MTB-Trailspot HarzHart am Rand biken

Matthias Rotter

 · 12.10.2023

Die Narben des Bergbaus. Wo sich heute eine eigentümliche Heidelandschaft erstreckt, wurde einst
 nach Erzen geschürft. Heute möchte man die Locals von Goslar um die alten Halden beneiden. Flowtrails
 wie dieser enden direkt vor den Toren der Stadt.
Foto: Matthias Rotter
Anreise nach Goslar: Mit dem Auto: Von Süden und Norden am schnellsten über die A7. An der Ausfahrt 66 (Rhüden/Harz) nach Goslar. Aus Osten ab Leipzig auf der A14 bis Bernburg und weiter auf der B6 nach Goslar. Aus dem Raum Ruhrgebiet auf der A44 nach Kassel, dort weiter auf der A7 (siehe Nord/Süd). Entfernung Goslar von: Dortmund 290 km, Fankfurt/M. 310 km, Leipzig 185 km.

Wer an Harz denkt, dem kommt als erstes der Brocken in den Sinn. Dabei gibt es dort oben für Biker wenig zu holen. Am Nordrand des Mittelgebirges, vor den Toren von Goslar, schlängeln sich die Trails dagegen kilometerlang durch den Wald. Wir haben uns die besten Tourenrunden von den Locals zeigen lassen.

Tour 1: Stausee-Runde

  • Länge: 49 Kilometer
  • Bergauf: 1060 Höhenmeter
  • Fahrzeit: 3,5 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel schwer
Stausee-Runde: Die schönsten Trails warten hinterm Granestausee und vom Bielstein nach Lautenthal hinunter. | Profil: BIKE MagazinStausee-Runde: Die schönsten Trails warten hinterm Granestausee und vom Bielstein nach Lautenthal hinunter. | Profil: BIKE Magazin

Tourenbeschreibung

Am Nordrand des Harz’ reiht sich ein Stausee an den nächsten. Die Seen dienen zur Trinkwasserversorgung und zum Schutz vor Hochwasser. Denn, so harmlos das Mittelgebirge auch anmutet – bei Dauerregen kann’s im Vorland ganz schön gefährlich werden. Die Tour verläuft zwischen dem Innerste-Stausee ganz im Westen des Harz’ und dem Grane-Stausee in der Nähe von Goslar. Ein Blick auf die Distanz sollte klarmachen, dass man bei Nutzung hoher Unterstützungsstufen einen Ladestopp einkalkulieren muss. Wer hauptsächlich im Eco-Modus fährt, kommt mit einer Akku-Ladung aus. Vor der Abfahrt locken die Cafés am Marktplatz in Goslar noch zu einem schnellen Espresso. Dann kann es losgehen.

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Unmittelbar am Stadtrand stechen die Haus-Trails der Locals ins Gelände. Zum Aufwärmen dient eine flotte Achter-Runde über den Steinberg, garniert mit herrlichen Panoramen über die Stadt. An den Steilstufen bergauf kurz den Turbo zugeschaltet – dann macht das Trailsurfen am meisten Spaß. Nach einer kurzen Schotterpassage zieht sich ein flowiger Pfad am Hang entlang, der in Richtung Grane-Stausee führt. Bald kann man durch einige Waldlücken einen Blick auf den Wasserspiegel erhaschen. Nach Querung der Staumauer taucht die Route wieder in den Wald ein. Ein paar Trails später mündet man am alten Diabas-Steinbruch, der 1986 geschlossen wurde. Die Natur hat die Landschaft längst zurückerobert. Und heute ist der Mini-Canyon ein faszinierendes Biotop. Verschlungene Forstwege leiten zum nächsten Highlight: Ein Traum-Trail führt vom Bielstein hinunter nach Lautenthal. Dazwischen einige spektakuläre Aussichtspunkte, die nach einem Stopp verlangen. Entlang der Innerste arbeitet sich die Route nach Wolfshagen hinüber. Bei einer Rast im Gastgarten des Restaurants Tannengrund (südlicher Ortsrand) bietet sich die Gelegenheit, den Akku nachzuladen. Denn auf den letzten zehn Kilometern warten zwei Anstiege, die nach Energie verlangen. Das Finale sorgt nochmals für ein Grinsen im Gesicht: Ab dem Steinberg schwingen sich die letzten Flowtrails des Tages wieder in die Stadt hinunter.

