Radreise HarzFahrradtour durch den Harz: Auf Goethes Spuren durchs Mittelgebirge

Sven Bremer

 · 05.01.2024

Start- und Endpunkt der Radreise ist Goslar mit seiner sehenswerten Altstadt
Foto: Martin Kirchner
Auf den Spuren Goethes hat Reiseautor Sven Bremer seine Fahrradtour durch den Harz geplant. Und dabei absichtlich die kleinen, unbekannten Forstwege mitten durch den Wald gewählt.

Ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe war auch schon mal da. In den 1770er Jahren bereiste der große deutsche Dichter den Harz. Und er war so angetan, dass er Jahre später zu einer zweiten und dritten Harzreise aufbrach. Ein gewisser Sven Bremer war rund zweihundert Jahre später zum ersten Mal im Harz. Bei den Alpinen Skimeisterschaften gewann er am Andreas-Schmidt-Berg zu St. Andreasberg den Slalom-Wettbewerb der männlichen Jugend. Rein sportlich betrachtet hatte er also gute Erinnerungen. Ansons­ten war er vom Harz wenig begeistert. Irgendwie kam ihm alles ein wenig piefig, trist, grau und wenig einladend vor. Aus den Schaufensterscheiben grinsten schaurig-kitschige Hexen aus Plüsch und Plastik, die gutbürgerliche Küche war allenfalls bürgerlich, aber nicht gut.

Fast 40 Jahre später war es an der Zeit zu überprüfen, was an den arg verblichenen Erinnerungen aus der Jugendzeit dran ist. Zu Fuß, wie Goethe überwiegend unterwegs war, kam nicht in Frage, Kutschen verkehren nur noch selten, also machten wir uns auf zu einer Radtour durch den Harz. Und stellten fest, dass unsere geplante Route weitgehend auf den Spuren Goethes verlaufen sollte. Nur auf den Brocken haben wir es – im Gegensatz zum wandernden Dichter – nicht geschafft.

Goslar im Harz mit seiner schönen Fachwerk-Altstadt ist UNESCO-WeltkulturerbeFoto: Martin KirchnerGoslar im Harz mit seiner schönen Fachwerk-Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe

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Start in Goslar: Fahrradtour durch den Harz

Unsere Tour startet in Goslar. Goethe fand, die Stadt sei etwas heruntergekommen. Heute ist sie mächtig herausgeputzt und Touristen aus aller Herren Länder flanieren durch die hübschen Gassen. Wir radeln von Goslar aus zur Innerstetalsperre und weiter immer entlang des namensgebenden Flusses in Richtung des Bergstädtchens Wildemann. Spätestens hier sind die Bilder vom tristen Harz gelöscht. Einige der traditionellen Holzhäuser haben einen bunten Anstrich bekommen, die Sonnenstrahlen verwandeln den Bach in ein silbernes Band.

Bei meinem ersten Besuch im Harz vor rund 40 Jahren, kam mir alles piefig und trist vor. Seine zweite Chance hat der Harz bei mir genutzt. Es hat mir verdammt gut gefallen. Reiseautor Sven Bremer

Weiter geht es nach Clausthal-Zellerfeld. Zu Goethes Zeiten waren Clausthal und Zellerfeld noch zwei autarke Bergstädte, die miteinander konkurrierten. Heute ist die Geschichte des Bergbaus im Oberharzer Bergwerksmuseum im vereinten Städtchen zu bestaunen. Aber wir haben es ein wenig eilig, weil wir in Goslar so lange durch die Weltkulturerbe-Gassen gebummelt sind, und rasen deshalb hinunter, um von der Okertalsperre aus auf einem Waldweg hinüber nach Torfhaus zu gelangen.

Idyllisch: der Wasserläuferteich bei Clausthal-Zellerfeld. Der Bergbauteich wurde zur Wasserversorgung der umliegenden Erzgruben angelegt.Foto: Martin KirchnerIdyllisch: der Wasserläuferteich bei Clausthal-Zellerfeld. Der Bergbauteich wurde zur Wasserversorgung der umliegenden Erzgruben angelegt.

