Viana do Castelo riecht nach Salz, Wind und Geschichten. Wenn man am frühen Morgen über die Ponte Metálica, eine Straßen- und Eisenbahnbrücke, die über den Fluss Lima führt, die nordportugiesische Küstenstadt erreicht, spürt man sofort: Hier ist das Leben von Frauen geprägt. Von starken Frauen. Von Fischerfrauen, die einst mit bunten Kopftüchern und wettergegerbten Gesichtern das Bild der Stadt bestimmten. Von Pilgerinnen, Künstlerinnen, frommen Frauen – und von einer Prinzessin, deren Statue am Hafen aufs Meer hinausblickt. Auch wenn die markante Brücke von niemand Geringerem als Gustav Eiffel entworfen wurde, dem Konstrukteur des Eiffelturms in Paris. Die Prinzessin hieß Ana. Ihr Name ist in Viana versteckt. Für uns ist der Ort Ausgangspunkt für unsere Gravelbike-Touren. Rauer Atlantikwind, einsame Hochebenen, duftende Eukalyptuswälder, schnörkellose Cafés und überraschende Begegnungen mit Pilgern auf dem Jakobsweg. Ich habe mich ganz schnell verliebt.
Unsere Tour beginnt mit einem steilen Anstieg zur Basílica de Santa Luzia, einer neobyzantinischen Kirche, die über Viana thront wie eine Krone über einer Königin. Schon der Weg dorthin ist ein Versprechen: Schmale, gepflasterte Gassen winden sich durch die Altstadt, vorbei an weiß getünchten Häusern mit farbigen Fensterläden. Dann geht’s aus der Stadt über eine holpernde, gepflasterte Straße, die sich bergauf schraubt.
Oben angekommen, öffnet sich der Blick weit über den Rio Lima, die anrollenden Wellen aus dem Atlantik und das weite, grüne Hinterland. Dieser Panoramablick gilt als einer der schönsten in ganz Portugal. Für meine Reisepartnerin Carina und mich und unseren portugiesischen Guide Sofia der perfekte Moment, um kurz innezuhalten und das historische Erbe dieser Region auf uns wirken zu lassen. Hier oben wird klar: Viana ist keine Stadt wie jede andere. Sie ist weiblich geprägt. Sofia ist hier geboren und aufgewachsen. Vor nicht allzu langer Zeit hat sie das Gravelbike entdeckt und ist in kurzer Zeit zu einer passionierten Gravelbikerin geworden. Sie erzählt uns von ihrer Heimat. Die Kirchen tragen fast alle Frauennamen, und sogar das historische Frauengefängnis in Ponte de Lima, ein östlich gelegener Ort weiter im Landesinneren, erzählt von einem Leben, das oft im Schatten, aber mit großer Würde geführt wurde. Von der Basilica Santa Luzia aus folgen wir dem nun alten Militärweg auf Kies auf ein einsames Hochplateau des Monte de Santa Luzia hinauf. Der Schweiß läuft, aber die Aussicht lohnt jede Kurbelumdrehung. Der Weg wird ruppiger, die Landschaft offener. Wir passieren moosbewachsene Steinmauern, Wildpferde grasen am Horizont, auffallend leuchtendgelb blühende Sträucher, der Gins- ter, säumen unseren Weg und verströmen einen intensiven, frischen Duft, der sich mit dem salzigen Atlantikwind mischt. Wir hören das leise Surren der Windräder. Viana do Castelo und die umliegende Region haben ideale Bedingungen, um Windenergie zu produzieren. Deshalb ist die Gegend auch ein Hotspot für die Herstellung von Windturbinen, die in die ganze Welt exportiert werden. Ein spannender Kontrast zur traditionellen Fischerei, die hier noch wirklich sichtbar gelebt wird, in Booten, Bräuchen, Festen und der Küche. Die Route führt uns über breite, grobe Schotterwege auf einer Hochebene gen Norden. Immer mit Blick auf das Blau des Atlantiks.
