Monika Krämer hat nicht zu viel versprochen. „Hier bei uns im Nordschwarzwald habt ihr ein riesiges Netz für Gravelbiker“, hatte sie mir am Telefon angekündigt. Jetzt stehe ich mit meinem Radkumpel Martin auf dem Gipfel der Hornisgrinde, dem höchsten Berg des Nordschwarzwalds, und wir können uns an dem Fernblick kaum sattsehen.
Ja, Monika hatte recht. Kein Wunder, als Radverkehrsmanagerin für den Landkreis Freudenstadt kennt sie jede kleine Nebenstrecke, jeden Feldweg und jede noch so abgelegene Waldweg-Kreuzung. Ihr Versprechen damals am Telefon: „Ihr könnt mit dem Gravelbike den Nationalpark erkunden, auf Waldwegen fahren, über kleine Straßen ohne Autoverkehr oder durch Flusstäler cruisen, die von Schwarzwaldhof zu Schwarzwaldhof führen.“
Das machte uns den Mund erst recht wässrig, und zwei Wochen später packen wir die Räder in den Zug. Nach kurzer Reise atmen wir schon würzige Schwarzwaldluft in Freudenstadt im Nordschwarzwald. Das Städtchen liegt am Rande des Nationalparks Schwarzwald – und ist der perfekte Ort, wenn man etwas Entspannung auf zwei Rädern sucht und dabei hofft, nicht aus Versehen in eine Großstadt zu geraten. Im Gegenteil: Es gibt ein bisschen Stadt mit hübschen Fachwerkhäuschen im Zentrum – und drumherum richtig viel Wald.
Schon früh am nächsten Morgen sitzen wir auf den Bikes und blicken in die Ferne, wo sich der Gipfel der Hornisgrinde, unser Tagesziel, im dichten Wäldermeer erahnen lässt. Nach wenigen Pedalumdrehungen lassen wir die Stadt bereits hinter uns. Die ersten Kilometer rollen wir entspannt durch stillen Forst bergab und genießen die Morgenstimmung. Dabei haben wir uns für heute einiges vorgenommen, über 75 Kilometer und 1.200 Höhenmeter liegen vor uns – ein echtes Brett.
Aber erst mal pedalieren wir ohne größere Anstrengung durchs idyllische Murgtal. In Schönmünzach wartet auf uns der wohl schönste Anstieg zur Hornisgrinde. Während auf der anderen Seite des Hauptkamms die vielbefahrene Bundesstraße B500 vorbeiführt, ist es im Schönmünztal richtig ruhig. Hier ist die Straße asphaltiert, aber weiter oben für den Autoverkehr gesperrt.
Der Bannwald rund um die Hornisgrinde steht seit über 100 Jahren unter Naturschutz und seit 2014 gehören Teile des Gebiets zum neu gegründeten Nationalpark Nordschwarzwald. „Ein richtiger Gewinn für die Region“, sagte Monika. „Auf den rund 10.000 Hektar zwischen Baden-Baden und Freudenstadt darf der Wald wieder eine Spur wilder werden.“
Bis zum Ufer des auf 1.036 Metern gelegenen Mummelsee liegen noch etliche Kilometer Bergstrecke vor uns. Wir wuchten unsere Gravelbikes Kehre um Kehre durch eine zunehmend wildere Bergwelt: Mächtige Moospolster, dichtes Unterholz und umgestürzte Bäume prägen die Szenerie.
Oben liegt der Mummelsee schwarz zwischen steilen, dicht bewaldeten Bergflanken. Alten Sagen zufolge beherberge das torfige Wasser des höchst gelegenen Karsees des Schwarzwalds Nymphen, die am Seegrund unter der strengen Obhut ihres Vaters und Nixenkönigs leben würden. Und der deutsche Schriftstellers Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen machte den Bergsee in seinem Roman „Simplicissimus“ gar zum Ausgangspunkt einer Reise zum Mittelpunkt der Erde. Heutzutage hat man hier lediglich seine Ruhe, bis die nächste Touristengruppe um die Ecke biegt.
Angesichts der guten Anbindung durch die Schwarzwaldhochstraße ist es ja auch kein Wunder, dass dem Ort wenig Mythisches mehr anhaftet: Busladungen an Touristen werden herangekarrt; der See ist von einem breiten, barrierefreien Weg bestens umschlossen, am Ufer müffeln Imbissbuden und die ganz Fußfaulen schippern in Tretbooten übers braune Wasser, das vom höher gelegenen Hochmoor der Hornisgrinde gespeist wird.
Doch weiter oben zeigt die Hornisgrinde ihr anderes Gesicht: Die waldfreie Gipfellage entpuppt sich als wilde, raue Heidelandschaft. Vom Wind bizarr geformte Latschenkiefern flankieren die für Autos gesperrte Schmalspurstraße. Das mit Beerensträuchern, Heidekraut und Pfeifengras bewachsene Hochmoor bedeckt den Südgipfel fast vollständig und erinnert uns an skandinavische Landschaften. Der Blick schweift weit, das Rheintal verbirgt sich unter einer Wolkenschicht, im Westen ragen die fernen Vogesengipfel aus dem Dunst. Am Bismarckturm endet der Asphalt; hier drehen wir wieder um.
