Rote Erde: Die Sandstein-Trails, die sich unter knorrigen Kiefern um skurrile Felszacken und durch tausendjährige Burgruinen bis in die Winzerdörfer aus Fachwerk hinunterschlängeln, machen den Pfälzerwald zu einem absoluten Topspot für Biker. Das Beste: Auf dem insgesamt 900 Kilometer langen und ausgewiesenen Wegenetz des Mountainbikeparks Pfälzerwald ist jeder Meter legal, und die Trails sind auch nach Regen blitzschnell wieder trocken – eher feucht-fröhlich geht’s dagegen beim Après-Bike in den Dörfern am Deutschen Weintor zu...
Die große Runde durch den südlichen Pfälzerwald startet in Vorderweidenthal und führt durch eine von Buntsandstein geprägte Waldlandschaft. Streckendaten insgesamt: 68,8 Kilometer und 2600 Höhenmeter. Die Trail-Abschnitte haben fast durchgehend einen Schwierigkeitsgrad von S1 und sind daher auch für Einsteiger gut fahrbar. Mit gelegentlichen, kurzen S2/S3-Passagen (Felsstufen, Rampen und Wurzeln) muss man aber rechnen.
Vom Parkplatz am Friedhof in Vorderweidenthal geht’s gleich stramm hinauf zur Burgruine Lindelbrunn mit der Waldgaststätte Cramerhaus. Man kurbelt weiter bergauf zum Vogelkopf, wo das erste Fahrtechnik-Highlight des Tages wartet: ein feiner Singletrail, der mit einer engen Felsdurchfahrt am Kellerfels beginnt und bis zum Klingbach führt. Über die Silzer Linde geht’s auf einsamen Waldwegen nach Blankenborn, dann auf einem langen und flowigen Singletrail hinunter nach Bad Bergzabern. Nach der Mittagspause in dem kleinen Kurort fährt man parallel zur Straße nach Böllenborn und hoch zum Wanderparkplatz Drei Eichen. Über Farrenberg und Großberg herum rollt man auf besten Waldfahrbahnen hinunter nach Oberotterbach und durch die Weinberge ins Winzerörtchen Schweigen-Rechtenbach. Übernachten kann man z. B. im Hotel Schweigener Hof direkt am Deutschen Weintor. Übernachtungs-Infos unter www.schweigen-rechtenbach.de
Die GPS-Daten zu Etappe 1 können Sie hier im Delius Klasing Tourenportal downloaden:
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Achterbahnfahren und Fahrtechnikhäppchen im Bergzaberner Land: Der zweite Touren-Tag beginnt mit dem Grenzgänger-Weg, der im ständigen Auf und Ab an alten Grenzsteinen direkt an der Grenze zu Frankreich entlang zum Oberen Abtskopf führt. Von hier oben fährt man rasant auf breitem Waldweg oberhalb von St. Germanshof zur Landesstraße. Auf schmalem Trail geht’s nun lang bergauf. Die Spitzkehren am Ende sind Herausforderungen für Könner. Man durchquert den Mundatwald und kommt zum Steinernen Tisch. Hier geht es erst sehr technisch, dann flowig hinunter zum Wanderparkplatz Drei Eichen (siehe Tag 1). Anschließend zur Landesstraße hinunter und auf einsamen Waldwegen am Hohlstein vorbei nach Lauterschwan und am Ende über den Hirschberg zurück zum Ausgangspunkt in Vorderweidenthal.
Die GPS-Daten zur 2. Etappe der Tour können Sie im Delius Klasing Tourenportal downloaden:
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Zwischen Guttenberg in der Südpfalz und Kalmit im Norden gibt es 15 Naturzeltplätze. Der Clou dabei: Sie sind alle geheim. Man bucht auf www.trekking-pfalz.de eine Nacht im Wald, bezahlt online und erhält die exakten GPS-Daten aufs Smartphone. Die Naturzeltplätze bieten Klohäuschen und Feuerplatz. Unser idyllischer Übernachtungsplatz lag in einer Buchenwaldlichtung nahe der Burgruine Guttenberg. Dafür nahmen wir zehn Extra-Minuten gern in Kauf.
