Unsere dreitägige Etappenfahrt startet in Marktredwitz, am Ostrand des Fichtelgebirges. Landschaftlich darf man sich auf viele Gipfelerlebnisse mit obskuren Steinzinnen, Felsenlabyrinthen und sogenannten Blockmeeren freuen. Fahrtechnisch auf lange Trail-Passagen, die auch mal anspruchsvoll verblockt, verwinkelt und wurzelhaltig ausfallen können. Hinter manchen Kurven lauern auch Rampen oder kurze Tragepassagen. Doch auch für Entspannung ist gesorgt: Lokale Chill-out-Zone ist der Fichtelsee mit Biergarten und Badestrand.
Von Marktredwitz geht’s zum Hauptkamm des Fichtelgebirges hinauf. Über die Felder schweift der Blick bald zu den Herausforderungen des Tages: die Gipfel von Kösseine, Hohe Matze und Platte. Dann folgt die Trail-Auffahrt zum Wenderner Stein und weiter zur Luisenburg. Eine teilweise verblockte Trail-Abfahrt führt entlang des Felsenlabyrinthes zur Freilichtbühne. Dem Genuss folgt ein langer Schotteranstieg zur Kösseine, einem der höchsten Gipfel im Fichtelgebirge. Ständig wechselt das Terrain zwischen Waldwegen und Singletrails. Bis zum Seehaus fordern ständige Steigungen Druck auf dem Pedal. Das Finale wird mit einer schönen Trail-Abfahrt zum Fichtelsee eingeläutet. Auf dem Weg zum Tagesziel in Fleckl wartet noch der anstrengende Wurzelpfad durch den Bocksgraben.
Marktredwitz Bahnhof, Parkmöglichkeiten nordwestlich des Bahnhofs im Bereich der Schulze-Delitzsch-Straße.
Die Trails in den höheren Lagen sind gespickt mit bis zu melonengroßen Steinen, die aber fest im Waldboden verankert sind. Bei Regen kann man hier leicht wegrutschen. Ansonsten immer mit Schwung drüber!
Bullhead House in Fleckl, bullheadhouse.de
Über die beiden höchsten Gipfel des Fichtelgebirges gen Norden. Variante: Wer 470 hm und 12 km sparen will, nimmt von Fleckl den Sessellift zum Ochsenkopf. Man verpasst so aber ein paar Trails bei Warmensteinach. Die Abfahrt vom Ochsenkopf zum Gasthaus Karches ist im oberen Teil verblockt. Ab der Weißmainquelle wurde der Weg verbreitert. Von Bischofsgrün auf den Schneeberg warten fast 500 hm! Lohn: Bis hinunter nach Weißenstadt am See folgt ein Trail dem nächsten. Am Rudolfstein geht’s vorbei an eindrucksvollen Felstürmen. Bis zum Ziel warten noch zwei längere Anstiege auf den Waldstein und Epprechtstein. Die Steigungen sind meist moderat und die Trails flowiger als im hohen Fichtelgebirge. Am Epprechtstein durch alte Granitsteinbrüche, der letzte Trail endet direkt am Gasthaus Waldschmiede.
Fleckl, Bullhead House (Sesselbahn Ochsenkopf Süd)
Gasthaus zur Waldschmiede, Vorderes Buchhaus 3, Kirchenlamitz, Tel. 09285/9687808
Die längste Etappe führt über den Großen Kornberg und das Egertal zurück nach Marktredwitz. Nach den dunklen Wäldern im hohen Fichtelgebirge bietet die offenere Landschaft rund ums Egertal eine willkommene Abwechslung. Die Überquerung des Großen Kornbergs auf langen Trails fordert noch mal die Berggänge. Später folgt die Route für zehn Kilometer dem idyllischen Egertal. Fahrtechnisch ist diese Etappe einfach. Allenfalls der Anstieg zum Kornberg hält ein paar holprige Wurzelpassagen bereit. Die Auffahrt vom Egertal auf den Steinberg ist anstrengend – und es warten noch zwei Hürden bis Marktredwitz, die nicht zu unterschätzen sind. In Arzberg passiert man riesige stillgelegte Porzellanfabriken, ein letzter Singletrail über den Kohlberg, dann ist nur noch Ausrollen bis zum Ziel angesagt.
