Deutschland-Serie Teil 1Jurasteig

Stefan Loibl

 · 14.07.2013

Deutschland-Serie Teil 1: JurasteigFoto: Robert Niedring
Deutschland-Serie Teil 1: Jurasteig

Quer durch die Oberpfalz: Auf den ersten Blick lockt der Jurasteig eher Halbschuh-Touristen als Mountainbiker. Nach 230 Kilometern, hunderten Steilrampen und drei Tagen im Sattel waren wir schlauer.

Als ich die SMS lese, die mir Kumpel Poschi geschickt hat, zuckt es kurz durch meine Oberschenkel. "Sechs Ultratrail-Läufer haben den Jurasteig in 45 Stunden geschafft. Also, wann greifen wir an?" Prost Mahlzeit, denke ich. Dann aber packt mich der Ehrgeiz. "Mit dem Bike knackt man das doch locker", schreibe ich Poschi zurück. Die Jurasteig-Befahrung hatten wir seit Jahren im Hinterkopf, doch ständig vor uns hergeschoben wie den Pflichtbesuch bei der Oma. Schließlich sind wir echte Locals, wenn ich auch vor Jahren schon an den Alpenrand gezogen bin. Deswegen bin ich seitdem lieber dort die Trails abgekurvt.
Aber nun gibt es kein Zurück mehr: Ich recherchiere, suche Mitfahrer, besorge die Karten, wähle ein Wochenende aus. Natürlich nicht nonstop – wie die Handvoll Extremläufer – sondern gleichmäßig portioniert in drei Tagesetappen. Im Sattel statt zu Fuß, über Nacht in Gasthäusern statt dem Schein der Stirnlampe hinterher: Die 45 Stunden sollten wir doch auch irgendwie hinbekommen, spekuliere ich insgeheim.
Als wir Freitagmittag hinter dem Kelheimer Krankenhaus unsere Rucksäcke vollstopfen und auf die Bikes steigen, fühlt sich das komisch an. Denn für uns drei – Poschi, Marold und mich – sind die ersten Kilometer alles andere als Neuland. Wir kennen die Trails von dutzenden Hausrunden mit dem Bike. Trotzdem suchen wir das Abenteuer vor der Haustür. Ob das gutgeht? Immerhin 230 Kilometer "Qualitätswanderweg" verspricht der Jurasteig durch sanfte Mittelgebirgstäler. Mitten durch die beschauliche Oberpfalz, auf Singletrails und Forstwegen, entlang idyllischer Flusstäler, markanter Felsabbrüche und winziger Ortschaften: Thannbügl oder Poikam – das können nur Einheimische richtig aussprechen.

  Immer den gelben Jurasteig-Schildern hinterher. Der Weg ist bestens ausgeschildert.Foto: Robert Niedring
Immer den gelben Jurasteig-Schildern hinterher. Der Weg ist bestens ausgeschildert.

Mit der Fähre in Matting über die Donau

Als wir nach 25 Kilometern in Matting unsere Trinkflaschen am Friedhofsbrunnen auffüllen und auf die Seilfähre warten, sonnt sich Ludwig bereits auf der gegenüberliegenden Seite der Donau. Er wird nur heute dazustoßen. Vor seiner Haustür eben: Ludwig Döhl kommt aus Kelheim, wohnt mittlerweile in Regensburg und kennt am Jurasteig jede Wurzel wie ein Sammler seine Briefmarken. Als Enduro-Rennfahrer nutzt Ludwig die Trails rund um Regensburg als Trainingsrevier. Natürlich auch den Jurasteig, der sich wenige Meter nach der Fähre als laubiger Singletrail durch die Mattinger Hänge zieht. Eine halbe Stunde weiter, auf den felsigen Hängen oberhalb von Schönhofen lotst uns Ludwig auf einen kleinen Abstecher. Aufgemalte Bärentatzen weisen den Weg. Links, rechts, Absatz, Anlieger: Der Wiesenweg belohnt uns mit einer rauschenden Abfahrt und spuckt uns unten direkt an einer gelben Jurasteig-Plakette aus.
Davon gibt es Tausende am Jurasteig. Das macht Verfahren fast unmöglich. Denn die gelben Schilder mit dem blauen Symbol sind so zahlreich an Bäume, Pfähle und Zäune geheftet, dass man auf eine Landkarte fast verzichten kann. Und zwar egal in welcher Richtung man unterwegs ist. Wanderer trifft man nicht viele – trotz des viel versprechenden Gütesiegels "Qualitätswanderweg". Auf der 230 Kilometer langen Haupt-Route ist man zu Fuß immerhin zwölf Tage unterwegs – ohne eine der vielen Zusatzschleifen. Aber auch Bikern garantiert das Gütesiegel lohnende Kilometer an Mittelgebirgs-Trails. Meist auf weichem, verwurzeltem Boden im Schutz der Waldes. Rauf und runter, 5300 Höhen- und Tiefenmeter: Vielfach springt der Weg von der einen zur anderen Talseite, windet sich steilste Rampen hinauf und vernichtet die mit Schweiß bezahlten Höhenmeter sofort wieder.

