Biken im OdenwaldDie 3 Top-Trailtouren im Revier-Guide Eberbach

Matthias Rotter

 · 28.07.2023

Sieht idyllisch aus, aber mental bereiten sich die beiden gerade auf die nächste Trail-Vertikale am Breitenstein vor.
Foto: Matthias Rotter
Die Gemeinde Eberbach liegt im Odenwald, ziemlich nah an der hessischen Grenze, aber leider eben doch auf der Seite Baden-Württembergs. Sprich: Im Land der Zwei-Meter-Regelung. Das hielt die Locals aber nicht davon ab, bei den Behörden für freie Mountainbike-Trails zu kämpfen. Und: Tataaa! Insgesamt 12 legale Trails feierten jetzt Eröffnung. Wir durften die brandneuen Enduro-Erlebnispfade schon mal testen. Hier unsere Eindrücke und drei Touren, die sämtliche Trails optimal miteinander verbinden.

Odenwald: Die 3 besten MTB-Touren von Eberbach

Tour 1: Alle Zwölf

  • Länge: 42,3 Kilometer
  • Bergauf: 1721 Höhenmeter
  • Trail-Anteil: 23 Prozent
  • Schwierigkeitsgrad: schwer
Höhenprofil Tour 1: Alle Zwölf - mehr als eine FeierabendrundeFoto: bike-gps.comHöhenprofil Tour 1: Alle Zwölf - mehr als eine Feierabendrunde

Tourenbeschreibung

Die als Enduro-Rundstrecke ausgewiesene Tour ist wahrlich keine Kaffeefahrt – aber sie führt im Zickzack-Kurs über alle 12 Bikeländ-Trail-Segmente und dabei auch ein paar Mal durch die Stadt. Sollten die Kräfte also schwinden, kann man diese lange Tour abkürzen oder abbrechen und den zweiten Teil am nächsten Tag in Angriff nehmen. Das ist angesichts des wirklich anstrengenden Sägezahnprofils auch keine Schande. Fakt ist, dass nicht nur die zwölf Anstiege in die Beine gehen, sondern auch die Trail-Abfahrten. Achtung: Die farblich gekennzeichneten Schwierigkeitsgrade sind unbedingt ernst zu nehmen! Die Eberbacher Trails sind wirklich anspruchsvoll. Die leichtesten würden wir mit zwei Fahrtechnik-Punkten bewerten, die schwarzen Segmente aber durchaus mit sechs (von sechs).

Startpunkt Neuer Markt neben der Michaelskirche, Parkplätze gibt es am Neckarufer.

Highlights Neben den fordernden Trails sind es vor allem die schönen Aussichtspunkte, die man während der Runde passiert. Besonders die auf dem Itterberg und bei den Steinpyramiden auf dem Breitenstein.

Schlüsselstellen Alle schwarz ausgezeichneten Trails erfordern sehr gutes Fahrkönnen. Bereits die Einstiege in die Segmente fallen oft steil in die Tiefe. Ist man einmal eingefahren, ist Abbruch keine gute Idee. Der teils sandige Untergrund verlangt nach dosiertem Einsatz der Bremsen. Enge Kurven und verblockte, steinige Passagen erfordern schnelle Entscheidungen.

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Einkehr Außer den Gelegenheiten in der Innenstadt wartet im Ortsteil Pleutersbach das Café Lutzki (am Ende des Coffee & Cream-Trails).

Wenn man eine Brotzeit dabei hat, dann wäre hier der perfekte Platz dazu: Die Aussicht vom Itterberg auf Eberbach und Neckar.Foto: Matthias RotterWenn man eine Brotzeit dabei hat, dann wäre hier der perfekte Platz dazu: Die Aussicht vom Itterberg auf Eberbach und Neckar.

Tour 2: Katzenbuckel

  • Länge: 46 Kilometer
  • Bergauf: 1148 Höhenmeter
  • Trail-Anteil: 1 Prozent
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
Höhenprofil Tour 2: Katzenbuckel - Kletterpartie auf den 626 Meter hohen Vulkanschlot.Foto: bike-gps.comHöhenprofil Tour 2: Katzenbuckel - Kletterpartie auf den 626 Meter hohen Vulkanschlot.