Kirchenlamitz (Ortsteil Hinteres Buchhaus), Parkplatz am Gasthaus zur Waldschmiede
Die dritte Etappe hat keine fahrtechnischen Herausforderungen. Nur der Trail über den Großen Kornberg wartet mit ein paar Wurzeln und Steinen auf. Bergauf kostet das natürlich mehr Kraft. Aber auch die anderen Anstiege der Etappe sind nicht ohne Rampen.
Café Egerstau im Egertal (km 28,3) und die Eisdiele Pino in Arzberg (km 48)
Die beiden Nord-Süd-Achsen der Autobahnen A9 (München – Leipzig) und A93 (Regensburg – Hof) nehmen das Fichtelgebirge in die Zange. Je nach Zielort nimmt man auf der A9 die Ausfahrten Bayreuth oder Bad Berneck. Auf der A93 fährt man bis Marktredwitz. Zwischen Bad Berneck und Marktredwitz verläuft die B303 mitten durchs Gebirge, vorbei an allen wichtigen Orten. Entfernung Fichtelberg von: München 250 Kilometer, von Frankfurt 300 Kilometer, von Leipzig 200 Kilometer.
Mit der Bahn: Die nächsten Bahnhöfe sind in Bayreuth und Marktredwitz. Weiter mit dem Regionalbus (VGN). Fahrradtransport auf Anfrage. Infos bahn.de und vgn.de, oder an Wochenenden und Feiertagen mit dem Fahrradbus (Bus mit Bike-Anhänger). Infos frankenwald-mobil.de
Biker logieren idealerweise im Herzen des Fichtelgebirges, im Bereich der Orte Fleckl, Fichtelberg und Warmensteinach. Aber auch Bischofsgrün auf der Nordseite des Ochsenkopfs ist ein empfehlenswerter Touren-Stützpunkt. Übersicht unter erlebnis-ochsenkopf.de
Besonders empfehlenswert:
Bullhead House, Fleckl 13, Warmensteinach/Fleckl. Die All-in-one-Adresse für Biker. Unterkunft, Bikeshop und Verleih. Außerdem organisiert die Crew um Chef Peter Hanke Fahrtechnikkurse, Trail-Camps und Touren. Darunter auch ein mehrtägiger Fichtelgebirgs-Cross mit hohem Trail-Anteil.
Landhaus Preißinger, Bergstraße 134 in Warmensteinach, landhaus-preissinger.de. Tolle Lage am Hang. Für Entspannung nach der Bike-Tour ist im Wellness-Bereich gesorgt.
Tourismuszentrale Fichtelberg, Gablonzer Str. 11, 95686 Fichtelberg, Tel. 09272/969030, erlebnis-ochsenkopf.de
Dreh- und Angelpunkt des Bike-Reviers ist der 1024 Meter hohe Ochsenkopf, der von Norden (neue 10er-Kabinenbahn in Bischofsgrün) und Süden (Fleckl) mit Liften erschlossen ist. Beide Lifte werden derzeit überholt und sollten bis zum Frühjahr 2024 wieder im Einsatz sein. Sobald der letzte Schnee weggetaut ist, übernehmen auf der Südflanke die Biker das Regiment. Es wartet eine 2,3 Kilometer lange Downhill-Strecke, die mit einigen Hindernissen aufwartet. Außerdem zweigen unterwegs ein paar launige Trail-Varianten ab. Im Bereich der Lifttalstation in Fleckl gibt es noch einen Funpark mit zahlreichen Northshore-Elementen. Novizen können sich auf Technikparcours verschiedener Schwierigkeitsgrade an die künftigen Herausforderungen herantasten. Infos: ochsenkopf.info
Das größte Felsenlabyrinth Europas ist einen Ausflug wert. Südlich von Wunsiedel sieht es aus, als hätten Riesen in grauer Vorzeit Murmeln gespielt. Kreuz und quer liegen Tausende Granitblöcke in der Landschaft, bis zur Größe von Häusern. Das Felsenmeer ist durchzogen von Gängen, Treppen und Mini-Schluchten, manche davon kaum schulterbreit. In der Nähe liegen die Orte Wunsiedel und Marktredwitz, die ebenfalls einen Besuch lohnen. Infos: wunsiedel.de
In der Therme von Weißenstadt lässt sich ein Regentag mühelos überstehen. Der Wellness-Tempel am Weißenstädter See bietet alles, um verspannte Muskeln wieder geschmeidig zu machen: mehrere Thermalbecken im Innen- und Außenbereich. Mit Saunawelt. Infos: siebenquell.com
Auf Goethe ist Verlass, wenn es um die Beschreibung von Landschaften geht. Jetzt habe ich vor dem Fichtelgebirge fast Angst: "Die ungeheure Größe der – ohne Spur von Ordnung und Richtung – übereinander gestürzten Granitmassen gibt einen Anblick, dessen Gleichen mir auf allen Wanderungen niemals wieder vorgekommen ist." Rund 200 Jahre ist es her, dass der Dichter hier zu Besuch war. Dabei klingt Fichtelgebirge doch eher nach viel Wald als nach Felsspektakel. Und noch viel wichtiger ist die Frage: Gibt es dort auch Trails?