Jetzt queren wir doch einmal die Schwarzwaldhochstraße: Wwwuuuusch! Ein Motorrad rast vorbei. Wwwwusch! Noch einer, der es ganz eilig hat. Die Schwarzwald-Hochstraße gilt als eine der schönsten Bergstrecken in Deutschland. Weil sich das leider rumgesprochen hat, verstopfen Ausflügler, einheimische Autofahrer, Motorradfahrer und donnernde LKW die idyllische Strecke. Aber zum Glück fahren wir mit den Gravelbikes nur wenige Meter auf der B500. Rrroooar! Noch so ein Irrer! Aber das juckt uns jetzt nicht mehr. Am Ruhestein biegen wir ab auf ein autofreies Nebensträßchen der Extraklasse: Das Rotmurg-Winterseitensträßchen führt kurvenreich auf löchrigem Asphalt bergab ins Murgtal – und ab hier folgen wir ganz einfach dem lauschigen Murgtalradweg zurück nach Freudenstadt.
Dort lassen wir den Tag in einer kleinen Wirtschaft am Marktplatz ausklingen. Wobei dieser Marktplatz nicht einfach nur ein Platz ist, sondern ein Areal von solch epischer Größe, dass er jede Orientierung herausfordert. Deutschlandweit der größte! Wer hier keine Einkehrmöglichkeit findet, hat wirklich Pech – wir erwischen eine gemütliche Ecke im Gasthaus „Zum Speckwirt“ und staunen über die Speisekarte: Schwäbische Küche so weit das Auge reicht! Ach, stimmt ja, Freudenstadt liegt definitiv nicht mehr im badischen Teil des Schwarzwalds, sondern bereits mitten in Schwaben. Doch mal ehrlich: Flädlesuppe, Maultaschen und Käsespätzle sind nicht nur genau das richtige, um diesem Tag einen würdigen Abschluss zu verleihen. Sie liefern auch noch reichlich Energie für die müden Beine. Sie liefern auch noch reichlich Energie für die müden Beine. Noch eine letzte Runde schwäbische Spezialitäten, dann schwingen wir uns morgen früh wieder in den Sattel – den Spuren der Flößer und Brauer hinterher, die hier schon lange vor uns die Täler eroberten.
Wer in Freudenstadt Rad fährt, kommt um Berge nicht herum. Liebliche Hügel und einige richtig dicke Brocken wie Hornisgrinde oder Kniebis prägen den Nordschwarzwald rund um die 25.000-Einwohner-Stadt. Die Flusstäler von Kinzig, Murg und Co. geben öfter mal Gelegenheit, auf flachen Flussradwegen zu zu entspannen. Das gut ausgebaute Radwegenetz bietet Strecken für wirklich jeden Geschmack – und die vielen Einkehrmöglichkeiten sorgen für den nötigen Energienachschub.
Die Tour führt mitten hinein in die entstehende Wildnis des Nationalparks Nordschwarzwald und hat es auch sportlich definitiv in sich: 75 Kilometer und knapp 1.300 Höhenmeter – da braucht es Wumms in den Beinen oder einen guten Motor! Die meiste Zeit führt die Strecke über Radwege und Nebenstrecken, gut 20 Kilometer davon auf Schotterwegen. Höchster Punkt des Tages ist die 1.164 Meter hohe Hornisgrinde, die etwa auf halber Strecke liegt.
Die GPS-Daten zur Tour finden Sie auf dem DK-Tourenportal:
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Die Tour folgt dem Kinzigtal, einem der bedeutendsten Täler des Nordschwarzwaldes. In Alpirsbach lockt der historische Stadtkern mit Kloster und Brauerei. Aber man sollte lieber beim alkoholfreien Bier bleiben: Auf der Rückfahrt nach Freudenstadt über Schenkenzell und den Stausee Kleine Kinzig entlang warten einige giftige Anstiege. Der Schotteranteil liegt bei ca. 40 Kilometer.
Die GPS-Daten zur Tour finden Sie auf dem DK-Tourenportal:
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Freudenstadt liegt im Nordschwarzwald auf einem Hochplateau. Die Stadt mit etwa 25.000 Einwohnern grenzt an den Nationalpark Schwarzwald, ein 10.000 Hektar großes Schutzgebiet, das eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt beherbergt. Das Umland ist geprägt von einer abwechslungsreichen Landschaft mit Tälern und Höhen und bietet zahlreiche Rad- und Wanderwege. Gegründet wurde die Stadt 1599.
Das gemäßigte westeuropäische Klima bietet von Frühjahr bis Spätherbst ideale Bedingungen für Radtouren.
Freudenstadt liegt im Herzen des Schwarzwalds und ist gut mit der Bahn zu erreichen.
Hotel Teuchelwald: Am Rand Freudenstadts gelegen, ein ziemlicher Kasten, aber schöne Aussichten, gute Zimmer und gute Küche – sprich: Ein guter Ausgangsort für ausgedehnte Radtouren.
hotel-teuchelwald.de
Schwäbische Küche: Typisch Schwarzwald: Es gibt die deftige Regionalküche mit schwäbischen Spezialitäten wie Flädlesuppe, Maultaschen, Knödel, Käsespätzle und viel, viel Fleisch.
Zum Speckwirt: Das Restaurant am Marktplatz in Freudenstadt zieht das volle Register schwäbischer Gaumenfreuden. Hier schäumt das Bier, hier schäumt die Stimmung.
speckwirt-fds.de
Der Schwarzwald ist der Star in Freudenstadt – und den gibt es zu sehen, wo auch immer man hinblickt. Zweiter Platz geht an: Deutschlands größten Marktplatz mit seinen Arkaden und 50 Wasserfontänen, gesäumt von markanten, historischen Gebäuden.
Radsport Glaser: Radladen und Werkstatt-Service in Freudenstadt. Adresse: Katharinenstraße 8, 72250 Freudenstadt.
Allgemeine Infos und Tourentipps findet man auf der offiziellen Homepage von Freudenstadt, freudenstadt.de
Ein großes Tourenangebot auf dem stadteigenen Portal: regio.outdooractive.com/oar-freudenstadt-lkr/de/