Tourenbeschreibung

Wenn die Locals vom Monte Miau sprechen, ist natürlich der Katzenbuckel gemeint. Eine durchaus seriöse Kletterpartie, wenn man von Eberbach aus startet. Denn mit 626 Metern ist der ehemalige Vulkanschlot der höchste Berg des Odenwaldes. Die Tour entspricht der als MTB-Touren-Rundstrecke ausgewiesenen Bikeländ-Strecke, jedoch erweitert um einen Abstecher zum Monte Miau. Als Kontrapunkt zur trail-lastigen Enduro-Runde liegt der Schwerpunkt dieser Tour auf dem Naturerlebnis. Man passiert auf der ersten Hälfte neue Aussichtspunkte am südlichen Neckarufer und das mystische Heiligkreuz Kirchlein auf dem Berg. Eine lange Zwischenabfahrt endet an der Schleuse Rockenau, wo man mit Glück ein Frachtschiff beim Schleusen beobachten kann. Anschließend folgt der lange Anstieg zum Katzenbuckel mit Zwischenstopp beim Pumptrack in Waldkatzenbach. Am Ende der Runde kostet die Welle über den Scheuerberg nochmal ein paar Körner.

Startpunkt Neuer Markt neben der Michaelskirche, Parkplätze gibt's am Neckarufer.

Highlights Vor dem letzten Aufschwung zum Katzenbuckel passiert man den gleichnamigen See, ein ehemaliger Steinbruch. Oben am Gipfel ist der Aufstieg über die Wendeltreppe zur Plattform des Aussichtsturms Pflicht.

Schlüsselstellen Keine. Alle Wege sind ohne größere Schwierigkeiten fahrbar.

Einkehr Die Terrasse der Villa Katzenbuckel am Fuß des Vulkanschlots bietet ein überragendes Panorama über den Odenwald

Am Michelsberg (Südosthang des Katzenbuckels) trifft man auf einen See, der einst ein Steinbruch war.Foto: Matthias RotterAm Michelsberg (Südosthang des Katzenbuckels) trifft man auf einen See, der einst ein Steinbruch war.

Tour 3: Neckarschleife

  • Länge: 42,3 Kilometer
  • Bergauf: 1206 Höhenmeter
  • Trail-Anteil: 15 Prozent
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
Tour 3: Neckarschleife - Odenwald Höhenwege mit Panorama und Trails nach Hessen hinüber.Foto: bike-gps.comTour 3: Neckarschleife - Odenwald Höhenwege mit Panorama und Trails nach Hessen hinüber.

Tourenbeschreibung

Bei Hirschhorn, etwa neun Kilometer flussabwärts von Eberbach, dreht der Neckar seine wohl verrückteste Schleife. Um mehr als 180 Grad wechselt der Fluss hier seine Richtung und umschlingt den Ortsteil Ersheim. Den herrlichen Blick auf dieses Naturschauspiel hebt sich diese Tour aber bis fast zum Schluss auf. Wie es sich eben für ein Highlight gehört. Fast die gesamte Strecke verläuft im benachbarten Bundesland Hessen. Hier gilt zwar nicht die 2-Meter-Regel, aber Rücksicht auf Wanderer ist Ehrensache! Gleich nach dem Start schwingt sich der Weg wieder auf die Höhen den Odenwaldes, wo die typischen Hochebenen immer wieder schöne Panoramen eröffnen. Wie zum Beispiel am Segelflugplatz Rothenberg. Eine weitere Kletterpartie folgt nach Querung des idyllischen Finkenbachtals. Die Trail-Abfahrt nach Hirschhorn lässt sich auf einem Schotterweg umfahren, wenn an Wochenenden viele Wanderer unterwegs sind. Tempo drosseln bitte auch auf dem wunderbaren Panoramaweg um die Schleife!

Startpunkt Neuer Markt neben der Michaelskirche, Parkplätze am Neckarufer.

Highlights Ursprünglich eine Burg, wandelte sich das Wahrzeichen Hirschhorns vom Mittelalter bis heute zu einem Schloss.