  Mit der Fähre geht es in Matting am ersten Tag über die Donau.Foto: Robert Niedring
Mit der Fähre geht es in Matting am ersten Tag über die Donau.

Was zu Fuß zwölf Tage dauert, schaffen Biker in drei

Knapp 60 Kilometer zeigt der Tacho bereits, als wir kurz vor Kallmünz wieder eine dieser zwanzigprozentigen Steilrampen bezwungen haben. Nur Marold kommt nicht. Fünf Minuten später schiebt der lange Schlaks sein Bike herauf. Seine Hinterradbremse hat sich "gefressen" und blockiert das Hinterrad. Ex-Schrauber Ludwig schnappt sich das Hardtail und versucht, die Feder der Bremsbeläge wieder hinzubiegen. Keine Chance, die hinteren Beläge müssen raus. Vorsichtig, nur mit stotternder Vorderbremse meistert Marold den anschließenden Downhill. Während wir weiter dem Jurasteig folgen, kurbelt er auf der Hauptstraße in unseren Etappenort Kallmünz. Erst beim Abendessen stößt Marold wieder zu uns und gibt Entwarnung: "Der Bock läuft wieder." Drei Stunden gingen drauf, um eine Fahrradwerkstatt zu finden und sich neue Bremsbeläge einbauen zu lassen. In einem Hinterhofladen, wenige Kilometer außerhalb von Kallmünz, hat es dann geklappt. Poschi, Ludwig und ich haben derweil unsere verbrauchten Energiespeicher wieder aufgefüllt.
Am nächsten Morgen erwischt es den Nächsten. Poschis Rücken zwickt, sticht und würde die Weiterfahrt zur Tortur machen. Nach wenigen Kilometern gibt er auf und rollt zurück nach Kallmünz. Die fiesen, kurzen Rampen des Sägezahn-Profils haben seine Rückenmuskeln mürbe gemacht, die Wurzelteppiche die Wirbelsäule dann kräftig durchgeschüttelt. Das hatten wenige Monate zuvor nicht mal einige Rumpel-Trails im Karwendel geschafft. Trotz der geringen Höhendifferenz zwischen Berg und Tal kommen am Tagesende Höhenmeterwerte zusammen, die sich vor Alpenanstiegen nicht verstecken müssen. Ich frage mich, wie das die Läufer beim Ultratrail hingekriegt haben. Und eine andere Frage geistert mir nun durch den Kopf: Wen trifft es nach Marold und Poschi? Hoffentlich nicht mich, denn um heimzukommen, müsste ich mich schon mit dem Auto holen lassen. Gleise gibt es hier nicht, auf öffentliche Busse wartet man Stunden.

  Hinter Oberndorf schlängelt sich der Trail an der Hangkante entlang.Foto: Robert Niedring
Hinter Oberndorf schlängelt sich der Trail an der Hangkante entlang.

Für Poschi springt kurzfristig mein Bekannter Georg ein und begleitet uns die zwei Etappen von Kallmünz zurück in seine Heimatstadt Kelheim.

