„So eine Trail-Dichte wie hier, wirst du in den Alpen kaum finden“, sagt Peter Hanke nach unserer Tour im Fichtelgebirge. Immer noch aufgeputscht vom gerade erlebten Trail-Rausch am Ochsenkopf, streicht mein Blick von der Holzterrasse des Bullhead House am Fuß des Berges über eine weite Waldlandschaft. Darüber türmen sich jetzt Gewitterwolken. Eine Szenerie, die genau so imposant ist, wie die gerade beendete Tour. Ein Ausflug, der so richtig gerockt hat. Mal ging es über flowige Pfade, mal erforderten verblockte Fels- und Wurzel-Trails Geschick und Konzentration.
Peter ist Chef und Gründer der Bike-Station Bullhead House am Fuß des Ochsenkopfes und zählt wohl zu den besten Kennern der Fichtelgebirgs-Trails. „Wir müssen uns hier nicht vor den großen Bike-Destinationen verstecken“, meint Peter mit einer Spur Stolz in der Stimme. Und dann erzählt er von einem Facebook-Post des lokalen Bike-Bolderers Jörg Wanitschek vor rund 15 Jahren. „Ein Freund kommentierte damals neugierig: ‚Wo bist du gerade – in BC?‘ Ein Vergleich, der gar nicht so weit hergeholt ist.“ Ich überlege kurz – stimmt. Die Ochsenkopf-Flow-Tour hatte tatsächlich gerade was von British Columbia: grün wuchernde Wälder, Farne und dicke Mooskissen am Wegesrand, kleine Moorseen und Tümpel und mittendrin immer wieder mächtige Granitkolosse.
Das Fichtelgebirge wirkt in der Tat wie eine oberfränkische Miniaturversion von Vancouver Northshore, Whistler oder Squamish. Auch das Wetter kann hier zwischen 700 und 1000 Meter Höhe, unweit der tschechischen Grenze, rau und kühl sein wie an Kanadas Westküste. „Geologie und Klima formen den Charakter der Trails“, sagt Peter am nächsten Tag auf der anspruchsvollen Trail-Tour zum Schneeberg. „In den oberen Bereichen ist mittelsteiles, felsiges Gelände typisch. Nach unten raus werden die Berge flacher, die Pfade wurzeliger, sanfter, flowiger. Das kann man an allen hohen Bergen des Fichtelgebirges sehen: an der Kösseine, am Ochsenkopf, am Waldstein, am Schneeberg.“
Immer wieder brilliert Peter während der Tour mit geologischer Expertise. Kein Wunder, das oberfränkische Urgestein, aufgewachsen in Sparneck im nördlichen Fichtelgebirge, ist studierter Geologe, spezialisiert auf die Exploration von Goldlagerstätten. Mangels lukrativer Edelmetallvorkommen in der eigenen Heimat zog es Peter nach dem Studium nach Nord- und Südamerika, wo er für große Bergbau-Unternehmen arbeitete. „Meine Jobs dort waren fast wie auf einer Ölplattform: acht Wochen schuften, dann längere Pausen.“ Die nutzte Peter zum Reisen – und landete schließlich als Reiseführer und Produktmanager bei einem großen Veranstalter für Naturreisen. „Vor gut 15 Jahren machte es dann Klick bei mir“, erzählt Peter. Er war mittlerweile wieder zurück in der Heimat und fragte sich: „Wieso soll ich mein Reise-Know-how nicht zuhause nutzen?“
Wie so oft, wenn man einen Plan zielstrebig verfolgt, fügte sich ein Baustein an den anderen. Der Fichtelgebirgsverein suchte für seine damals größte Wanderer-Unterkunft einen neuen Pächter. Peters Ziel: weg vom Rotsocken-Image. Hin zu einer Base für Bike-Touren. Dabei dürfen Biker den Wanderern im Fichtelgebirge dankbar sein. „Als Kind bin ich mit meinen Eltern unzählige Male durch die Wälder gestreift“, erinnert sich Peter. Der Fichtelgebirgsverein war einer der größten und umtriebigsten Wanderverbände in Deutschland – die Basis für die verblüffende Dichte von Trails und Pfaden. „Erst als ich durch die weite Welt gezogen und Ende der 90er Jahre in Moab zum ersten Mal ein Mountainbike ausgeliehen hatte, dämmerte mir, was diese schmalen Wege wert sein können.“
Ähnlich wie die bizarren Gesteinsformationen in Moab sind auch die Fichtelgebirgs-Felstürme wie der Weißmainfelsen an der Nordseite des Ochsenkopfes oder die Drei-Brüder-Felsen am Rudolfstein durch Verwitterungsprozesse entstanden. Mal erinnern sie an übereinandergeschichtete Pfannkuchen, mal an gewagt gestapelte Kartoffelknollen. Einziger Unterschied: Sie bestehen aus Granit wie die Felsen rund um Whistler und nicht aus Sandstein wie in Moab. „Die Liebe zur Natur, die ich in Amerika entwickelt hatte, eröffnete mir einen ganz anderen Blick auf meine Heimat. Plötzlich dachte ich: Wie geil ist das denn? Wir haben hier alles, was man für geniale Bike-Touren braucht.“
Peters „Partner in Crime“ ist Matthias Lenk, der im Fichtelgebirge als Tourenguide arbeitet. Zusammen tüfteln sie neue Routen aus und kennen mehr Trails, als in den Karten überhaupt eingezeichnet sind. „Ich habe sie alle im Kopf, auf meiner internen Festplatte“, sagt Peter und tippt sich grinsend an die Stirn. „Die Region ist ein riesiger Trail-Baukasten, wie Freestyle-Lego – ohne Bauanleitung. Soll ein Dinosaurier rauskommen oder eine Schlange? Für mich als Trailscout steht die Kreativität im Mittelpunkt.“ Die Flow-Tour führt nach einigem Auf und Ab an einem dahinkurvenden Bach entlang. Kleine Saiblinge huschen wie Pfeile von einem Steinversteck zum nächsten. „Eigentlich war der Bach mal ein Industrieprojekt“, erzählt Matthias.
