Top-MTB-Revier LausitzDie 3 Trail-Runden des Malevil-Marathons

Matthias Rotter

 · 27.10.2023

Im Zittauer Gebirge werden deutsche und tschechische Trails über die Grenze brüderlich geteilt.
Foto: Matthias Rotter
Über Deutschlands kleinstes Mittelgebirge verläuft die Grenze zu Tschechien. Doch im Lausitzer Gebirge (oder: Zittauer Gebirge) wird alles brüderlich geteilt: die skurrilen Felsen, die Trails und auch die kultigen Events. Wir zeigen 3 grenzüberschreitende MTB-Touren in der Lausitz.

Das Lausitzer Gebirge verläuft auf der deutsch-tschechischen Grenze im südöstlichsten Winkel Sachsens. Oder – je nach Sichtweise – im nördlichsten Zipfel der tschechischen Republik. Denn der Standort für die Touren liegt im böhmischen Dorf Hermanice v Podještedí. Mit einer Ausdehnung von rund 50 mal 25 Kilometern ist das Lausitzer Gebirge überschaubar groß. Das bietet Mountainbikern viele Gelegenheiten, jeden Winkel zu entdecken. Besonders im tschechischen Teil kann man Natur pur genießen, denn das gesamte Gebirge wurde hier bereits 1976 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Größere Orte liegen mit Liberec und Ceská Lípa deutlich außerhalb des Bike-Reviers. Die kegelförmigen Berge des Grenzgebirges wirken wie kleine Vulkane, und ein Blick auf die geologische Geschichte bestätigt ihre feurige Entstehung. Gerade einmal 793 Meter misst die Lausche als höchster Gipfel, zahlreiche weitere liegen zwischen 600 und 750 Metern. Doch ihre Flanken sind steiler als man denkt. Das bekommen Biker oft genug zu spüren. Das Geheimnis des Lausitzer Gebirges sind seine beeindruckenden Formationen aus Basalt, die sich überall im Wald verstecken. Und zu ihren Füßen liegen bunte Sandsteinfelsen, die fast an das berühmte US-Bike-Mekka in Moab erinnern.

Tour 1: Über den Hochwald

  • Länge: 30,5 Kilometer
  • Bergauf: 659 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 3 Stunden
  • Schwierigkeit: leicht
Schöne, sehr flowige Trails an Pfaffenstein (Popova Skala) und Hochwald.Foto: BIKE MagazinSchöne, sehr flowige Trails an Pfaffenstein (Popova Skala) und Hochwald.

Tourenbeschreibung

Die Tour folgt auf einigen Abschnitten der Strecke des Malevil-Marathons. Nach dem Einrollen auf einer Landstraße geht’s über sanfte Wiesen-Trails Richtung Polesí. Eine erste Trail-Abfahrt führt mitten ins Märchenland der Felsen. Die Gebilde tragen Namen wie Schlangenrücken oder Verborgene Wand. Es folgt der Anstieg zum Popova skála (Pfaffenstein), der am Ende sehr steil wird. Unterhalb des Gipfelaufbaus stellt man das Bike am besten ab und steigt über Leitern zur Felsenkanzel auf. Die Aussicht lohnt sich! Ein spannender Pfad führt weiter an der Teufelsmauer vorbei. Nach Überqueren der Grenze strebt die Route auf deutschem Boden dem Hochwald zu. Auf launigem Trail weiter gen Lückendorf, dann folgen 250 Höhenmeter auf den Hochwald (Hvozd). Der Aussichtsberg mit zwei Gipfelbauden (Einkehr) ist an schönen Tagen gut besucht. Entlang der Grenzlinie führen die Pfade zum Johannisstein, wo man einen hübschen Blick zur deutschen Burg Oybin hat. Bei Krompach über die grüne Grenze zurück nach Hermanice.

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Startpunkt: Am Malevil-Resort in Hermanice v Podjestedi (Tschechien).

Highlights: 1. Launige Pfade im Bereich des Popova skála. Aufstieg über Leitern zum Felsturm. 2. Mystische Felsformationen an zahlreichen Streckenabschnitten.
3. Aussichtsreiche Passage zwischen Hochwald und Johannisstein.

Schlüsselstellen: Alle Wege und Trails bieten fahrtechnisch keine größeren Schwierigkeiten.

Einkehr: Vor der letzten Abfahrt kommt man bei Krompach direkt am Gasthaus Kammweg vorbei (Ortsteil Valy 114), mit Freisitz in aussichtsreicher Lage. Eine ideale Gelegenheit, böhmische Knödel zu probieren, denn es geht zum Ziel nur noch bergab.