Wir folgen dem Schotterweg durch weite Eukalyptuswälder, die sich mit Kiefern, Kastanien und dem gelben Ginster abwechseln. Es führt nun schneller und auch grobschottriger bergab, bis fast nach Caminha, einem kleinen Dorf, nicht mehr weit von der spanischen Grenze entfernt, wo der Fluss Minho in den Atlantik mündet. Von hier aus könnte man einfach übersetzen nach Galicien – der Wind riecht fast schon spanisch –, aber wir drehen ab, zurück nach Süden, mit dem Wind im Rücken. In den Dörfern, die wir passieren, kreuzen wir immer wieder den berühmten Caminho Português, den portugiesischen Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Die traditionell gelbe Jakobsmuschel auf blauem oder weißem Hintergrund markiert an jeder Wegkreuzung den Pilgerweg. Und wir begegnen ihnen: Pilgerinnen und Pilger aus aller Welt. Manche grüßen freundlich, andere sind in sich gekehrt, in Gedanken versunken. Es sind bunte Gestalten, mit Wanderstöcken, Strohhüten, Rucksäcken voller Hoffnung.
Ein paar Kilometer weiter taucht plötzlich am Ende eines Pflasterweges, nach einer runden Brücke, die über einen wilden Bach führt, ein Ort auf, der uns vollkommen überrascht: das Café Cabanas. Eine kleine, von einer Künstlerin erschaffene Oase, irgendwo zwischen Wald, Wiese, Fluss und Weg. Hier trifft sich die Welt: Pilger, Radfahrer, Einheimische. Die Terrasse ist bunt dekoriert, aus den offenen Türen des kleinen rustikalen Steinhauses weht Musik. Überall stehen Stühle und Tische im Schatten eines verträumten Gartens. Ein älterer Mann sitzt auf Steinstufen und begleitet auf seiner Gitarre spanische Chansons, die er singt. Wir setzen uns, bestellen einen Pingado, Espresso mit einem kleinen Schuss Milch, selbstgemachte, erfrischende Zitronenlimonade und dazu die hausgemachte Tarte de Limao – saftig, zitronig und mit Baiser – und natürlich ein paar Pastéis de Nata, das typisch portugiesische Blätterteiggebäck mit Vanillecreme, das noch warm aus dem Ofen kommt. Ein Fest. Vom Café Cabanas rollen wir durch das nächstgelegene Dorf hinunter Richtung Atlantik, dem Licht entgegen. Wir hören das Rauschen der regelmäßigen brechenden Wellen. Und dann – wie aus dem Nichts – sind wir wieder am Meer. Wir treffen auf den Ecovia Litoral Norte, einen der schönsten Küstenradwege Portugals. Der Ecovia verläuft fast durchgehend auf Holzstegen, Schotterpisten und schmalen Küstenwegen – direkt entlang der rauen, wilden Atlantikküste. Gravelbiken vom Feinsten. Vor allem, wenn der Wind aus dem Norden kommt und uns nach Süden schiebt. Weiße Sandstrände wechseln sich ab mit schroffen, dunklen Felsen, kleine Fischerhütten ducken sich in die Dünen, Möwen kreischen im Wind. Und die charakteristischen Windmühlen kennzeichnen unseren Weg zurück. Am Morgen sehen wir die ersten Surfer, die mit ihren Boards durch den kalten Atlantik paddeln. Gegen Mittag, wenn der Wind auffrischt – wie fast jeden Tag –, füllen sich die Buchten mit bunten Kites und Windsurfern. Die ganze Küste lebt, bewegt sich, atmet.
Zurück in Viana do Castelo gönnen wir uns zur untergehenden Sonne am Hafen den Abend auf portugiesische Art: Ein Teller mit frisch gegrilltem Fisch, Sardinhas, Dourada, vielleicht ein Bacalhau, dazu ein kühles Glas Vinho Verde. Das Leben hier kann so einfach und so gut sein. Und gleich daneben steht sie: Prinzessin Ana, in goldener Statue verewigt. Sie blickt ernst über den Hafen, ein Symbol für Stärke, Geschichte und weibliche Kraft. Man sagt, sie wacht über die Stadt und ihre Menschen. Ich glaube es sofort. Wer denkt, das Beste sei nun vorbei, hat sich getäuscht. Hinter Viana erstreckt sich ein fast unentdecktes Gravelparadies: Die Serra d’Arga. Eine wilde, zerklüftete Landschaft mit tiefen Wäldern, rauen Anstiegen, alpinen Wiesen und schroffen Granitformationen. Hier warten echte Herausforderungen auf uns Gravelbiker: schmale Pfade, Flussquerungen, Höhenmeter satt. Wer sich plagt, wird belohnt. Ausblicke über das gesamte Grenz- gebiet bis nach Galicien, einsame Kapellen in Bergtälern, Wildpferde, die durch die Heide ziehen – und sogar Weinberge, die sich in sonnenverwöhnten Tälern verstecken. In der Region Nordportugals treffen mehrere Klimazonen aufeinander, was sie so besonders und abwechslungsreich macht: Mediterran unten, alpin oben, atlantisch an der Küste. Viana do Castelo und seine Umgebung sind wie geschaffen für eine intensive, vielfältige Gravelbike-Reise. Es ist eine Region, die überrascht – durch landschaftliche Schönheit, kulturelle Tiefe, kulinarische Vielfalt und eine weibliche Geschichte, die überall spürbar ist. Wer hier radelt, fährt nicht nur über Schotterwege – sondern auch durch Jahrhunderte. Und wenn der Wind vom Atlantik kommt und die Sonne die Wellen glitzern lässt, dann weiß man: Genau hier will man sein.