Tour 2: Harzer Wasserregal

  • Länge: 43 Kilometer
  • Bergauf: 834 Höhenmeter
  • Fahrzeit: 3 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel schwer
Am Hahnenklee/Bocksberg und in Schulenberg fädelt die Tour gleich zwei Bikeparks mit auf. | Profil: BIKE MagazinAm Hahnenklee/Bocksberg und in Schulenberg fädelt die Tour gleich zwei Bikeparks mit auf. | Profil: BIKE Magazin

Tourenbeschreibung

Eine gute Frage für Günther Jauchs „Wer wird Millionär“ wäre: Was ist ein Wasserregal? Auf jeden Fall kein Lagergestell im Getränkemarkt! Das sogenannte Oberharzer Wasserregal erstreckt sich im Dreieck der Orte Hahnenklee, Clausthal-Zellerfeld und Schulenberg. Ganz schön groß für ein Regal? Mitnichten, denn in diesem Fall handelt es sich um eine Reihe von kleineren und größeren Speicherseen. Sie dienten in Zeiten des Bergbaus dazu, Wasserräder in Gang zu bringen, die wiederum Pumpen antrieben. Interessant für Biker sind jedoch die kilometerlangen Verbindungsgräben zwischen den Seen, die in der Regel von launigen Pfaden begleitet werden.

Nach dem Start am Goslarer Marktplatz leiten die Pfade südlich des Steinbergs zügig in Richtung Gebirge. Der obere Klippenweg ist genauso spektakulär, wie sein Name vermuten lässt: Ein herrlicher Trail führt stets am Hang entlang, wo immer wieder Felsformationen aus dem Wald ragen. Anschließend stehen etwa 200 Höhenmeter auf dem Programm, die hinauf nach Hahnenklee führen. Dort gibt es am Bocksberg sogar einen Bikepark mit Seilbahn. Hinter dem Ortsteil Bockswiese passiert man die ersten Teiche. Doch bevor das Trail-Vergnügen beginnt, kann man sich im Café Egerland am oberen Grumbacher Teich noch mit einem monströsen Stück Kuchen stärken. Hier gibt’s bei Bedarf auch Strom für den Akku. Die folgenden vier Kilometer stehen ganz im Zeichen der schmalen Pfade. Die rumpeligen Wurzelpassagen sind ein Fest für Trailfans. Der Anspruch liegt irgendwo zwischen Technik und Flow. Auf der Passage zwischen Festenburg und Schulenberg hat man den Brocken fest im Blick. Der höchste Berg des Harz’ liegt direkt voraus, sieht aber näher aus als er ist!

Bei Schulenberg gibt es ebenfalls einen kleinen Bikepark mit familiärer Atmosphäre. Der Oker-Stausee liegt wie ein Fjord verästelt zwischen den Bergen. An seiner Staumauer (mit Kiosk & Imbiss) rollt man für zwei Kilometer die Straße hinunter, bevor es am Romkerhaller Wasserfall wieder bergauf ins Gelände geht. Ein sehr versteckter Trail(!) schlängelt sich nach Oker. Und auch die letzten Kilometer nach Goslar sind mit einigen hübschen Pfaden gespickt.