Tour 2: Lauschiger Höhepunkt

  • Länge: 47 Kilometer
  • Bergauf: 1024 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 5 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel
Eine kultige Einkehr in Jedlova und danach auf die beiden höchsten Gipfel des Lausitzer Gebirges!Foto: BIKE MagazinEine kultige Einkehr in Jedlova und danach auf die beiden höchsten Gipfel des Lausitzer Gebirges!

Tourenbeschreibung

Die Lausche (793 m) ist der höchste Punkt des Lausitzer Gebirges. Sie erinnert mit ihrer Kegelform an ihren Ursprung als Vulkan. Doch Höhepunkte gibt es auf dieser Tour noch mehr. Zum Beispiel der Mühlstein, fünf Kilometer nach dem Start in Cvikov. Das Felsentor mitten im Wald schürte seit jeher die Legenden in der Region. Die Route dreht im Anschluss eine Schleife durch die westlichste Ecke des Lausitzer Gebirges. Am Berg Jedlová liegt ein Bahnhof mitten im Nirgendwo (Einkehr). Auf dem Weg zur Finkenkoppe, dem zweithöchsten Berg des Lausitzer Gebirges, folgt ein Pfad dem nächsten. Aber der Kammweg ist auch anstrengend! Vorbei an alten Grenzsteinen nähert sich die Route der Lausche. Auf der letzten Steilrampe zum Gipfel bleiben die wenigsten im Sattel. Lohn für die Mühe ist eine tolle Aussicht und die Serpentinenabfahrt nach Myslivny (Einkehr). Weiter geht’s auf Pfaden entlang der Grenze. Erst am mysteriösen schwarzen Rabenstein wendet sich die Route wieder Richtung Ziel nach Süden. Die letzten zwölf Kilometer rollen locker nach Cvikov aus.

Startpunkt: Am Dorfplatz von Cvikov (Zwickau). Der etwas triste Ort liegt zehn Kilometer westlich von Hermanice an der Bundesstraße nach Nový Bor.

Highlights: 1. Das Felsentor am Mühlstein (Milštejn) gehörte einst zu einer Burganlage. 2. Langer Pfadabschnitt über Finkenkoppe und Lausche.

Schlüsselstellen: Der Pfad zur Finkenkoppe ist steil und teils eingewachsen (schieben). Steil sind auch die letzten 100 Höhenmeter zum Gipfel der Lausche. Kurze Tragepassagen auf dem Grenzpfad zwischen Myslivny und Dolní Svetlá.

Einkehr: Gaststube am Bahnhof Jedlová (km 13) und die Lužická Bouda (km 32).

Tour 3: Elefantensteine

  • Länge: 35,3 Kilometer
  • Bergauf: 600 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 3 Stunden
  • Schwierigkeit: leicht
Höhenprofil Tour 3: ElefantensteineFoto: BIKE MagazinHöhenprofil Tour 3: Elefantensteine

Tourenbeschreibung

Die Runde führt bis an die östliche Grenze des Lausitzer Gebirges. Dort liegen am Waldrand riesige, weiße Steine, die durchaus an die Slickrocks im US-Bike-Mekka Moab erinnern. Es ist allerdings nicht möglich, darauf zu biken. Außerdem steht das Naturdenkmal unter Schutz. Nach dem Start kann man sich auf dem leichten Anstieg (Landstraße) nach Krompach aufwärmen. Nach drei Kilometern zweigt rechts ein Panoramaweg ab, der die Südflanke des Hochwalds quert. Man passiert das Dorf Petrovice, dann steigt der Weg wieder Richtung Gebirge. In der Nähe des Popova skála (Pfaffenstein) führt ein Trail in ein mystisches Tälchen, flankiert von bizarren Felstürmen. Bald beginnt eine anstrengende Pfadpassage, zuerst steil hinauf zum Rabennest, dann wellig an weiteren Felsformationen zum Weiler Horní Sedlo (Pass) vorbei. Auf launigem Waldweg geht’s zu den Elefantensteinen hinunter. Es lohnt sich, die ungewöhnliche Felsengruppe zu Fuß zu erkunden. Der Rückweg führt durch typische böhmische Bauerndörfer, in welchen die Zeit scheinbar stehen geblieben ist.

Startpunkt: Am Malevil-Resort in Hermanice v Podjestedi (Tschechien).

Highlights: 1. Zwischen Kilometer 13 und 20 passiert man zahlreiche, für die Region typische Felsformationen. 2. Die glatt geschliffenen Elefantensteine wirken mit ihrer hellen Färbung wie Fremdkörper.

