Na, sagen wir mal so: Auf einen stundenlangen Anstieg dürfte gern auch ein ebenso langer Abfahrts-Trail zurück ins Tal folgen. Doch damit können die deutschen Alpenreviere eher weniger dienen. Abgesehen von den wenigen Bikepark-Lines, die man zwischen den Allgäuer Alpen im Westen und dem Königssee ganz im Osten an einer Hand abzählen kann. Es gibt sie aber natürlich, diese epischen Abfahrten in atemberaubender, alpiner Kulisse. Doch entweder hängt dort bereits ein Bike-Verbotsschild oder Wanderer-Karawanen stören den Fahrfluss ohnehin. Der Nutzungsdruck in den alpinen Regionen ist einfach groß und ein Konzept für Trail-suchende Mountainbiker noch nicht geschaffen. Zwar wurde der Deutsche Alpenverein vor ein paar Jahren mit der Erarbeitung eines solchen Konzepts offiziell beauftragt, doch die Ergebnisse stehen immer noch aus.
Absolute Spitzenreiter aber sind die Alpentouren natürlich in Sachen Landschaft, Panorama und urige Hütteneinkehr. Allen voran diese fünf Touren, die wir für diese Top 5 ausgewählt haben. Darunter Tagestouren, eine große Runde mit Hüttenübernachtung und eine siebentägige Etappentour, auf der man den kompletten Alpenstreifen einmal der Länge nach durchquert. Das hat auch den Charme, dass Sie sich abends nicht in den Stau nach Hause stellen müssen. Möge die alpine Tourensaison bald losgehen!
Schon auf der Autobahn von München Richtung Garmisch hält man direkt aufs Wettersteingebirge zu. Dabei sticht besonders ein formschöner Gipfel hervor: die Pyramide der Alpspitze. Und genau da hinauf klettert diese Tour. Dass die Aussicht von dort oben überwältigend sein wird, ist klar. Aber der Hauptgrund für die 1000 Höhenmeter, die man sich vorher dort hinauf in die Beine pumpen muss, ist natürlich ein herausragender Singletrail: der Bernadeinsteig. Er startet kurz hinterm Kreuzeck als felsiger, alpiner Steig und rollt sich auf der Höhe bleibend Richtung Stuibenhütte aus. An manch stufiger Stelle braucht man Schwung, dann wieder gutes Gleichgewicht, um an der ein oder anderen ausgesetzten Passage nicht in die Tiefe zu kippen. Ab der Waldgrenze kann man die Bremsfinger kurz lockern, bevor der Pfad – oder eher wieder ein Steig – zum steilen 150 Tiefenmeter langen Sinkflug Richtung Garmisch-Partenkirchen ansetzt. Die letzten 12 Kilometer rollt man dann wieder locker auf Schotter ins Tal. Allerdings mit ein paar kurzen, körnerfressenden Gegenanstiegen!
Die Tour klettert zwar nur bis zum Fuß der Alpspitze hinauf, aber schon von hier aus ist die Aussicht gigantisch. Wer dem Gipfel noch etwas näher kommen möchte, kann sich am Kreuzeck auch noch an der finalen 300-Höhenmeterrampe bis zum Osterfelderkopf versuchen. Empfehlenswerter aber ist es, den Supertrail durch den Bernadein-Hang gleich in Angriff zu nehmen und anschließend an der Partnachalm noch rechts zur Reintalangerhütte abzubiegen. So hätte man zwei Garmischer Top-Touren auf einen Streich erlebt.
Schlüsselstellen: Der Bernadeinsteig ist ein alpiner Pfad mit typisch felsigen und auch mal etwas ausgesetzten Passagen. Wer sich unsicher ist, steigt an diesen Stellen besser ab. Auf das flowige Stück im Wald folgt noch mal ein steil abfallender Steig.
Einkehr-Tipp: In der Kreuzalm (1600 m) gibt's zum Knödeltris umwerfende Aussicht in die Wettersteinfelsen.