Es duftet nach frisch geschlagenem Holz, das Kellwasser murmelt und gurgelt sich durch den dichten Fichtenwald, Vögel landen auf den moosbewachsenen Steinen am Ufer, nehmen ein Bad und fliegen weiter. Irgendwo in der Ferne klopft ein Specht. Am Wegesrand stehen dichte Brombeer-Hecken, im Dickicht finden wir Blaubeer-Sträucher und wir naschen ausgiebig von den Vitaminbomben.

Wir sind froh, uns die Karte genau angeschaut zu haben, wir sind heilfroh, dass wir uns getraut haben, die Strecke durch den Harz so oft wie möglich auf Forst- und Waldwegen zurückzulegen. Wir radeln dort entlang, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, wobei es im Harz heißen müsste: wo sich Luchs und Hase „Gute Nacht“ sagen“. Denn seit 2000 wurde der Luchs wieder in den Harzer Wäldern angesiedelt.

„Willkommen in der sagenumwobenen Berglandschaft“ ist auf den Hinweisschildern im Naturpark Harz zu lesen. „Willkommen in der Zivilisation.“ Das Schild steht zwar nirgends, aber das denken wir uns, als wir bei Torfhaus die Bundesstraße 4 kreuzen. Dort grüßt das Dröhnen der Autos und vor allem das Geknatter der Motorräder; dicke Männer auf dicken Maschinen.

Die Bergwiesen des Oberharzes erinnern fast an das bayerische Voralpenland

Als Goethe damals an Torfhaus vorbeikam, wurde er von dem Gedröhne verschont, aber was er vielleicht genau so genossen hat wie wir: Von hier hat man mehrfach freien Blick auf den Brocken. Der macht seinem Namen alle Ehre, und ausnahmsweise liegt der 1141 Meter hohe Gipfel mal nicht im Dunst. Wir winken im Vorbeifahren, schließlich sind wir verabredet.

Nach St. Andreasberg machen wir auf „Harzer Roller“, mit Tempo 65 rollen wir vom Oderteich aus hinunter. Fast 40 Jahre ist er her, dass ich hier war. Die Bilder aus der Jugendzeit fügen sich puzzleartig zusammen, als ich den Blick über das Bergstädtchen und die umliegenden Hügel schweifen lasse. An die Skipisten kann ich mich gut erinnern, genau so wie an die Hauptstraße im Ort. Die Attraktion ist die Grube Samson, einst eines der tiefsten Bergwerke der Welt. Heute ist dort die letzte funktionstüchtige Fahrkunst der Welt zu besichtigen, mit der die Bergleute in die Grube einfuhren. Goethe war natürlich auch da und vermerkte in seinem Tagebuch: „Fuhr ein und mit Gottes Gnade wieder aus. Ward mir sehr sauer“. Wir lassen das lieber sein und essen stattdessen gutbürgerlich zu Abend und diesmal nicht nur bürgerlich, sondern auch gut.

Am nächsten Morgen stehen wir am Oderberg und sind uns nicht ganz einig über die Route. Während wir die Nase in die Karte stecken, hält ein Bauer neben uns und entpuppt sich als 1a-Pfadfinder. Mit seiner Hilfe finden wir eine weitere fantastische Strecke mitten durch den Wald.

Zwischen Walkenried und Ellrich weisen uns die Schilder auf die Teilung Deutschlands hin, während wir gemütlich am südlichen Harzrand entlanggondeln. Goethe machte damals in Ilfeld Station, wir fahren lieber weiter bis nach Stolberg. Weil weder die Bomben des Zweiten Weltkriegs noch die bisweilen gnadenlose Bauwut der DDR-Bonzen den Ort verschandelt haben, fühlt man sich hier ins Mittelalter zurückversetzt.

Von der schmucken Fachwerkstadt geht es ins Bodetal und von dort weiter in Richtung der Baumannshöhle in Rübeland, deren bizarre Tropfsteingebilde Goethe aufs Höchste faszinierten. Nach einem heftigen Schauer radeln wir nach Blankenburg, einmal mehr mitten durch den Wald. Nach dem Guss fällt das Sonnenlicht durch die Bäume, zaubert Muster auf den Weg und lässt die Tropfen in den Bäumen glitzern wie das Silber, das die Bergleute einst aus den Harzer Stollen zutage förderten.