Mit dem Bocksgraben gruben die Fichtelberger den Warmensteinachern ein paar Quellen ab, um die Mühlen für ihre Eisenhütten zu betreiben. Stillgelegte Steinbrüche zeugen vom Eisenerzabbau. Und auch nach Proterobas wurde hier geschürft. Die dunkelgrün-weiß-gesprenkelte, basaltartige Gesteinsart mit dem exotischen Namen diente lange Zeit als Grundstoff für die Glasproduktion. Die Glasperlen und -knöpfe aus dem Fichtelgebirge wurden bis nach Äthiopien exportiert. Selbst in die Raumfahrtgeschichte ist Glas aus Nordbayern eingegangen: Nach der Rückkehr von der ersten Mondlandung überreichte die NASA den drei Astronauten Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins einen Glasteller mit Weltraummotiv, gefertigt in Warmensteinach. Wir dagegen landen nach unserer Tour wieder am Bullhead House.
2012 hat Peter die Wanderherberge dem Fichtelgebirgsverein abgekauft, jahrelang modernisiert und umgetauft. Heute dient das Haus als Outdoor- und Bike-Lodge mit Shop, Verleih und Guiding als ideales Basislager für Biker. Hinterm Haus gibt's sogar einen Parcours mit Anliegerkurven, Sprüngen und Northshore-Elementen. Und wenn nächstes Jahr die neue Seilbahn an der Südseite des Ochsenkopfs ihren Betrieb aufnimmt, sollen zur bestehenden Downhill-Strecke weitere Natur-Trails hinzukommen. „Gut, dass wir mit Motor unterwegs sind“, meint Sarah während der Enduro-Tour am nächsten Tag. Sie ist gerade erst aufs E-Bike umgestiegen und begeistert, wie leicht sich die Felspassagen am Rudolfstein damit bewältigen lassen. Peter weiß: „Viele Trails, die man mit dem Bike, Sarah bergab fährt, sind mit dem E-MTB in beide Richtungen spannend befahrbar.“ Gerade auf abgelegeneren Wegen stört das keinen. „Wenn wir diese entlegenen Pfade konsequent nutzen, verträgt die Region problemlos noch mehr Biker“, ist sich Peter sicher. „Im Umkreis von fünf Kilometern finde ich hier immer noch Orte, wo kaum ein Mensch unterwegs ist. Das ist Lebensqualität, die sich durch nichts ersetzen lässt.“ Und die inhaliert Peter zumindest abends, wenn er sich zum Sonnenuntergang auf sein E-Bike schwingt. Irgendwohin, wo er abschalten kann vom Trubel. Wenn der Motor beim Uphill hochdreht, fährt Peter runter. „Dann macht sich ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit breit“, sagt er. Eine Goldader, die ihn reich macht, wird er im Fichtelgebirge nicht finden. „Aber die Trails sind eine Goldgrube für meine Seele.“
So hoch die Dichte an spannenden Trails, so überschaubar ist die Infrastruktur im Fichtelgebirge. Doch die wenigen Top-Adressen, die es gibt, bieten Mountainbikern volles Programm.