"Auf jeden Fall", beteuert Andreas Köppel aus Marktredwitz. "Man kann im Fichtelgebirge wahre Schätze entdecken." Köppel vermag zwar nicht, sich so blumig wie Goethe auszudrücken. Aber wenn der Bike-Enthusiast von "seinen" Singletrails schwärmt, hört man die Leidenschaft für sein Heimatrevier deutlich heraus. Erst recht, wenn man auf seine Website schaut. Unter dem Pseudonym "Mountainbike Man" hat Andreas dutzende Touren ausgearbeitet und veröffentlicht. Besonders stolz ist er auf seine mehrtägigen Etappenfahrten, nach dem Motto: "Das Abenteuer beginnt vor der Haustür." Und genau das wollen wir in den nächsten drei Tagen austesten.
Als ich in Marktredwitz am Ostrand des Gebirges eintreffe, werde ich am Startplatz schon von Andreas und zwei Freunden erwartet. Jeden Tag wollen uns einige Locals begleiten, den Anfang machen Martin und Kathrin vom Verein der Fichtelgebirgsracer. Im Vergleich zur gut gelaunten Mannschaft wirkt das Wetter eher missmutig. Die Berge hüllen sich in Wolken, Nieselregen treibt durch die Luft. Es ist fast Mitte Mai, aber der Frühling mag nicht recht in die Gänge kommen. Doch ab morgen sei Wetterbesserung in Sicht, verspricht das Empfangskomitee. Während ich mein Bike klarmache, umreißt Andreas die Route. Im Zickzack geht es über die höchsten Gipfel. Zunächst ins zentrale Fichtelgebirge, über Ochsenkopf und Schneeberg, dann in einer Nordschleife über den Großen Kornberg zurück nach Marktredwitz.
Gleich am Ortsrand biegt Andreas in den ersten Pfad ein, der steil bergauf Richtung Luisenburg zieht. Vorbei an der Mariengrotte am Wenderner Stein gewinnen wir Höhe. Mit traumwandlerischer Sicherheit nimmt Andreas die Abzweigungen – und das sind wirklich viele. Dann die erste Abfahrt zur Luisenburg. Ein typischer Fichtel-Trail, wie wir in den nächsten Tagen noch viele fahren werden. Griffiger Boden, gespickt mit großen Steinen, die sich wie Haselnüsse aus einer Schokoladentafel wölben. Bei Nässe durchaus tückisch, wenn man sie im falschen Winkel anfährt. Ist man zu langsam, bleibt das Vorderrad stehen. Leider sind wir nach dem Spaß wieder ganz unten, sodass der nächste Anstieg ordentlich in die Beine geht. Mit 939 Metern zählt die Kösseine immerhin zu den höchsten Gipfeln im Fichtelgebirge. "Hier habe ich früher für Alpenüberquerungen trainiert", erklärt Andreas. Dann dehnte er seine Runden weiter aus und entdeckte immer mehr Trails. So reifte die Idee, gleich eine Fichtelgebirgsüberquerung daraus zu machen. Die Aussicht von der Kösseine fällt heute leider aus. Wir stehen fröstelnd auf der Terrasse des Berggasthauses, starren in die Wolken. Egal, der Trail ist ja das Ziel. Und davon gibt es mehr als genug auf dem Kammweg zwischen Hohe Matze und Seehaus. Zudem bringt die Landschaft allerlei Kuriositäten hervor, sodass keine Langeweile aufkommt. An der Platte sieht es aus, als hätte eine Horde Riesen Polterabend gefeiert. Der Gipfel gleicht einem Trümmerfeld. Eiszeitlicher Frost soll das Gestein einst gesprengt haben.