Tour 3: Nordrand-Trails

  • Länge: 55 Kilometer
  • Bergauf: 1460 Höhenmeter
  • Fahrzeit: 4,5 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel schwer
Fast vier Kilometer lang: der Flowtrail von der Rudolfklippe. | Profil: BIKE MagazinFast vier Kilometer lang: der Flowtrail von der Rudolfklippe. | Profil: BIKE Magazin

Tourenbeschreibung

Die besten Harz-Trails findet man nicht – wie man vermuten könnte – im Zentrum des Gebirges, sondern an seinem steilen Nordrand. Das Geflecht der Pfade zieht sich von Goslar über Bad Harzburg und Wernigerode bis hi­nüber in den Ostharz nach Thale. Wer es drauf anlegt, kann hier Höhenmeter ohne Ende machen. Einen kleinen Eindruck davon vermittelt diese Tour, die ohne Nachladen des Akkus unterwegs kaum zu schaffen ist (siehe Tipps zur Mittagspause). Zu oft geht es auf und ab, wie am Sägeblattprofil unschwer zu erkennen ist. Und beim teils komplizierten Verlauf der Route lernt man, ein GPS-Gerät zu schätzen! Das Festival der Trails beginnt bereits am Ortsrand von Goslar. Auf flowigen Wiesenpfaden erklimmt man den Rammelsberg, stets mit schönem Blick über die Dächer der Stadt. Bis Oker geht es nur über kleine Wellen, dann wartet mit dem Huthberg der erste lange Aufstieg. Oben dreht die Route eine kleine Schleife, um den Wurzel-Trail an der Kästeklippe mitzunehmen. Bis zum Forsthaus Göttingerode hat man alle Höhenmeter wieder vernichtet. Bald folgt wieder ein Pfadabschnitt dem nächsten. Das Highlight des Tages wird noch vor dem Mittagessen serviert: der Flowtrail von der Rudolfklippe hinunter nach Bad Harzburg. Doch vor dem Vergnügen stehen einmal mehr fast 300 Höhenmeter bergauf! Dennoch: maximale Punktzahl beim Spaßfaktor. Ein Blick aufs Display bekräftigt das Verlangen nach einer Steckdose. Und mit letzter Energie erreicht man das Wirtshaus auf dem Burgberg, wo es gilt, Kalorien und Strom nachzuladen. Die Aussicht hinaus übers Harzer Vorland ist dabei bestmöglich.

Launige Serpentinen läuten den Rückweg ein, der zwar ab Bad Harzburg parallel zum Hinweg verläuft, aber dennoch neue Varianten findet: zum Beispiel eine kleine Runde über den Elfenstein, selbstverständlich wieder mit Trail-Abfahrt. Bald rücken die Industrieanlagen von Oker ins Blickfeld. Das Finale führt auf verwinkelten Wegen durch die ehemaligen Abraumhalden zwischen Oker und Goslar. Die Narben, die der Bergbau dort hinterließ, sind noch nicht ganz wieder verheilt. In der Altstadt von Goslar kann man diese tolle Tour ausklingen lassen.

Download der GPS-Daten:

In den alten Fachwerkgassen von Goslar warten nach der Tour diverse Einkehrmöglichkeiten.Foto: Matthias RotterIn den alten Fachwerkgassen von Goslar warten nach der Tour diverse Einkehrmöglichkeiten.

Infos zum MTB-Revierguide Harz

Mit der Bahn: Goslar ist gut ans Bahnnetz angebunden. Der Harz-Elbe-Express bedient den Nordrand des Harz’ im Stundentakt. Anschluss ans Fern-/Schnellbahnnetz in Hannover, Braunschweig und Halle. Info: www.bahn.de

Beste Tourenzeit:
Regelmäßig sorgt der Brocken für Schlagzeilen in den Wetterportalen. Berüchtigt sind vor allem die Kälteeinbrüche im Winter. Der Schnee hält sich in der Gipfelregion manchmal bis weit ins Frühjahr hinein. Auch im Sommer wirkt der Brocken wie ein Wetter-Stauwehr, und man muss im Westharz durchaus mit der einen oder anderen Regenperiode rechnen. Im Gegensatz zum rauen Klima im Zentrum des Gebirges, zeigt sich der Nordrand jedoch generell milder. Bike-Saison dauert von Juni bis mindestens Ende Oktober.