Schlüsselstellen Bis auf den Trail nach Hirschhorn sind alle Wege ohne größere Schwierigkeiten fahrbar. Dieser hingegen verlangt nach vorausschauender Fahrweise. Je tiefer man kommt, desto steiler wird der Hang. Auf dem letzten Drittel gibt es Spitzkehren und Treppenstufen. Im Eberbacher Maßstab wäre der Trail oben blau und im unteren Teil als rot zu kategorisieren.

Einkehr Die Kaffeemanufaktur in Hirschhorn am Rathaus lockt mit Kuchen, Snacks und eigener Rösterei.

Das Revier Folgt man dem Lauf des Neckar von Heilbronn nach Heidelberg, dann liegt Eberbach am nördlichsten Knick seines Tals. Dort wo die Itter in den Neckar mündet, hat sich ein Kessel gebildet, in den sich die 15.000 Einwohner zählende Kleinstadt schmiegt. Tief haben sich die Flüsse hier in den südlichen Odenwald gegraben und markante Steilufer aus dem Sandstein modelliert. Wie markant, lässt sich an Eberbachs Hausberg vermessen: Der Katzenbuckel ist mit 626 Metern der höchste Berg des Odenwaldes und bildet zur Stadt immerhin einen Höhenunterschied von 500 Metern. Nicht schlecht für ein Mittelgebirge. Die jüngst offiziell eröffneten Hometrails der Eberbacher schlängeln sich links und rechts des Neckars von den Hängen, stets in Sichtweite der Altstadt. Das neu erschaffene „Bikeländ Eberbach“ ist Grund genug, den südöstlichen Teil des Odenwaldes zu entdecken. Denn dieses Touren-Eldorado stand bislang etwas im Schatten des westlichen Odenwaldes, wo die dicht besiedelte Rheinebene für dichteren Bike-Verkehr sorgt.

Odenwald-Gipfel, Neckarschleifen und jetzt auch noch anspruchsvolle Trails: die Gemeinde Eberbach ist um 
12 Enduro-Attraktionen reicher geworden. Das sind die drei besten MTB-Runden. | Karte: Karin Kunkel-JarversOdenwald-Gipfel, Neckarschleifen und jetzt auch noch anspruchsvolle Trails: die Gemeinde Eberbach ist um 12 Enduro-Attraktionen reicher geworden. Das sind die drei besten MTB-Runden. | Karte: Karin Kunkel-Jarvers


Infos & die besten Adressen im MTB-Revier Eberbach

Anreise

Mit der Bahn: Mit seiner Lage an der Strecke der Neckartalbahn (Heidelberg – Heilbronn), ist Eberbach sehr gut per Zug und S-Bahn (von Heidelberg/Mannheim) erreichbar. Außerdem endet in Eberbach die Odenwaldbahn, die von Norden aus dem Raum Frankfurt/Hanau/Darmstadt kommt.

Auto: Eberbach liegt etwas abseits von großen Autobahnen: Die A5 im Rheintal (Ausfahrt Heidelberg), A81 im Osten (Heilbronn –Würzburg) und A6 im Süden (Heilbronn – Heidelberg). Ab Autobahn muss man eine knappe Stunde Fahrzeit über Bundesstraßen einrechnen. Entfernung von Stuttgart 100 km, von Frankfurt/M. 110 km, von Nürnberg 200 km.

Übernachten

BIKE-Tipp: Das Hotel Karpfen liegt mitten in der Altstadt und bietet dennoch Parkmöglichkeiten. Außerdem gibt es eine Garage für Fahrräder (Alter Markt 1, Tel. 06271/806600)

Naturnah am Neckar: Camper schätzen den gegenüber der Altstadt gelegenen Campingplatz Eberbach. Außerdem gibt es zwei Wohnmobil-Stellplätze: In der Au (kostenpflichtig mit Komfort) und Neckarlauer (gratis).
Weitere Unterkünfte von Pension bis Ferienwohnung sind auf der Website der Stadt Eberbach aufgelistet.