Am späten Nachmittag beenden wir die Etappe bei Peter Hanke. Er betreibt die Bike-Station Bullhead House am Ochsenkopf. Bullhead? Die Neuzeit scheint im Fichtelgebirge angekommen zu sein. Und das Geschäft brummt, schon Anfang Mai ist die Bude an Wochenenden voll. Außerdem gehört der Name zu Peters Konzept. "Ich habe längere Zeit in den USA gearbeitet", erzählt der studierte Geologe. "Von dort habe ich mein Motto fürs Gasthaus mitgebracht: Triple B! Das steht für Bike, Burger und Bier." Läuft! Doch bevor wir seine berühmten Burger probieren dürfen, will er mir noch die Downhill-Strecke am Ochsenkopf zeigen. Wir erwischen zum Glück noch den letzten Lift zum Gipfel, weitere 300 Höhenmeter würden meine Beine heute nicht mehr verkraften. Mit von der Partie ist Chris Decher, Peters Chefguide. Bereits bei der Auffahrt sieht man, wie sich die Trails durch den Wald schlängeln. Je höher wir schweben, desto häufiger entdeckt man verblockte Passagen. Peter erklärt: "Das ist typisch im Fichtelgebirge: Die Trails sind oben steinig, unten flowig." Als Streckenbauer kennen die beiden jede Passage in- und auswendig. Entsprechend zügig jagen Peter und Chris über den Kurs. Und ich bin froh über die entschärften Trail-Varianten neben der Expertenlinie.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zum Schneeberg und weiter in den Norden des Gebirges. Die dunklen Wolken sind abgezogen, der Frühling wagt einen zaghaften Vorstoß. Vorbei an der Weißmainquelle holpern wir Richtung Bischofsgrün, wo der lange Aufstieg zum 1051 Meter hohen Schneeberg beginnt. Im Vergleich zum erschlossenen Ochsenkopf herrscht am höchsten Gipfel des Fichtelgebirges eine seltsame Stimmung. Das trostlose Militärgelände mit dem weißen Turm ist ein Mahnmal des Kalten Krieges. Denn die grenznahe Lage zu DDR und Tschechoslowakei prädestinierte den Schneeberg damals als Horchposten in den Osten. Windjacken werden eilig aus den Rucksäcken gepult. Trotz Sonne ist es im Wind empfindlich kühl hier oben. Kein Wunder, bei kaum vier Grad Durchschnittstemperatur im Jahr. Was dann folgt, lässt uns aber schnell wieder warm werden. Zuerst sorgt der Trail runter zum Rudolfsattel für Glückshormone, dann sind es die "geologischen Merkwürdigkeiten", von welchen Goethe einst berichtete. Links und rechts stehen bizarre Türme im lichten Wald. Zerbrechlich wirkende Gebilde, die allen Gesetzen der Physik zu trotzen scheinen. Gesteinsplatten, aufgeschichtet wie Pfannkuchen. Und doch stabil genug, dass man am Rudolfstein auf Leitern in schwindelnde Höhe klettern kann. Die Aussicht von dort oben ist grandios.
Mittagsrast am Ufer des Weißenstädter Sees. Es ist gerade einmal Halbzeit auf unserer Etappen-Tour, und die Eindrücke sind schon jetzt unglaublich. Doch Andreas schwärmt bereits von den noch bevorstehenden Highlights. Zum Beispiel die Trails am Großen Kornberg. Oder die spektakulären Felsen im Egertal. Deutsche Mittelgebirge sind echt eine Fundgrube.