Wernigerode wird auch als “Bunte Stadt am Harz” bezeichnetFoto: Martin KirchnerWernigerode wird auch als “Bunte Stadt am Harz” bezeichnet

Nach Wernigerode befahren wir ein Teilstück des Europaradwegs 1. Aber weil hier gerade Stadtfest ist, wird aus der „bunten Stadt am Harz“ mit fortgeschrittener Stunde die „blaue Stadt am Harz“. Wir bleiben nüchtern, schließlich wollen wir am nächsten Tag den Brocken erklimmen. Das raue Klima auf dem Gipfel, so sagen Wissenschaftler, entspricht ungefähr dem von einem Dreitausender in den Alpen. Im Brockengarten gedeihen Hochgebirgspflanzen wie das Edelweiß. Genug gegossen werden sie anscheinend auch, denn je näher wir dem Brocken kommen, desto schlechter wird das Wetter. In Schierke regnet es junge Hunde und wir entscheiden uns gegen die Gipfeltour. Stattdessen fahren wir entlang der Kalten Bode. Uns wird alsbald ganz schön warm, denn nach ein paar gemütlichen Kilometern am Ufer des Flüsschens mutiert der Forstweg zu einem Singletrail über Stock und Stein hinauf auf über 900 Meter. Mitradler Martin hat sich oben am Berg noch geärgert, dass wir die 4000er-Marke bei den Höhenmetern nicht ganz knacken konnten. Aber in Okertal führt uns der Radweg noch einmal hinauf und am Ende stehen bei rund 275 Kilometern satte 4070 Höhenmeter auf dem Radcomputer.

Goethe war in der Grube Samson tief unter der Erde, und er war auf dem höchsten Gipfel des Harzes. Beides haben wir nicht geschafft. Aber alles dazwischen hat uns verdammt gut gefallen; der Harz hat seine zweite Chance bei mir genutzt. Schließlich haben wir es ja auch so gemacht, wie der alte Goethe es vorgeschlagen hatte: „Willst du dich am Ganzen erquicken, so muss du das Ganze im Kleinsten erblicken.“

GPS-Daten zur Radreise

Die GPS-daten zur Radreise durch den Harz können Sie hier kostenlos herunterladen oder finden Sie in der MYBIKE Collection bei komoot

Infos & Tipps zur Radreise durch den Harz

Die rund 275 km lange Route startet und endet in Goslar und verläuft in weiten Teilen auf autofreien Forst- oder Wirtschaftswegen inmitten der herrlichen Landschaft oder auf verkehrsarmen Landstraßen, manchmal auf so genannten straßenbegleitenden Radwegen.

Die Beschilderung lässt bisweilen arg zu wünschen übrig; auf die klassischen Radwegschilder (grüne Schrift auf weißem Grund) kann man sich nur bedingt verlassen. Wir haben uns überwiegend an den Hinweisen für Wanderer orientiert. Bis auf den Abschnitt zwischen Schierke und Oderteich (nur für ambitionierte und MTB-erfahrene Radler zu empfehlen) sind die Forstwege sehr gut mit einem normalen Trekkingbike zu befahren. Die Steigungen sind bis auf wenige Ausnahmen moderat.

Anreise

Bahn: Von Hannover aus erreicht man Goslar mit der Regionalbahn in gut einer Stunde. Infos unter www.bahn.de

Auto: Aus Norden und Nordwesten kommend über Hannover auf der A7 bis Abfahrt 66 (Rhüden/Harz) und dort auf B82 und schließlich B6 nach Goslar. Aus Richtung Westen und Süden ebenfalls von der A 7 abfahren Richtung Goslar. Wer aus dem Südosten kommt, der fährt am besten auf der A14 Richtung Magdeburg und bei Bernburg via Quedlinburg und Wernigerode über die B6 nach Goslar.