Unterkunfts-Tipp:
Hotel Schiefer, Markt 6, Goslar, Telefon 05321 3822700, hotel-schiefer.de: altehrwürdiges Hotel in modernem Style, mitten im Herzen Goslars. Hotelchef Alex ist selbst leidenschaftlicher E-Biker und hat interessante Pauschalen im Angebot.


Essen & Trinken:
• Sehr zu empfehlen ist auch die Küche im Hotel Schiefer, von Pizza bis zu traditionell-regionalen Gerichten.
• Frühstücks-Tipp: Tims 5 Tageszeiten, tims-5tageszeiten.de
• Originell: Wildfang, Bier & Wirtshaus, Rosentorstr. 2, wildfang-erleben.de
• Traditionell: Die Butterhanne, butterhanne.de

SCHIEFER: Currywurst statt Grünkohl. Nicht nur in der Küche möchte der bikende Hotelier Alexander Scharf dem angestaubten Harz-Image eine Frischzellenkur verordnen. Am liebsten wären ihm Steckdosen im Wald.Foto: Matthias RotterSCHIEFER: Currywurst statt Grünkohl. Nicht nur in der Küche möchte der bikende Hotelier Alexander Scharf dem angestaubten Harz-Image eine Frischzellenkur verordnen. Am liebsten wären ihm Steckdosen im Wald.


Bikeshop / Verleih:
E-Bike Kasten, Petersilienstr. 33, Goslar, ebike-kasten.de, Chef Guido Kasten hat eine Top-Auswahl an Leih-Bikes im Angebot.


Tourist-Information Goslar, Markt 7, 38640 Goslar, Telefon 05321/78060, E-Mail: marketing@goslar.de, goslar.de

Touren & Kartentipp:
Volksbank Arena Harz, 74 ausgeschilderte Routen, insgesamt 2200 km/59.000 hm, volksbank-arena-harz.de. Offizielles Karten-Set "Der Harz für Mountainbiker", reiß- und wetterfestes Papier, ISBN 978-3-935806-28-2, 16,80 Euro

<a href="https://res.cloudinary.com/delius-klasing-eu/raw/upload/v1697110993/GPS-BIKE-2023-Harz-Touren_s7i3od.zip" target="_blank" rel="noopener noreferrer nofollow">GPS-Daten zu allen Touren finden Sie unten im Download.</a>Foto: InfochartGPS-Daten zu allen Touren finden Sie unten im Download.

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Die BIKE-Reportage Harz-Nord

Alexander Scharf hat ein Faible für Schlamm. Wenn es ums Mountainbiken geht, wird der Gastronom aus Goslar – ein Hüne von Gestalt – innerhalb von Sekunden wieder zum Kind. Wo andere auf dem Trail kunstvoll um Wasserlöcher herummanövrieren, nimmt er mit Wonne direkten Kurs auf die Mini-Tümpel. Und anstatt abzubremsen, drückt er die Turbo-Taste seines E-MTBs und gibt Gas. Kurzum, in seiner Nähe herrscht ein ständiger Sprühregen. Die Tropfen sind braun, und am Ende der Tour knirscht es zwischen den Zähnen. „Irgendwie brauche ich das, nach einem Arbeitstag in der sauberen Welt meines Restaurants“, erzählt Alex, als gerade mal keine Dreckpfütze in Sicht ist. Vor einigen Tagen wurde seine Liebe zum Schlamassel allerdings auf eine harte Probe gestellt. Es geschah, dass sich dunkle Wolken über dem Harzgebirge zusammenbrauten, größer und schwärzer als üblich. Womöglich ein verspäteter Hexensabbat am Blocksberg? Sintflutartige Regenfälle ergossen sich über das Mittelgebirge, aus Bächen wurden reißende Flüsse. Und so wuchs auch die Abzucht, die normalerweise als zahmes Rinnsal durch die Gassen der Fachwerkstadt Goslar gluckert, zu einem braunen Schwall. „Die braune Brühe stand bis knapp unter dem Fenstersims meines Wohnzimmers. Da war definitiv Schluss mit lustig!“ Die Schäden an einigen historischen Gebäuden waren beträchtlich.