Schlüsselstellen: Der Einstieg zum Singletrail (Abfahrt) bei Kilometer 13,5 ist steil und wurzelig. Der Pfad zum Rabennest führt sehr steil, aber fahrbar nach oben (km 15). Ansonsten fahrtechnisch keine Schwierigkeiten auf der Tour.

Einkehr: Die Siedlung Jítrava liegt zwar etwas unromantisch an der Bundesstraße 13. Aber man passiert dort ein paar nette Gasthäuser. Zum Beispiel den Pankrazer Hof mit eigener Brauerei (km 21).

Die GPS-Daten zu den 3 besten Touren:

Übersichtskarte der 3 MTB-Touren im Zittauer GebirgeFoto: InfochartÜbersichtskarte der 3 MTB-Touren im Zittauer Gebirge

Infos zum Top-MTB-Revier Lausitzer Gebirge

Anreise

Von Süden und Westen Deutschlands über Hof (A72) bzw. Erfurt (A4) nach Chemnitz und Dresden. Aus Norden (Berlin) auf der A13. Ab Dreieck Dresden-West auf der A17 nach Pirna. Weiter entlang der Elbe (Grenze) nach Decin. Ab dort auf der Bundesstraße 13 stets Richtung Osten (Nový Bor, Liberec) bis Jablonné. Weitere vier Kilometer nach Hermanice (Hermannsdorf). Entfernung von München 580 km, von Frankfurt 570 km, von Berlin 300 km.

Bikeshop

Pakli Sport, Zdislavy z Lemberka 437, Jablonné v Podještedí. Im kleinen Shop von Radek Patrák bekommt man die wichtigsten Ersatzteile. Und alle Infos über den Malevil-Marathon. Schließlich ist Radek der Organisator des Rennens, www.paklisport.cz

Karte

„Naturpark Zittauer Gebirge / Lausitzer Gebirge“ (GPS-fähig und wetterfest), Maßstab 1:33000, ISBN 978-3868430400. Tipp: Man findet auch gute tschechische Wanderkarten vor Ort, im Maßstab 1:25000.

Unterkünfte

Im tschechischen Teil des Lausitzer Gebirges ist die Infrastruktur vergleichsweise dünn. In den Dörfern findet man vereinzelt Privatpensionen oder kleine Hotels. Eine schöne Übersicht gibt es auf www.tschechische-gebirge.de

Unser Tipp: Malevil-Resort, Hermanice v Podjestedi 280, Jablonné v Podještedí. Das Golf-Resort ist die Heimat des gleichnamigen Marathons. Überdurchschnittlicher Standard für die Region, leckeres Essen und Unterstellmöglichkeiten für die Bikes, www.malevil.cz

Was man nicht verpassen darf

Der Malevil Cup feiert 2024 sein Jubiläum

Zum Malevil Cup reisten schon früher 1500 Starter an. Trail-Liebhaber vor allem!Foto: Matthias RotterZum Malevil Cup reisten schon früher 1500 Starter an. Trail-Liebhaber vor allem!

Der kultige Marathon in Tschechien ist inzwischen ein internationales Großereignis und feiert nächstes Jahr bereits sein 25. Jubiläum! Längst reisen die Profifahrer nicht nur wegen der sensationellen Trails der Strecke an, sondern auch wegen der UCI-Punkte, die es zu verdienen gibt. Zur Wahl stehen 4 verschiedene Langstrecken. Termin: 1. Juni 2024, Infos: www.malevilcup.cz

Pumptrack Jablonné

Klein aber fein! In Ort Jablonné v Podještedí, vier Kilometer südlich von Hermanice, haben die Locals jüngst einen Pumptrack gebaut. Klar, dass der örtliche Freeride-Star Vojtech Bláha mit Rat und Tat zur Seite stand. Man findet die Anlage im Norden von Jablonné in der Nähe der Bahnlinie. Infos auf Facebook unter „Pumptrack Jablonné v Podještedí“

Bikepark Jeschken

Blickt man vom Lausitzer Gebirge Richtung Osten, fällt der etwa 20 Kilometer Luftlinie entfernte Jeschken (Ješted) sofort ins Auge. Denn seinen 1012 Meter hohen Gipfel ziert ein Fernsehturm, der aussieht wie ein riesiger Spitzhut. Ein Sessellift des Skigebietes auf der Ostseite des Bergs wird im Sommer für den Bikepark genutzt. Freerider finden dort insgesamt vier Trails mit einer Gesamtlänge von 5,8 Kilometern. Selbstverständlich dürfen auch einige Obstacles nicht fehlen. Start ist am Fuß des Bergs in der Stadt Liberec. Infos: www.skijested.cz

