. Die rötlichen Ränder lassen sich bald kaum noch wegrubbeln. Elche treffen wir leider nicht an, dafür sehen wir Otter durchs Wasser wischen. Ich spüre richtig, wie sich meine körpereigenen Batterien in dieser Natur wieder aufladen – auch ohne Sonne.

Um das letzte Quäntchen Moral noch zu retten, losen wir ein Expeditions-Team zusammen. Der Auftrag: Finde die Zivilisation und bring Bier und irgendwelche leckeren Sachen zum Essen mit.

Ich glaube, der einzige Grund, warum wir am siebten Tag überhaupt wieder aufs Bike steigen, ist die tolle Landschaft. Es hat über Nacht wieder zu schütten begonnen. Das Wasser ist jetzt überall. Selbst auf unserem Trail bahnt sich ein kleiner Strom seinen Weg. Wir kurbeln und kurbeln und bleiben immer wieder im Schmodder hängen. Wieder versumpft unser Zeitplan, denn wir sind nach wenigen Kilometern so durchgeweicht, dass wir beschließen, den restlichen Tag in einer Hütte zu verbringen. Zu unserem großen Glück ist die nächste Unterkunft sogar mit vier Wänden, vier Pritschen und einem Kamin ausgestattet. Perfekt zum Trocknen aller Klamotten. Doch während unsere Habseligkeiten so vor sich hin dampfen, kommen bei uns Zweifel auf. Macht es überhaupt noch Sinn, weiterzufahren? Dieser verdammte Regen hat uns sämtliches Testosteron aus den Gliedern gespült. Um das letzte Quäntchen Moral noch zu retten, losen wir ein Expeditions-Team zusammen. Der Auftrag: Finde die Zivilisation und bring Bier und irgendwelche leckeren Sachen zum Essen mit. Nach einem 24-Kilometer-Ritt gen Westen kehrt das Team tatsächlich mit großer Beute zurück. Derweil habe ich Feuer gemacht und Pfifferlinge gebraten, die ich in der Nähe gefunden habe. Dieser Abend wird wirklich lustig.

Bis am nächsten Morgen wieder unser Sparringspartner an die Tür trommelt: Der Regen hat heute zur Abwechslung Sturmböen mitgebracht. Unsere immer noch klamm-feuchten Klamotten geben jetzt jeden Widerstand auf. Das Wasser suppt oben durch die Jacke, bahnt sich direkt auf der Gänsehaut den Weg durch die Hose und sammelt sich schließlich in den Schuhen. Dort vermischt es sich mit dem letzten Rest unseres Trophy-Spirits, bevor es bei jedem Schritt durch die Schnürlöcher zurück in die Natur sprudelt. Unser Wille ist gebrochen. Wir verlassen den Pfad und schlagen uns gen Westen durch den Wald. Irgendwann müssen wir auf die Straße treffen, die zum nächsten Dorf führt. In Munkedal soll es eine Pension geben. Wir finden aber keine. Vielleicht sind wir auch schon dran vorbeigefahren? Ehrlich gesagt, wissen wir überhaupt nicht mehr, wo wir sind. Ein Jäger hilft uns aus der Klemme. Wir dürfen eine Nacht in seinem Wohnwagen verbringen. Darin gibt es einen Gasherd, um den wir unsere Sachen zum Trocknen drapieren können. Leider kann ich dieses Chaos nicht mehr mit der Kamera festhalten – sie macht keinen Mucks mehr. Die Nässe hat sogar die gute, wasserfeste Kamera in die Knie gezwungen.

Beim Abendessen wird besiegelt, was alle längst wissen: Die restlichen Etappen nehmen wir nächstes Jahr in Angriff. So sitzen wir am nächsten Tag im Zug zurück nach Göteborg und weiter nach Malmö. Zwei Tage Großstadt-Dschungel, haben wir uns überlegt, denn da ist der Regen egal. Wir sind kaum in Malmö ausgestiegen, da kehrt der schwedische Sommer zurück.

Infos zum Mountainbiken in Schweden


Die Route In 27 Etappen führt der Bohusleden-Trail bestens markiert von Göteborg gen Norden nach Strömstad nahe der norwegischen Grenze. Die Etappen sind für Wanderer bemessen. Mit dem Bike kann man die insgesamt 360 Kilometer in zehn Tagen schaffen – wenn das Wetter mitspielt. Vom Ziel in Strömstad geht es mit dem Zug zurück zum Ausgangspunkt. Kosten: 180 SEK (160 Euro) und 30 SEK (27 Euro) fürs Bike.

  Der Bohusleden Trail erstreckt sich über 27 Etappen von Göteborg nach Strömstad.Foto: Daniel Klawczynski,BIKE Magazin Der Bohusleden Trail erstreckt sich über 27 Etappen von Göteborg nach Strömstad.


Beste Touren-Zeit In den letzten Jahren hatten die Schweden immer Glück mit dem Sommer. Die sicherste, regenfreie Zeit: Juni bis Mitte August.


Unterkünfte Entlang der Route warten einfache Hütten, die zum Teil mit Kochstellen ausgestattet sind. Zur Not kann man auch jederzeit in die Zivilisation zurückkehren. Die Route verläuft parallel zu einer Bahnstrecke und der E6-Bundesstraße. Man muss nur eine Weile gen Westen fahren, schon stößt man auf Dörfer entlang der Straße.


Tipps Am besten mit Flatpedals fahren. Click-Pedale haben sich in den Laufpassagen durch modriges Gelände als sehr unpraktisch erwiesen. Ersatzschuhe für den Fall, dass es regnet! Ebenfalls eine gute Idee war die Wahl eines Fullys, da einige Passagen doch sehr technisch sind. Der perfekte Gepäckträger dazu: Thule Pack’n’Pedal Tour Rack mit den speziell passenden Gepäcktaschen dazu. Der hielt selbst das schwerste Gewicht.


Infos allgemein Detaillierte Informationen über die Bohusleden-Route mit Etappenbeschreibungen und Kartenausschnitten gibt’s unter www.bohusleden.se
Achtung: Die Kartenausschnitte sind auf die Route fokussiert. Im Notfall fehlt hier für Alternativ-Routen der Überblick. Daher besser zusätzlich eine topografische Karte für die Regionen mitnehmen. Brauchbare Informationen findet man auch in diesem Blog: cesarandthewoods.blogspot.se ("my complete guide to Bohusleden", auf Englisch).


Diesen Artikel bzw. die gesamte Ausgabe BIKE 5/2015 können Sie in der BIKE-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Ausgabe im DK-Shop nachbestellen:

Meistgelesen in der Rubrik Touren