Beschaulich, dieses Goslar am Nordrand des Harz’. Und die Trails beginnen direkt hinter der Stadt.Foto: Matthias RotterBeschaulich, dieses Goslar am Nordrand des Harz’. Und die Trails beginnen direkt hinter der Stadt.

Zurück auf dem Trail. „Aber nicht, dass Du jetzt nur Horrorgeschichten über das Wetter im Harz schreibst“, ruft Alex nach hinten. Ich kann sein Grinsen erahnen, denn er zündet schon wieder den Turbo. Mit einem satten Schmatzen wühlen sich unsere Reifen durch den tiefen Boden, ein Überbleibsel des Unwetters. Ich muss tatsächlich gestehen, mit einem E-Bike, noch dazu vollgefedert, macht eine derartige Trail-Jagd deutlich mehr Spaß als erwartet. Die Boliden liegen satt, das Fahrwerk schwebt förmlich über Wurzelpassagen hinweg. Und dank des Boosters am linken Daumen braucht man nie zu befürchten, im Morast stecken zu bleiben. So spielen die Zusatzwatt ihren Reiz voll aus. Zwischen dem Kurort Hahnenklee und Clausthal-Zellerfeld ziehen sich endlose Pfade durch den Wald. Wassergräben verbinden etliche kleine Teiche. Die Narben des Bergbaus, der bis Anfang des letzten Jahrhunderts im Harz intensiv betrieben wurde. Im Bergbau-Museum am Rammelsberg in Goslar kann man einen tiefen Blick in diese erzhaltige Vergangenheit werfen.

Kleines, aber feines Netzwerk für E-Mountainbiker

Abgesehen von seiner ausgeprägten Affinität zu Feuchtbiotopen, lässt es Alex ganz schön krachen. Und das, obwohl er erst vor zwei Jahren zum Mountainbiken gekommen ist, durchs E-Bike. Der Funke sprang sofort über. „Das war es, wonach ich lange gesucht hatte“, erzählt Alex von seinem Start ins Biker-Leben. „Das E-Bike hat mir die Möglichkeit eröffnet, neben meinem stressigen Job, Sport zu machen. Dazu einen, der richtig Laune macht.“ Bereits nach wenigen Touren hatte Alex die unendlichen Möglichkeiten des Reviers vor seiner Haustüre realisiert – und eine Vision reifte heran, die er als Gastronom bereits täglich verwirklicht: Das Eiche-Rustikal-Image des Harz’ zu entstauben. Ein kleines, aber feines Netzwerk für E-Biker soll die sportliche Seite des Harz’ repräsentieren. Mit ausgewiesenen Einkehrmöglichkeiten inklusive Ladeplatz. „Man könnte sogar Akku-Wechselstationen einrichten, damit Biker auf langen Touren nicht so lange warten müssen“, spinnt Alex seine Ideen weiter. Da trifft es sich gut, dass hinter der nächs­ten Biegung plötzlich der Brocken vor uns auftaucht. Denn zum höchsten Harzberg hat Alex ein eher zwiespältiges Verhältnis. Sicher, als ehemaliger Grenzberg zwischen Deutschland und der DDR ist die Symbolwirkung der kahlen Kuppe unbestritten. Jedoch ist Alex nicht der einzige Local, der von einer Bike-Tour über den 1141 Meter hohen Hexengipfel eher abrät. Er spricht von Massentourismus, angefangen beim gekünstelten Almhütten-Charme der SB-Restaurants, bis hin zu den autobahnbreiten Wegen auf den Gipfel. Singletrails gibt es dort oben nur vereinzelt, und wenn, dann werden Biker von Verbotsschildern ausgebremst. Wie zum Gegenbeweis biegen wir auf den nächsten Flowtrail ab. Der Wald umhüllt uns wieder wie eine grüne, flauschige Decke. In der Luft liegt der süßliche Duft von Tannenholz. Wie Spots in einem Theater fallen einzelne Sonnenstrahlen durch das Blätterdach und beleuchten unsere Pfadspur, die direkt ins Paradies zu führen scheint.