Liberec

Geografisch zählt der größte Ort der Region bereits zum Isergebirge. Dennoch lohnt ein Bummel durch die historische Altstadt. Tipps: Pizza im Maškovka (Mariánská 285), regionale böhmische Küche im Restaurant Radnicní Sklípek (nám. Dr. E. Beneše 1/1), Live-Musik im Bedna Klub (Nad Školou 1675) oder im Rock Klub Bunkr (Tržní námestí 1385/8). Entspannen im historischen Kaiser-Franz-Joseph-Bad (Oblastní galerie Liberec, Masarykova 723/14). Infos: www.visitliberec.eu

Die Reportage: Vom Rabennest ins Land der Uhus

Der Trail am Pfaffenstein: Die Teilnehmer des Malevil-Marathons kennen ihn gut.Foto: Matthias RotterDer Trail am Pfaffenstein: Die Teilnehmer des Malevil-Marathons kennen ihn gut.

Vielleicht hätte er nur beten und die paar Gläser Becherovka weglassen sollen. Aber sein bester Kumpel, der Pfarrer des Doms, hatte immer wieder nachgeschenkt – und jetzt ist sie da, die Katastrophe! Radek schlägt theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen. „Alles nass“, stößt er schwer atmend hervor. Dann rennt der tschechische Kugelblitz wieder zwischen den Zelten hin und her. Was ist passiert? Am späten Nachmittag hatte der Himmel über dem Lausitzer Gebirge seine Schleusen geöffnet und das Festivalgelände des Malevil-Marathons innerhalb von Minuten knöcheltief unter Wasser gesetzt. Dabei hatte sich der Cheforganisator doch am Vortag des Rennens so ins Zeug gelegt. Aber offensichtlich hat Petrus seine Gebete nicht erhört. Die Katastrophe hält sich jedoch in Grenzen. Die himmlische Dusche tut der Stimmung unter den Bikern keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Die Fete ist in vollem Gang. Technoide Bässe empfangen die letzten Heimkehrer von der 100-Kilometer-Runde. Weiße Zahnreihen grinsen aus dreckverschmierten Gesichtern.

„Geil war’s mal wieder“, schwärmt Dirk Leschke, der mit seinem Bruder Christian und Freundin Andrea sogar aus Erlangen angereist ist: „Super Orga bei den Tschechen, und top Trails!“ So oder so ähnlich klingen die Aussagen durch die Bank weg. „Hier wird noch richtig Mountainbike gefahren“, wirft Thomas Aurich aus dem sächsischen Zschopau dazwischen. „Kein langweiliges Autobahngebolze wie auf vielen anderen Marathons.“ Ich hole mir ein Bier und mische mich unters Volk. Ein ausgelassener Abend nimmt seinen Lauf.

Zwei Tage später, derselbe Ort. Frühnebel, Vogelgezwitscher, kitschiger Sonnenaufgang, alles, was zu einem Bilderbuchmorgen gehört. Die Normalität ist ins Lausitzer Gebirge zurückgekehrt. Radek hat mir nahegelegt, noch ein paar Tage zum Biken zu bleiben. Als ultimativen Trailchecker hat er mir Vojtech Bláha vermittelt, einen jungen Local, der vor Jahren schon die internationale Freeride-Szene aufgemischt hat. Sein Wohnort sei nicht zu verfehlen, meint Radek, als er mich nach dem Frühstück auf den Weg schickt. Und tatsächlich, ein paar Kilometer weiter steht ein einzelnes Haus an der Landstraße, mitten in der Pampa. „Ahoj“, begrüßt mich der neunzehnjährige Lockenkopf in der Garage, wo er noch an seinem Bike herumschraubt.

„Ich heiße Vojtech, aber meine Freunde nennen mich nur Vojta“, erklärt er mir in bestem Englisch. Zum Glück, denn mit seiner Landessprache komme ich nicht wirklich klar. Und das, obwohl es im Tschechischen nicht wenige Wörter gibt, die sich vom Deutschen ableiten. Wie etwa „ksicht“ für Gesicht oder „knedlik“ für Knödel. „Hier lebe ich, bei meiner Familie, direkt am Fuß der Berge“, erzählt Vojtech und zeigt hinüber zu den bewaldeten Kuppen seines Reviers. Kein Wunder, dass man in dieser Umgebung zu einem leidenschaftlichen Mountainbiker wird. Denn Alternativen, zum Beispiel den Versuchungen der Konsumgesellschaft zu erliegen, sehe ich weit und breit nicht. Ein Raubvogel zieht seine Kreise über uns, weiter hinten tuckert ein Bauer über seinen Acker. Wir schwingen uns in den Sattel und nehmen Kurs auf den ersten Trail. Der Plan: Am Popova skála, zu deutsch Pfaffenstein, hat sich Vojta mit seinem Kumpel Jonas verabredet.