Patrick Wiedemann ist der Hausmeister im Pfälzerwald. Keiner kennt das Revier besser als der Chef der Fahrtechnikschule Trailrock. Zudem vermietet er in Dahn seine Trailrock Lodge mit Schlafplätzen für bis zu zehn Biker. Infos: trailrock-lodge.de
Der Wald. Sinnbild der Seelenruhe von Mutter Erde. Gleichermaßen Alptraum und Spielplatz kleiner und groß gewordener Kinder. Auch für mich hatte der Wald schon immer eine ganz besondere Anziehungskraft. Beruhigend auf der einen Seite, aber irgendwie auch furchteinflößend. Der Wald ist tief in der menschlichen Gedankenwelt verankert als ein verboten-begehrlicher Ort. Schattenreich und Freiraum zugleich. Hier lauscht man dem Konzert der Vögel, aber auch der göttlichen Stille. „In den Wald gehe ich, um meinen Verstand zu verlieren und meine Seele zu finden“, sagte einst John Muir (1838–1914), einer der Urväter des Naturschutzes. Gerade in diesen Zeiten keine so schlechte Idee. Eine, der immer mehr Mountainbiker folgen. So auch ich. Deshalb rufe ich meinen Kumpel Patrick an, der direkt an Deutschlands wohl größtem Waldspielplatz für Biker wohnt. Kaum zu glauben, aber ein Drittel der gesamten Republik ist bewaldet. Und im Südwesten des Landes liegt wie tiefenentspannt der sonnenbeschienene Pfälzerwald: flächenmäßig unser größtes Sauerstoffkraftwerk.
Allein das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen ist fast so groß wie das Saarland. Und besonders eindrücklich wird das Erlebnis in diesem Wald, wenn man sich ihm eine Nacht lang anvertraut. Genau das habe ich vor: Eine Nacht lang unter dem dichten Dach aus Buchenblättern den Klang der Stille genießen – wären da nicht die Waldgeister, die mir im Dunkel der Nacht noch ihre Streiche spielen werden. „900 Kilometer für Pfadfinder.“ Der Marketing-Claim des Mountainbikeparks Pfälzerwald klingt vielversprechend. Und wer schon mal hier war, weiß, dass mit Pfaden wirklich keine öden Forstwege gemeint sind. Die Pfalz ist durchzogen von einem schier endlosen Netz aus feinsten Singletrails. Und anders als jenseits der Rheinebene, in Baden-Württemberg, werden Biker hier auch nicht von einer Zwei-Meter-Regelung gegeißelt. Im Gegenteil. Die Pfälzer geben sich ebenso gemütlich wie biker-freundlich. „Hier kann es dir passieren, dass ein Wanderer sagt: ,Fahr’ doch nicht hier runter, da vorne gibt’s noch einen viel besseren Trail!‘“, erzählt Michèle. Eine Downhill- und Enduro-Racerin, die meist nur Mitch genannt wird. Sie gibt nebenher Fahrtechnikkurse in Patricks Bike-Schule, wohnt in Trier und hat eigentlich einen ganz normalen Bürojob – ist aber deutlich öfter draußen anzutreffen. Klar, wer den GR20 auf Korsika, einen der härtesten Fernwanderwege Europas, alleine und in zehn Tagen bewältigt, kann nicht viel Zeit am Schreibtisch verbringen. Ihren eher taffen Spitznamen trägt sie nicht umsonst.
Bei unserem Tour-Start im kleinen Dörflein Vorderweidenthal übernimmt Mitch direkt die Zügel und checkt erst mal meine Ausrüstung: „Zelt, Schlafsack, Iso-Matte?“ Ja, hab’ ich dabei. „Feuerzeug?“ Logo. „Kochbesteck und Mülltüte?“ Sicher! Die vollgepackten Rucksäcke lassen die Dämpfer beim Probesitzen leise schmatzen. Patrick muss erst noch nachpumpen. Aber dann rollen wir endlich los. Vom Friedhof – hoffentlich kein schlechtes Omen – geht’s ohne Vorgeplänkel direkt zur Sache: rauf zur weithin sichtbaren Burg Lindelbrunn. Und nach einer kurzen Verschnaufpause an der Waldgaststätte Cramerhaus weiter bergauf zum Vogelskopf. Hier zeigt sich erstmals die skurrile Naturarchitektur des Pfälzerwaldes: Wasser, Wind und Wetter haben den weichen Sandstein zu außergewöhnlichen Skulpturen geformt.