Im gesamten deutschen Alpenstreifen gibt es nicht viele Regionen, die sich um mountainbikende Gäste bemühen. Aber die Chiemgauer Alpen, zwischen Inntal und Watzmann, gehören definitiv dazu. Bereits vor einigen Jahren wurde am Samerberg der Bikepark eröffnet und mit dem „Chiemgau King“ eine markierte Konditionsrunde nach dem berühmten Stoneman-Vorbild geschaffen. Selbst an der gut besuchten Kampenwand dürfen Biker nachmittags in den Lift steigen. Aber es sind vor allem die Touren-Biker, die sich in den grünen Bergen wohl fühlen. Die Auswahl an lohnenden Runden ist groß, doch unser Favorit ist die Hochgern-Reibn von Marquartstein aus. Auch wenn der erste Waldweganstieg zur Staudacher Alm gleich mal Schnappatmung auslöst: 470 steile Höhenmeter am Stück. Die folgenden Anstiege zur Eschelmoos- und Jochberg Alm sind zwar auch steil, aber bis dahin ist man wenigstens warmgefahren – und ausreichend belohnt worden! Denn auf dieser Runde wechseln sich Höhenmeter, Trails, Landschaft und Vogelperspektiven ständig ab.
Es gibt Biker, die lieben den ersten steilen Anstieg, weil der Waldboden zwar ruppig, aber schön griffig ist und sich die Höhenmeter beherzt raufkurbeln lassen. An der Schnappenkirche blickt man bereits aus der Vogelperspektive auf den Chiemsee. Nach der Brotzeit auf der urigen Staudacher Alm öffnet sich das Trail-Kapitel der Tour: drei Fahrspaß-Abschnitte mit insgesamt 7,7 Kilometern Länge. Der schönste Trail hangelt sich an der Nordflanke des Hochgern entlang und führt bis an den Fuß des Hochgern.
Schlüsselstellen: Für die steilen Rampen der Tour braucht man natürlich Kondition und für den ruppigen Untergrund ein gutes Fahrwerk. Die Trail-Abfahrten sind teils etwas ausgesetzt, aber mit mittlerer Fahrtechnik gut fahrbar.
Chiemgau King: Wer fit ist, lernt auf dieser Runde noch mehr Highlights der Region kennen (168 km/4629 hm), chiemgau-king.com
Diese Supertour ist eigentlich aus der Not heraus entstanden. Nämlich in fast schon vergessenen Corona-Zeiten, als die Grenze geschlossen und an eine Alpenüberquerung gen Süden nicht mal zu denken war. Also tüftelte Autor Christian Penning eine Mehrtagesroute zusammen, die einmal quer durch den ausschließlich deutschen Alpenstreifen führt. Vom westlichen Allgäu bis zum Königssee ganz im Osten von Bayern. Auf einige Must-have-Abschnitte, wie etwa das Gaistal um die Südflanke des Wettersteins oder das hochalpine Karwendel musste Penning zwar wegen der geschlossenen Grenze nach Österreich verzichten, doch um so fündiger wurde er auf deutscher Seite. So hangelt sich diese Route sieben Tage lang von einem traumhaften Badesee zum nächsten, lässt keine logische Trail-Verbindung aus und erklettert zwischendurch die schönsten Aussichtskanzeln. Selbst auf Tragepassagen wie man sie sonst vor allem im Alpenhauptkamm erlebt, muss man bei der „Transalp dahoam“ nicht verzichten. Und: Man kommt mit dem Zug leicht wieder zurück.
Diese Tour steckt voller Höhepunkte: Allgäuer- und Ammergauer Alpen, Wetterstein und Karwendel, Chiemgauer Alpen und am Ende noch Watzmann und Co. in den Berchtesgadener Alpen. Jede Etappe endet oder passiert einen kristallklaren Bergsee und für einen lohnenden Trail wurde schon mal ein Extra-Schlenker gedreht.
Schlüsselstellen: Die Route enthält ein paar anspruchsvolle Trails und ein paar Schiebepassagen.
Tipp: In den Hauptorten, wie Garmisch, Schliersee, Lenggries oder Samerberg, kann man jederzeit in den Zug steigen und die Tour beliebig verkürzen. Auch von Ramsau geht's mit dem Zug zurück.