Wuchtige Granitfelsen sind das Markenzeichen des Fichtelgebirges – fast wie in Whistler oder wie im Bayerischen Wald, ganz nach individueller Perspektive. Wie auch immer, die Mittelgebirgslandschaft im Nordosten Bayerns, mit ihren weiten Waldlandschaften und Seen, hat einiges zu bieten. Von felsig verblockten, alpin anmutenden Trails bis hin zu entspannten Flow-Passagen ist alles da – und zwar viel davon. Die Dichte an teils verwaisten Wanderwegen ist enorm. Idealer Startpunkt ist das Bullhead House in Fleckl bei Warmensteinach am mit Bergbahnen erschlossenen Ochsenkopf. Von hier eröffnet sich ein vielseitiges Trail-Paradies, in dem auch anspruchsvolle E-Mountainbiker auf ihre Kosten kommen. Doch keine Angst, weniger versierte Fahrer können knifflige Passagen meist auf Forstwegen umfahren.
Bullhead House: Die wohl kultigste Unterkunft für Mountainbiker am Fuße des Ochsenkopfs bei Warmensteinach. Mit Outdoor- und Bikelodge, Verleih (Cube-Bikes) und Restaurant direkt im Haus, Infos: bullheadhouse.de Landhaus Preissinger in Warmensteinach, landhaus-preissinger.de Campingplatz am Fichtelsee, camping-fichtelsee.de
Bullhead Bike: Der Bikeshop des Bullhead House hat von Anfang April bis Ende Oktober geöffnet (Mi – So, 9 – 18 Uhr) und bietet neben einer Werkstatt auch Verleih von Bikes und Zubehör, geführte Touren und diverse Fahrtechnik-Kurse (auch für E-Mountainbiker) an, Info: bullheadbike.de
Fichtelrad in Weißenstadt: Geführte Touren, E-MTB-Verleih, gemütliches Café mit erstklassigem Kaffee (nur sonntags) und Vermietung von frisch renovierten Zimmern. Saison: April – Oktober, täglich von 9 bis 18 Uhr, Info: fichtelrad.de
Die wohl perfektesten Burger (auch veggie und vegan) gibt's definitiv im Bullhead House, bullheadhouse.de
Maria Alm in Bischofsgrün: Imbiss am Ochsenkopf Nord mit Sonnenterrasse, Fastfood und selbstgemachtem Kuchen, Info: hammerschmiede-bischofsgruen.de
Hotel am Fichtelsee: Moderne fränkische Küche direkt am Seeufer (auch Übernachtung möglich), hotel-am-fichtelsee.de
Das beste Eis gibt's in der Poststraße in Fichtelberg: Eisdiele „Lust auf Eis & mehr“.
Bestimmt nicht allein, aber bei großartiger Aussicht und guter Küche, sitzt man in den beiden Gipfelhäusern, die man auf den drei Touren ohnehin passiert: Kösseinehaus (939 m) am Gipfel der Großen Kösseine, koesseinehaus-official.de und im Asenturm am Ochsenkopf (1024 m), asenturm.de
Der Bikepark am Ochsenkopf (Südseite) bekommt noch dieses Jahr eine neue Seilbahn und wird zur Saisoneröffnung im April 2025, neben der bekannten, anspruchsvollen 2,3 Kilometer langen Downhill-Strecke, um einige Flow-Abschnitte erweitert. Saison: April – Oktober, Tageskarte inkl. Bike-Transport: 39 Euro.
Infos allgemein: fichtelgebirge.bayern.de
In diesen Wäldern an der Grenze zu Tschechien könnte man sich tagelang austoben. Doch wir wollten erstmal die drei Lieblings-Trails der Locals kennenlernen. Hier die drei besten Trail-Runden im Fichtelgebirge.
Startpunkt: Bullhead House in Fleckl, am Fuße des Ochsenkopfs.
Tourenbeschreibung: Eine Tour für Trail-Beginner mit flowigen, abwechslungsreichen Trails. Die Naturpfade sind wurzelreich, aber nicht zu steil. Entlang der Route warten viele Natur-Highlights und Aussichtspunkte. Nach dem Start geht es unmittelbar auf den ersten Trail, vorbei an beeindruckenden Felsenburgen aus Granit. Entlang des idyllischen Bocksgrabens schlängelt sich die Route weiter Richtung Fichtelberg. Anschließend wechseln geschmeidige Uphill-Trails mit Forstwegen – bis zur Bergstation Klausenlift in Mehlmeisel mit tollem Panorama übers Fichtelgebirge.
Weiterfahrt über den einsamen Jägersteig an die Südgrenze des Fichtelgebirges. Dann klettert wieder ein Forstweganstieg von 200 Höhenmetern zum Klausenlift hinauf, wo der Einstieg zur Trail-Abfahrt nach Hüttstadl und Fichtelberg wartet. Anschließend führen wellige Trails zum Fichtelsee, bevor der deutlich strammere, aber finale Anstieg zum Ochsenkopf-Gipfel, dem zweithöchten Berg Nordbayerns, beginnt. Doch auch der belohnt noch mal mit einer flowigen Trail-Abfahrt zum Bullhead House hinunter.