Als Mountainbiker muss man nicht auf den Brocken. Die schönsten Trails findet man in den Randgebieten des Harz’.Foto: Matthias RotterAls Mountainbiker muss man nicht auf den Brocken. Die schönsten Trails findet man in den Randgebieten des Harz’.

„Die besten Trails findest Du am Nordrand des Harz’“, sagt auch Klaus Siedentopf. Der drahtige Local ist mit sechzig Jahren immer noch ein wilder Hund, der in jeder freien Minute auf dem Bike sitzt. Bis zu Zehntausend Jahreskilometer sind bei dem Senior-Master – immerhin Finisher bei der Trans Germany – keine Seltenheit. Als ihm vor zwei Jahren nach einer übereilt auskurierten Herzmuskelentzündung das E-Biken quasi vom Arzt verordnet wurde, fiel er zuerst in ein emotionales Tief. Inzwischen kann er wieder lachen. „Das war das Beste, was mir passieren konnte! Jetzt kann ich mich dosiert auspowern und habe noch mehr Spaß am Bike-Sport.“ Selbst in der Mittagspause dreht er oft eine schnelle Trail-Runde über den Steinberg, der wie eine Achterbahn von schmalen Pfaden überzogen ist. Aber Klaus kennt nicht nur jeden Weg in seinem Heimrevier, sondern auch zahlreiche Geschichten über den Harz. Weshalb ihm Alex gerne als Guide seine bikenden Gäste anvertraut. Am nächsten Tag will er uns ein Best-of seiner Lieblings-Trails zeigen. Die Akkus sind randvoll, als wir am Stadtrand von Goslar die ersten Steigungen hinaufpreschen. Unglaublich, welch steile Rampen man im Boost-Modus meistern kann. Doch Klaus zügelt unser Temperament: „Haushalten mit der Energie! Wir haben noch zig Berge und Kilometer vor uns.“

Die meisten Trails unserer drei Revierguide-Touren zeigen sich angenehm flowig.Foto: Matthias RotterDie meisten Trails unserer drei Revierguide-Touren zeigen sich angenehm flowig.

Die Wellenfahrt führt uns über unzählige Pfadabschnitte bis hinter Bad Harzburg. Einige Male kreuzen wir die ausgeschilderten Bike-Routen des Touren-Netzes mit dem skurrilen Namen Volksbank Arena Harz. Auf über 2000 Kilometern Länge bietet es fast unbegrenzte Möglichkeiten, das Gebirge mit dem Bike zu erkunden. Dank der pfadfinderischen Fähigkeiten von Klaus ist auch unser Rückweg gespickt mit launigen Trails und Waldwegen. Sogar einen Tipp für den Brocken hat unser Guide: „Am besten startet man an der Marienteichbaude, umrundet die Ecker-Talsperre nördlich und klettert auf dem sogenannten Hirtenstieg zum Gipfel.“ Die ehemalige Panzerstraße ist unglaublich steil und sogar mit E-Unterstützung eine Herausforderung.

Am Ende sitzen wir ziemlich geschafft in grandioser Fachwerk-Kulisse auf dem Marktplatz in Goslar. Die Sonne kitzelt in der Nase, Kaffee und Kuchen schmecken – Rentner-Modus hin oder her – ganz vortrefflich. Vier Tage haben wir nun den Nordharz erkundet. Und dabei nicht annähernd die Möglichkeiten ausgeschöpft, die das Touren-Netz bietet. Ein Höllenspaß, ganz ohne Gipfelsturm auf den Brocken. Okay, ein paar mehr Schlammlöcher hätten’s vielleicht sein dürfen.

Download der GPS-Daten:

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