Nächstgelegener Flughafen ist Porto, er wird von vielen deutschen Städten direkt in zweieinhalb Flugstunden angeflogen. Viana Do Castelo liegt 45 Fahrminuten vom Flughafen Porto entfernt, das Taxi kostet ca. 100 Euro ab Flughafen.
Viana Do Castelo Stadt (zentral und mit Meerblick)
Kleine Landhotels im Umland mit Natur pur, Campingplätze oder bikefreundliche Pensionen (z.B. Cabedelo Beach oder Ponte di Lima)
Ein Gravelbike mit robusten Reifen (35-45 mm) ist ideal, da viele Wege über Schotter, Erde oder Kopfsteinpflaster führen. Sonnenschutz und Trinkflasche nicht vergessen, vor allem im Sommer. Trotzdem sollte man immer eine Regenjacke einpacken, das Wetter kann schnell wechseln. GPS-Gerät oder App (z. B. Komoot, Strava) mit lokalen Tracks.
Unbedingt probieren sollte man Pastel de Nata, Sardinhas assadas (gegrillte Sardinen) und frische Meeresfrüchte in Viana. Kleine Cafés in Dörfern bieten oft frisches Wasser und Snacks. In Ponte de Lima kann man traditionelle portugiesische Küche genießen.
Frühling (April–Juni) und Herbst (September–Oktober) sind ideal, das Wetter ist mild und es sind relativ wenig Touristen unterwegs. Im Sommer kann es auch mal sehr warm und sonnig sein, aber der Wind an der Küste bringt Abkühlung.
Bike-Shops für Ersatzteile oder Reparaturen findet man in Viana. In der Regel bekommt man dort auch Infos über lokale Events, z. B. Gravel-Rennen oder Bike-Treffen, beispielsweise im Peleton, einem Gravelbikecafe im Zentrum.
Bikecenter: Feelvianasport in Cabedelo hat neueste Leihbikes (Gravel, EMTB oder MTB) von Scott
FeelViana Sporthotel in Cabedelo
Im weitläufigen Pinienwald von Praia do Cabedelo in Viana do Castelo direkt am Surfspot gelegen; ein nachhaltiges Vier-Sterne-Superior-Hotel, das vollständig aus Holz besteht und sich perfekt in die um- liegende Landschaft einfügt. Wer gerne eine ganze Gravel-Woche buchen möchte, findet bei www.dierasenmaeher.de eine perfekte Woche in Nordportugal.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Eine reizvolle Mischung aus Asphalt, Schotter und Singletrails mit spektakulären Ausblicken auf den Atlantik und die Stadt. Ca. 62 Kilometer, mittlerer Schwierigkeitsgrad
Anspruchsvollere Tour mit langen Anstiegen, durch Wälder, Ginsterfelder und kleine Dörfer.
Ca. 69 Kilometer; teils technische Abschnitte, konditionell und technisch anspruchsvoll
Entspannter, flacher Abschnitt entlang des Flusses. In der Einsamkeit der weitgehend intakten Natur kann man immer wieder Vögel beobachten. Im weiteren Verlauf anspruchsvoll.
Ca. 82 Kilometer;
Historische Stadt mit Kopfsteinpflaster, alten Brücken und gutem Essen. Ca. 25 Kilometer von Viana entfernt, schöne Verbindungsroute ins Hinterland