Es gibt Moser-Guide-Jünger der allerersten Stunde, die müssen diese Tour einmal im Jahr fahren. Sonst fehlt ihrer Bike-Saison etwas. Kein Wunder, denn schon landschaftlich gibt es wohl in den gesamten Nordalpen keine schönere Gebirgsgruppe als das 2749 Meter hohe Karwendel. Da macht es auch nichts, dass Singletrails hier so ziemlich tabu sind. Die Gründe dafür: Erstens befindet sich ein Großteil des Gebirges bereits jenseits der österreichischen Grenze und steht als Naturpark unter besonderem Schutz. Zweitens sind die Himalaya-ähnlichen, durch senkrechte Felsreihen verlaufenden Täler kein Geheimtipp mehr. Gerade an Wochenenden flanieren über die oft ausgesetzten Gratwege Karawanen von Wanderern. Als Biker bleibt man daher auf den Hauptwegen und konzentriert sich auf die Wucht der Felsen, entdeckt vielleicht einen Steinadler am Himmel und freut sich auf die Superküche im Großen Karwendelhaus oder in der renovierten Falkenhütte. Am besten verbringt man sogar eine Nacht im Hüttenbett, dann hat man diese Landschaft frühmorgens für sich allein.
Die klassische Karwendel-Tour (Moser-Guide, Band 2) zieht sich gemächlich von Mittenwald über Scharnitz zum Karwendelhaus hinauf und führt gegen den Uhrzeigersinn zurück nach Mittenwald.
Unsere Tour startet dagegen in Krün und klettert lieber sportlich über die Fischbachalm und das Johannestal bis zur Falkenhütte hinauf (1876 hm). Nach einer Übernachtung geht's am nächsten Tag über den Kleinen Ahornboden, das Karwendelhaus (2. Frühstück) und am Barmsee vorbei zurück nach Krün.
Schlüsselstellen: Die Anstiege sind teils gemein steil und geröllhaltig. Sonst lauern keine fahrtechnischen Herausforderungen.
Tipp: Aus München am besten mit dem Zug anreisen. Gerade am Wochenende ist auf der Garmischer Autobahn und weiter in die Eng viel Stau angesagt.
Schwer zu sagen, welches Argument bei dieser Tour überzeugender ist: Die Weitsicht über die satt grünen Berge von Immenstadt, die hübschesten Kühe Deutschlands, der exzellente Kaiserschmarrn auf der Hütte oder doch der insgesamt fünf Kilometer lange Trail durch die Wiesen der Gschwender Alpe mit Sensationsaussicht auf den Alpsee? Letzterer gilt immerhin als der schönste See des gesamten Allgäus.
Allerdings wollen wir auch die Schattenseiten dieser Runde nicht unerwähnt lassen: Man braucht Kondition, Biss und gen Ende auch beherzte Fahrtechnik. Los geht die Tour noch ganz harmlos, mit einem Trail über die idyllische Alpe Rothenfels. Doch dann stehen 700 Höhenmeter am Stück an. Marathon-Fahrer nutzen diese Rampe gern zu Trainingszwecken – wegen ihrer besonderen Steilheit. Doch ist das Hochplateau am Gschwender Horn erst erreicht, startet das Wohlfühlprogramm. Der Wiesen-Trail zur Gschwender Alpe ist ein Traum – bis sich seine feine Kieselspur am Ende doch noch in eine Brockenrutsche mit Wurzelarmen drüber verwandelt.
Licht und Schatten könnte diese Tour im bayerischen Oberallgäu auch gut heißen, den leichte und kernig anspruchsvolle Passagen geben sich hier oft nahtlos die Hand. Doch genau das lieben die Immenstädter Locals an ihrer Hausrunde über den Gschwenderberg. Auf 700 Höhenmeter beißenden Anstieg folgt am baumfreien Hochplateau eine Weitsicht übers Westallgäu. Auf zwei Kilometer flaches Trail-Gesurfe durch die Wiesen folgt steil abfallendes Fels-Wurzel-Gerappel. Aber mit Alpsee-Blick und einer Einkehr in der 300 Jahre alten Gschwender Alpe. Der Hüpfer in den schönsten See des Allgäus am Ende macht das Glück dann perfekt.
Schlüsselstellen: Der gemein steile Asphalt-Schotteranstieg und das sehr ruppige Trail-Finale.
Wichtig! Unbedingt alle Weidegatter wieder schließen. Sonst bringt man die eigentlich wohlgesonnenen Alpbauern nur unnötig gegen uns Mountainbiker auf und die Trail-Tour könnte für Biker gesperrt werden!
Hier geht’s zu den GPS-Daten der 5 Top-Alpentouren. Ihr könnt die Files kostenlos herunterladen.