Vojta Bláha: Wenn er nicht auf seinem Enduro sitzt, schraubt er in seiner Garage.Foto: Matthias RotterVojta Bláha: Wenn er nicht auf seinem Enduro sitzt, schraubt er in seiner Garage.

Besonderheit des MTB-Reviers: die Grenze verläuft über den Hauptkamm

Jonas will vom deutschen Zittau aus zum Treffpunkt kurbeln, das genau auf der anderen Seite des Gebirges liegt. Denn das ist die eine Besonderheit des Reviers: Die deutsch-tschechische Grenze verläuft genau über den Hauptkamm und teilt die höchsten Gipfel Lausche (Luz) und Hochwald (Hvozd). Die andere Besonderheit offenbart sich, als Vojta den Abzweig in ein mystisches Tälchen nimmt. Links und rechts ragen dunkle, bizarre Felstürme auf. Manche schmal und zerbrechlich, manche wuchtig, andere schräg und die Schwerkraft verachtend. Sie tragen sonderbare Namen wie Land des Uhus, Teufelsmauer, Rabennest oder Liebespaar. Vojta ist bergab in seinem Element, und sein Hinterrad entschwindet schnell aus meinem Blickfeld. Aber ich kann nicht anders, muss anhalten, um diesen Anblick zu genießen. Einige Minuten später kommt der junge Tscheche den Weg wieder heraufgekurbelt. „Alles in Ordnung?“ Vojta muss grinsen, als er meinen staunenden Blick bemerkt. „Komm weiter, solche Felsgebilde werden uns noch genug begegnen“, sagt er, macht kehrt und ist abermals verschwunden. Bald zieht der Weg wieder nach oben. Zum Glück kann ich bergauf mit dem Wirbelwind noch mithalten.

Der Blick vom Johannisstein übers Felsental von Oybin.Foto: Matthias RotterDer Blick vom Johannisstein übers Felsental von Oybin.

Als wir schnaufend am Popova skála aus dem Dickicht brechen, wartet Jonas bereits auf uns. High five. Verständigungsprobleme gibt es zwischen den beiden Freeridern nicht. Jonas spricht sogar fließend Tschechisch. „Meine Mutter ist Tschechin“, erklärt der zweisprachig aufgewachsene Zittauer. Wir erklimmen den Felsturm über eine stählerne Leiter und genießen das 360-Grad-Panorama. Wo gibt es das sonst, dass man von einem Punkt aus ein komplettes Gebirge überblicken kann? Zumindest die nördliche Hälfte gilt als kleinstes Mittelgebirge Deutschlands. Besonders markant sticht die kegelförmige Lausche hervor. Im Vorland hüben und drüben erkennt man die Städte Zittau und Liberec. Wir arbeiten uns entlang des Hauptkamms vor. Weiße Grenzsteine geben Aufschluss darüber, auf welchem Hoheitsgebiet wir uns gerade befinden. Vereinzelt stehen aber auch deutlich werdendere Warnschilder herum, die in roten Lettern „Pozor“ (Achtung!) in den Wald schreien. Faktisch ist die EU-Grenze aber nur noch eine Linie auf der Landkarte. Zwischen Lückendorf und Oybin passieren wir wieder ein Felsenriff mit schauerlichen Namen wie Satanskopf oder Guillotine. Gut, dass in der Nähe gleich der Mönchsfelsen steht. Am Johannisstein öffnet sich noch einmal der Blick über den Talkessel von Oybin samt Burg. Ein idealer Platz für Jonas, sich zu verabschieden. Während er vom Kamm nach Zittau rollt, geht es für Vojta und mich nach Süden bergab. Praktisch, so ein Grenzgebirge.

Am letzten Tag fahre ich nach Jablonné, um mich von Radek zu verabschieden. Ich finde ihn hinter seinem Haus. Die Begrüßung kommt mir bekannt vor: „Große Katastrophe!“ Dazu schwenkt er theatralisch den Arm über das Chaos im Garten. Alles liegt kreuz und quer, Befestigungsmaterial, Werkzeug, Absperrzäune, Wegweiser, Bänke und Stühle. Das große Aufräumen nach dem Event. 24 Jahre ist es her, dass Radek den Marathon aus einer Laune heraus ins Leben rief. Vieles hat sich seitdem verändert, nur nicht das Chaos hinter den Kulissen. Ahoj Radek, vielleicht klappt’s ja nächstes Jahr besser mit dem Beten.

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