Der Kellerfels am Vogelskopf ist so ein Gebilde. Dieser natürliche Torbogen bildet das standesgemäße Starttor in eine dieser sagenumwoben-schönen Singletrail-Abfahrten im Pfälzerwald. Hier sind Patrick und Mitch voll in ihrem Element, nutzen natürliche Rampen für kleine Sprünge und lassen die Hinterräder im hohen Bogen gekonnt um die Serpentinen schweben. Unten an der Straße am Klingbach angekommen, klopfen wir uns staubig rote Erde von den Hosen. Ein Hauch von Moab heizt unsere Lust auf das kommende Abenteuer noch an. Zwei Stunden schlängeln wir uns weiter durch die schier endlosen Singletrail-Schleifen, bis wir schließlich unseren Lagerplatz erreichen.
Tatsächlich ist es im Pfälzerwald offiziell erlaubt, eine Nacht unterm Sternenzelt zu verbringen und standesgemäß ein Feuer zu machen. Möglich machen es legale Trekking-Plätze. Zwischen Kalmit, dem Hausberg von Neustadt an der Weinstraße, und dem Bergzaberner Land im Süden des Pfälzerwaldes verstecken sich 15 solcher Naturzeltplätze. Ihre genaue Lage wird streng geheim gehalten. So fühlt man sich samstagabends nicht wie am Potsdamer Platz, sondern eher wie auf einer einsamen Insel. „Du buchst online“, erzählt Patrick. „und sobald Du die 10 Euro Gebühr pro Nase überwiesen hast, erhältst Du die GPS-Daten Deiner Biwakstelle.“ Einfach und genial! „Den Reichtum eines Menschen kann man an den Dingen messen, die er entbehren kann, ohne seine gute Laune zu verlieren“, zitiert Mitch den Vordenker des Aussteigertums Henry David Thoreau. Und zwar genau in dem Moment, als uns einfällt, dass wir unser Zelt noch aufbauen müssen. 1900 Extra-Gramm, die wir uns eigentlich auch hätten sparen können. Schlafsack und Iso-Matte reichen hier unter den alten Buchen eigentlich völlig aus. Doch dann erzählt Patrick von einer einst durchlebten Horrornacht, in der sich eine Ameisenstraße von einem Ohr zum anderen zog – und das überzeugt auch Mitch von der Notwendigkeit, das Zelt doch noch aufzustellen.
Wir sitzen noch lange am gemütlich knisternden Buchenholzfeuer. Und die Gewissheit netter Gesellschaft sowie ein Beruhigungs-Radler halten die dunklen Gedanken noch für ein paar Stunden aus meinem Kopf fern. Doch als mit Erlöschen des Lagerfeuers auch mein Sehsinn ausgeknipst wird, erwachen die anderen Sinne zum Leben. Ich rieche die langsam faulenden Pflanzen im Humus, höre Insekten krabbeln. Ein Rascheln, ein leises Schnaufen, ein Schmatzen. Kleine Jäger auf der Pirsch. Ein kleiner Hitchcock-Streifen läuft da in meinem Kopf ab. Ist da wer? Wohl kaum. Wer würde an einem Samstagabend zwei Stunden lang durch den dunklen Wald pirschen, um drei unschuldige Biker zu meucheln? Doch leider steht in meinem Kopfkino heute keine Komödie, sondern nur Horror auf dem Programm. Wirre Pfalzfantasien geistern die halbe Nacht durch meinen Kopf. Ein Alptraum.
Irgendwann zucke ich aus dem Halbschlaf. Ich müsste mal, hab’ aber keinen Bock auf das Plumpsklo. Im Schlafsack ist’s einfach zu warm. Bestimmt dämmert es sowieso bald. Meine Müdigkeit muss letztendlich über den Harndrang gesiegt haben. Jedenfalls wache ich erst richtig auf, als bereits die Sonne durch das Buchendach blinzelt. Eigentlich wollten wir längst schon wieder im Sattel sitzen und den Grenzgängerweg abreiten. Ein Trail, der sich an den Grenzsteinen nach Frankreich entlanghangelt und im Auf und Ab bis zum 420 Meter hohen Oberen Abtskopf führt. Auch ein langer Anstieg auf schönem Singletrail steht auf dem Programm. Das geht nicht ohne Mokka zum Frühstück, finde ich. Leider gibt’s dazu nur unsere angeknabberten Power-Riegel von gestern. Getreu dem Motto „Verlasse Deinen Biwakplatz sauberer, als Du ihn vorgefunden hast“, hängen wir noch eine Müllsammelaktion dran, stopfen alles in die übervollen Rucksäcke und überlassen den Eichelhähern und Spatzen wieder ihr Revier. Als wir endlich losrollen in Richtung Zivilisation, keckern sie uns wild hinterher – fast so, als seien sie froh, den Wald endlich wieder für sich allein zu haben.