Bikeshop

Brands4sport, Friedrichsdorfer Landstr. 50, Tel. 06271/8066180

Das ist Eberbergs erste Adresse wenn‘s um Bikes, Ersatzteile und Reparaturen geht. Ab der offiziellen Eröffnung der Trails im August sind auch Angebote zu den Themen Guiding und Fahrtechniktraining in der Planung.

Trail- und Bikeparks

Neben den 12 neuen Bikeländ-Trails gibt's noch weitere launige Spielplätze in der Nähe:

  • Bikepark Beerfelden mit 9 Strecken und Schlepplift
  • Flowtrails Mosbach mit 3 Strecken
  • Pumptrack und Mini-Park in Waldkatzenbach am Katzenbuckel

Außerdem: Auf der Seite www.mtb-geo-naturpark.de findet man noch weitere GPS-Daten zu den Trails im westlichen und nördlichen Odenwald, darunter Highlights wie Miltenberg, Michelstadt und Amorbach. Top: Alle Ziele sind von Eberbach aus per ÖPNV erreichbar (S-Bahn oder Naturpark-Bus mit Bike-Anhänger).

Essen & Trinken

Das Zentrum von Eberbach ist recht übersichtlich. Die meisten Shops und Gaststätten reihen sich zwischen Neuer Markt und Bahnhof auf. Den Biketag startet man am besten mit einem Espresso in der „Bohne“. Später trifft man sich im Oliva Garten, eine Mischung aus Restaurant und Take-Away (Döner, Pizza, Nudelgerichte). Zum Nachtisch noch ein Eis im Venezia gegenüber? Oder man rollt durch die Gassen zum Hausbäcker, wo es Kaffee, Kuchen und Snacks mit Blick auf den Neckar gibt.

Heidelberg-Trip

Alternativ-Programm für den Fall, dass es mal regnen sollte: In 30 Minuten rauscht man mit der S-Bahn durchs Neckartal nach Heidelberg. In der Universitätsstadt am Rand der Rheinebene gibt’s einiges zu gucken: Zum Beispiel spannt sich die “Alte Brücke” in etlichen Bögen über den Neckar, es gibt ein Schloss, eine wirklich hübsche Altstadt und legendäre Studentenkneipen!

Infos allgemein

Eberbach Tourismus (Rathaus), Leopoldsplatz 1, 69412 Eberbach, Tel. 06271/87-242

Revierbericht: Mountainbiken in Eberbach

Da ist es: Dicranum Viride, das grüne Besenmoos. Timo streicht sanft mit dem Finger über den Flaum, der auf Augenhöhe an der Rinde einer mächtigen Buche wächst. So weit, so schön. Das Problem: Der Baum steht ausgerechnet neben dem Lumberjack, einem von zwölf Trails, die Timo und seine Mannen in jahrelanger Arbeit in die Wälder rund um Eberbach modelliert haben. Und selbstverständlich ist das seltene Gewächs den Adleraugen der Naturschutzbehörde nicht entgangen. „Zig Mal mussten wir die Trails zusammen mit den Vertretern von Forst und Naturschutz ablaufen“, erzählt Timo. „Jeder Stein wurde inspiziert, jede Wurzel und jeder Busch.“ Und jetzt auch noch die Sache mit dem Moos am Lumberjack, wenige Wochen vor der offiziellen Eröffnung der Trails. Aber auch dafür wird Timo eine Lösung finden. Timo, der Problemlöser. Der Anpacker. Der Macher von Eberbach.