Sehenswertes entlang der Radroute durch den Harz

Der Harz wartet gleich mit mehreren UNESCO-Welterbestätten auf. Das Bergwerk Rammelsberg, die historische Altstadt von Goslar und die einzigartige Oberharzer Wasserwirtschaft – das weltweit größte und bedeutendsten vorindustrielle Energieversorgungssystem – teilen sich das Weltkulturerbe-Prädikat. Während der Altstadt von Quedlinburg mit ihren mehr als 1000 Fachwerkbauten ganz alleine die Ehre zuteil wurde. Die Fachwerkstatt Wernigerode mitsamt des pompösen Schlosses ist ähnlich schön, Stolberg ist ebenfalls ein Kleinod in Fachwerk.

Beeindruckend auf einem Felsen oberhalb des Selketals liegt die Burg Falkenstein, eine der am besten erhaltenen Mittelalter-Burgen in ganz Deutschland. Am besten per pedes erkundet man das wildromantische Bodetal, den steilsten und schroffsten Canyon nördlich der Alpen. Die besten Ausblicke hat man vom Hexentanzplatz und dem etwas mehr als 400 m hohen Granitfelsen Roßtrappe. Eine Attraktion unter der Erde sind die Rübeländer Tropfsteinhöhlen.

Unterkunft-Tipps für Radfahrer im Harz

Stolberg: Naturressort Schindelbruch, www.schindelbruch.de
Exklusive, mitten im Wald gelegene Hotelanlage mit mehreren Restaurants sowie Wellness & SPA-Bereich

Hotel Stolberger Hof, www.stolbergerhof.de
Mitten im Ort gelegen, sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis, freundlicher Service

Wernigerode: Hotel am Anger, www.hotel-am-anger.de
Zentral gelegen, aber nichts Besonderes. Freundlicher Service und schöner Ausblick aufs Schloss.

Goslar: Hotel garni Die Tanne, www.die-tanne.de
Bett+Bike Betrieb zentral gelegen. Üppiges Frühstücksbüffet im Preis inbegriffen, Saunabereich.

St. Andreasberg: Hotel garni Vier Jahreszeiten, www.hochharzhotel.de
Bett+Bike-Betrieb, Familienbetrieb etwas abseits des Ortszentrums, Hallenbad uns Sauna

Essen und Trinken

Die Harzer Küche kommt zumeist herzhaft und gutbürgerlich daher: deftige Würste, Wild, Forellen aus den glasklaren Bächen, Pilze aus den Wäldern und vor allem der Harzer Käse zählen zu den traditionellen Spezialitäten. Am bekanntesten dürfte der durchaus gewöhnungsbedürftige mit Kümmel gewürzte Harzer Käse sein, auch „Harzer Roller“ genannt. Zu allen deftigen Gerichten empfiehlt sich im Harz ein Bier der Brauerei Hasseröder oder aus dem traditionsreichen Brauhaus zu Altenau im Oberharz.

Unser Tipp: Das Orchidea Huong in Wernigerode zählt sicherlich zu den besten asiatischen Restaurants in den neuen Bundesländern. Empfehlenswert ist das japanisch-vietnamesische Fünf-Gänge-Menü. www.orchidea-huong.de

Literatur und Karten

Fahrradkarten aus dem Schmidt-Buch-Verlag (jew. Maßstab 1:50.000, 12,95 Euro),
www.schmidt-buch-verlag.de

Bikeline-Radkarte Harz (1:75.000, 6,90 Euro), www.esterbauer.com

Kompass Rad- und Wanderkarten Harz (jew. Maßstab 1:50.000, 10 Euro), www.kompass.de, www.harz-wanderkarten.de

Die wichtigsten Infos zu Land und Leuten, Sehenswürdigkeiten und den einzelnen Regionen stehen im Marco-Polo-Reiseführer Harz, www.marcopolo.de

Auskunft / Planung

Harzer Tourismusverband, Marktstraße 45, 38640 Goslar, Tel. 05321/34040, www.harzinfo.de, Alles Wissenswerte zum Nationalpark Harz unter www.nationalpark-harz.de

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