Schlüsselstellen: Bis auf wenige Wurzeln im Wald keine größeren Hindernisse.
Einkehr Eine Tour, auf der man definitiv nicht verhungern muss, es warten diverse Einkehrmöglichkeiten: Bayreuther Haus an der Klausenlift-Bergstation, in Fichtelberg die Eisdiele „Lust auf Eis & mehr“, das Restaurant am Fichtelsee, der Asenturm am Gipfel und das Bullhead House im Tal.
Startpunkt: Bullhead House in Fleckl, am Fuße des Ochsenkopfs.
Tourenbeschreibung: Eine Tour mit flowigen, aber auch knackigen, felsigen Trails (können auf einfacheren Routen umfahren werden) in den östlichen Teil des Fichtelgebirges zur Kösseine. Start am Bullhead House und über welliges Gelände zum Fichtelsee. Teils über flowige Pfade weiter zum Nageler See. Es folgt der Anstieg zum dritthöchsten Gipfel des Fichtelgebirges, der Kösseine. Von dort trail-reich über den Haberstein hinunter zum bekannten Felsenlabyrinth an der Luisenburg bei Wundsiedel. Der Trail-Spaß geht nach Tröstau weiter. Danach hinauf zur Hohen Matze. Up- und Downhill-Trails wechseln sich in der Folge ab, bevor es gemütlich hoch zum Seehaus geht. Auf Trails dann bergab Richtung Fichtelsee und hoch zum Ochsenkopfgipfel. Wer es felsig mag, fährt die Downhill-Strecke hinab zum Bullhead House. Gemütlicher geht es auf dem flowigen „Blaupunkt-Trail“ runter.
Schlüsselstellen: Es gibt auf der Runde ein paar sehr anspruchsvolle Passagen im Wald (S2). Vor allem, wenn man zum Abschluss die Downhill-Strecke wählt. 80 Prozent der Tour führen aber über leichte, bis mittelschwere Trails.
Einkehr: Am Kösseinegipfel überblickt man von der Selbstbedienungs-Terrasse des Kösseinehauses den gesamten Fichtelgebirgskamm. In Tröstau lohnt die Einkehr im Hotel-Restaurant Bauer und am Fichtelsee das Seehaus.
Startpunkt: Bullhead House in Fleckl, am Fuße des Ochsenkopfs.
Tourenbeschreibung: Die knackige Trail-Tour mit vielen spannenden Kilometern erfordert gute Fahrtechnik und Kondition. Sie führt über den höchsten Berg Nordbayerns, den Schneeberg (1053 m). Nach dem Start am Bullhead House auf reichlich Uphill-Flow-Trails zum Ochsenkopf-Gipfel. Oben nach dem Aussichtsgenuss über das Fichtelgebirge größtenteils auf Trails zur Quelle des Weißmains und nach Karches. Dann beginnt der lange Anstieg zum Schneeberg-Gipfel. Von dort oben über Trails weiter zum Rudolfstein mit seinen faszinierenden Granitfelsformationen. Bereits auf dem Weg dorthin dekorieren bizarre Felsen den Weg. Flowig bergab geht es über Schönlind zum Weißenstädter See. Danach beginnt der Anstieg zum Waldsteingipfel. Dort thront neben Felsenburgen auch eine Burgruine. Eine längere Trail-Abfahrt führt zurück zum See, danach hoch zur Egerquelle. Nun auf Trails nach Bischofsgrün an der Nordseite des Ochsenkopfs. Von hier auf halber Höhe um den Berg und mit einem Abstecher über einen schmalen Trail ins Löchleinstal nach Warmensteinach. Von dort bergauf zurück zum Starpunkt.
Schlüsselstellen: Die Trails bergauf sind mit dem E-MTB deutlich leichter zu überfliegen. Bergab warten auf dieser Runde verwinkelte Waldkehren, Wurzelteppiche und Felsstufen. Für etwa 30 Prozent der Trails braucht man eine sehr gute Fahrtechnik (S2).
Einkehr: Die Tour ist lang, daher sollte der Zeitpunkt der Pause gut überlegt sein. Weißenstadt passiert man auf halber Tour zwei Mal und es gibt verschiedene Einkehr-Möglichkeiten direkt am See und im Ort. Mehr Aussicht bieten aber das Waldsteinhaus am Gipfel und die Maria Alm in Bischofsgrün, oberhalb der Talstation des Lifts. In Warmensteinach können die Locals das Hotel Restaurant Brigitte empfehlen.
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