Steil und kurvig: der Lumberjack-Trail

Wir schwingen uns wieder in die Sättel. Mit von der Partie ist noch Local Sascha, ebenfalls von Anfang an beim Projekt Bikeländ dabei. Ich muss zugeben, die Pause mit der biologischen Exkursion kam mir gerade recht. Denn dieser Lumberjack, zu Deutsch Holzfäller, ist ein wilder Bursche. Besser gesagt, zäher Gegner. Steil, kurvig, unvorhersehbar und manchmal holprig und verblockt. Jedenfalls von einem Charakter, den ich so in einem deutschen Mittelgebirge nicht unbedingt erwartet hätte. Einfach rollen lassen? Nö. Es empfiehlt sich, stets wach zu sein und die Linie mit Voraussicht zu wählen. Die ständige Konzentration kostet fast so viel Kraft wie das Hochfahren. Es folgen ein paar enge Serpentinen, erwartungsgemäß ganz schön tricky, hinein in eine verdammt schräge Traverse, jetzt bloß nicht wegrutschen, und mit einem heftigen Satz spuckt uns der Lumberjack auf einem Forstweg aus. „Ich weiß, der Winkel am Ende ist ganz schön direkt“, kommentiert Timo den Plumps. „Da müssen wir auch noch was ändern.“ Wow, was für ein Brett. Und das für einen Trail mit rotem Signet! „Eberbacher Rot“, kommentiert Sascha meinen fragenden Blick. „Also eher dunkelrot.“ Timo bestätigt: „Richtig leichte Trails wirst Du hier kaum finden. Das haben wir auch auf der Bikeländ-Website klargestellt.“ Wer also nach Eberbach kommt, muss selbst auf den drei blauen Strecken mit einigen Herausforderungen rechnen. „Du kannst Dir gleich selbst ein Bild davon machen“, verspricht Sascha. „Wir zeigen Dir noch den Captain-Hiob-Trail.“ Also wieder hoch auf den Itterberg. Für einen Biker wie Timo sind die 220 Höhenmeter ein Kinderspiel. Okay, der Weltklasse-Triathlet hat seine aktive Karriere inzwischen beendet. Aber neun Ironman-Siege und 14 Teilnahmen am berühmtesten aller Triathlons auf Hawaii haben konditionell ihre Spuren hinterlassen. Außerdem sitzt er als Coach und Trainingsexperte für aufsteigende Triathleten bis heute fast jeden Tag im Sattel. Fast. Denn als wäre sein Sportprogramm nicht genug, hat er sich noch zur Aufgabe gemacht, der Welt die Schönheit seiner Heimat am Neckar näherzubringen. Sein erstes Projekt, der Neckarsteig-Wanderweg, wurde 2018 zu Deutschlands schönstem Wanderweg gekürt. Und jetzt also das Projekt Bikeländ, bei dem ungleich mehr Hürden zu überwinden sind. Schließlich befinden wir uns in Baden-Württemberg, wo ja bekanntlich Wege unter zwei Metern Breite für Biker tabu sind.

Auf den Lumberjack ist Mitinitiator Timo Bracht richtig stolz. Zu recht!Foto: Matthias RotterAuf den Lumberjack ist Mitinitiator Timo Bracht richtig stolz. Zu recht!

Im Netz ist sogar von Gardasee-Niveau die Rede

Es ist später Nachmittag, als wir wieder auf dem Itterberg stehen. Die untergehende Sonne taucht den Talkessel von Eberbach in goldenes Licht. Kein Laut dringt herauf, nur ein Specht hämmert ganz in der Nähe auf einen Baum ein. „Jetzt weißt Du, was ich meine“, sagt Timo und lässt seinen ausgestreckten Arm kreisen. Scheuerberg, Hebert, Bocksberg, Böserberg. Das Städtchen ist förmlich umzingelt von Steilhängen. Die Namen der Trails sind nicht weniger vielversprechend: Bock’n Roll, Coffee and Cream, Neckarcoaster, Woody, um nur ein paar davon zu nennen. Jetzt aber fühlen wir erst mal Captain Hiob auf den Zahn. Sekunden später sind die beiden Locals im Unterholz verschwunden. Die Pfadspur schlängelt sich tatsächlich flowig durch die Bäume, lädt ein zum Gasgeben. Fast wäre ich übermütig geworden. Dann die erste Steilstufe, ups, gerade noch mal gutgegangen. Adrenalin schießt ins Blut und schärft meinen Blick. Gut, denn die folgenden Kurven sind auch nicht ganz ohne. Blau? Das wäre doch gelacht. Also schwungvoll durch die nächste Schikane und durchziehen bis zum Ende. Na also, geht doch! Sascha und Timo schauen sich nur an. „Vielleicht doch dunkelblau“, sagt Sascha und grinst schelmisch.

Am nächsten Morgen sind wir mit Frieder verabredet. Der Auftrag lautet: Trail-Pflege. Auf der Ladefläche des Transporters liegen Pickel, Schaufel und Heckenschere. Mit Werkzeug kennt sich Frieder aus, denn im echten Leben ist der Hobby-Freerider ein gefragter Spezialist in Sachen Forstwirtschaft und Verkehrssicherung im Wald. Der Maschinenpark seiner Firma liest sich wie die Ausstattung von Terminator 3: Fällgreifer, Wurzelstockfräse, Kurzheckbagger. Aber für den Bau der Eberbacher Trails blieb das große Besteck in Frieders Garage stehen. „Jeder Trail-Meter ist pure Handarbeit“, betont Timo, denn die ausschließliche Nutzung der natürlichen Gegebenheiten vor Ort war Auflage der Behörden und ist Timos Philosophie zugleich. „Du wirst auf unseren Strecken keine künstlichen Bauten, Leitern oder Jumps finden“, erzählt er weiter. Zur Untermauerung klaubt Timo ein Dutzend fußballgroße Steine aus der Umgebung zusammen. Dazu noch etwas Totholz. Mit dem Material befestigen die beiden eine Kurve neu, in der sich Löcher gebildet haben. Alle Biker aus den örtlichen Vereinen haben sich während der monatelangen Bauphase körperlich engagiert. Für jeden der zwölf Trails sind zwei Paten zuständig, die ihre Abschnitte kontrollieren müssen. Kleinere Schäden werden sofort repariert, bei größeren Problemen rücken Frieder und Timo an. Nach zwei Stunden ist der Einsatz erledigt, und wir gönnen uns einen Kaffee in der Eberbacher Innenstadt. Enge Gassen, viel Fachwerk, am Neckarufer der Pulverturm und Fragmente der alten Stadtmauer. Mit knapp 70 Zentimetern ist die Amalienpforte eine so schmale Gasse, dass nicht einmal die Lenker unserer Bikes hindurchpassen. Der Spalt diente im Mittelalter zur Belüftung der dahinter verlaufenden Fischergasse. Wohl aus gutem Grund. Dann doch lieber der Duft von frisch gebrühtem Espresso. Timo liest mir ein paar Instagram-Kommentare von Bikern vor, die bereits auf den Trails unterwegs waren. Die Resonanz ist durchgehend positiv. Da wird die gute Arbeit der Eberbacher gelobt, ja sogar von Gardasee-Niveau ist die Rede. Also, wenn das keine Auszeichnung ist.

Im Eberbacher Forst leben sich noch andere Künstler aus.Foto: Matthias RotterIm Eberbacher Forst leben sich noch andere Künstler aus.

Für den Abend hat Timo nochmals ein paar Kumpels zusammengetrommelt. Mit dabei sind die Brüder Steven und Marvin Kaufmann aus dem benachbarten Waldkatzenbach am Katzenbuckel. Als professionelle Enduro-Racer haben sie beim Trail-Bau ihre ganze Erfahrung einfließen lassen. Davon zeugt der Trail, zu dem wir unterwegs sind: Einarmiger Bandit. Denn selbst eine seriöse Armverletzung konnte Marvin nicht davon abhalten, mit dem verbleibenden Arm weiter an der Line zu arbeiten. Natürlich ist es ein schwarzer Trail geworden, was mir jetzt doch ein bisschen Angst einjagt, da mich ja schon der rote Lumberjack Nerven gekostet hat. Aber irgendwie mogle ich mich den anderen hinterher, bis Timo an einem besonderen Stein haltmacht. Ein monströser, keilförmiger Sandsteinblock, stark bemoost an den Seitenflanken. Vielleicht ein Überbleibsel aus einem alten Steinbruch? Auf jeden Fall ein natürliches Hindernis, das nun als Absprungrampe genutzt werden kann. „Und Gott sei Dank handelt es sich am Stein nicht um das grüne Besenmoos“, seufzt Timo erleichtert.



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