Sägezahn-Profil ruft Notstand in den Oberschenkeln aus

Die Wurstschneidemaschine funkelt wie ein eloxierter Chris-King-Steuersatz, in der Theke warten die letzten Wurstberge auf den Abtransport in den Kühlraum, und eine Frau wischt eifrig über braunen Fliesenboden. Samstagmittag, fünf nach zwölf: Marold springt von seinem Bike und stürmt zur Tür der Dorfmetzgerei. Dann gibt er Entwarnung: "Jungs, es gibt noch was!" Mit jammervollen Blicken schwatzen wir dem Metzger ein riesen Stück Leberkäs ab, verteilt auf drei Semmeln. Dazu Cola. Nie zuvor habe ich mich auf Leberkäs und Cola derart gefreut. Dabei habe ich dem fettigen Allerlei seit Jahren abgeschworen. Doch die 33 Kilometer von Kallmünz nach Hohenberg hatten den Notstand in meinen Oberschenkeln ausgerufen. 45 Kilometer sind es noch bis ins Tagesziel Deining.
Nächster Tag, gleiches Bild: Verschwitzt kurbeln wir mit staubtrockenen, krächzenden Ketten am Klösterl vorbei nach Kelheim hinein. Ich denke an die Ultratrail-Läufer, werfe einen Blick auf den Tacho und überschlage: 5, 4, 5 … Ziemlich genau 16 Stunden sitzen wir seit Freitagmittag nun im Sattel. Deutlich schneller als im Laufschritt. Netto gerechnet natürlich. Die Gesamtzeit, seit wir unterwegs sind? Nun ja, 51 Stunden …

  Kurz vor Kelheim mit Blick ins Altmühltal.Foto: Robert Niedring
Kurz vor Kelheim mit Blick ins Altmühltal.

Der Jurasteig – ein Qualitätswanderweg durch den Bayerischen Jura

Teil 1 unserer neuen Deutschland-Serie führt uns in die Oberpfalz westlich von Regensburg. Der 230 Kilometer lange Jurasteig gilt als "Qualitätswanderweg" und ist perfekt in beide Richtungen ausgeschildert. Er führt auf 5300 Höhenmetern durch das Mittelgebirge des Bayerischen Jura. Dabei schlängelt sich der Steig über die Höhen und Täler von Donau, Altmühl, Weißer und Schwarzer Laber, Lauterach, Vils und Naab. Ursprüngliche Flusslandschaften wechseln sich ab mit Karst-Plateaus. Schlösser, Klöster und Felszinnen schmücken die Route. Die drei Tagesabschnitte des Jurasteigs sollte man nicht unterschätzen. Wer es gemütlicher angehen will, hängt einfach noch einen Tag dran.

  Waldige Singletrails rauf und runter, das erwartet einen am Jurasteig.Foto: Robert Niedring
Waldige Singletrails rauf und runter, das erwartet einen am Jurasteig.

Der Jurasteig mit dem Mountainbike in 3 Etappen:


1. Kehlheim – Kallmünz (67,9 km, 1705 hm, Fahrzeit 5:00)

Hinter dem Krankenhaus in Kelheim klettert man den Goldberg hinauf und folgt Wald- und Flurwegen bis man in Poikam über die Donau wechselt. Oberhalb von Bad Abbach warten in den Oberndorfer Hängen nette Singletrails mit Weitblicken über das Donautal. Nach der Überfahrt mit der Mattinger Seilfähre (www.pentling.de) wechselt man ins Tal der Schwarzen Laber über Alling nach Eilsbrunn. Über freie Wiesenflächen und entlang von Felsformationen schlängeln sich Trails bis Schönhofen, ehe man nach Etterzhausen ins Naabtal gelangt. Schmale Waldpfade führen am Hang entlang bis zum Kloster nach Pielenhofen. Die Stärkung in der Klosterwirtschaft sollte man mitnehmen, denn die 15 Kilometer bis zum Etappenziel ziehen sich.
Übernachtung: Gasthof Zum Goldenen Löwen, Alte Regensburger Str. 18, 93183 Kallmünz, Tel. 09473/380, www.luber-kallmuenz.de


2. Kallmünz – Deining (78,5 km, 1672 hm, Fahrzeit 4:45)

Die malerische Altstadt verlässt man nach Nordwesten ins Vilstal. Über lichte Kiefern- und Laubmischwälder führt der Jurasteig auf die Hochfläche nach Lanzenried. Von dort führen sanfte Trails nach Schmidmühlen. Vorbei am Hammerschloss folgt eine Schleife durch verschlungene Waldpfade nach Blaugrund. Danach kehrt man ins idyllische Lauterach-Tal zurück und sammelt auf der nördlichen Talseite lohnende Meter bis Hohenburg. Weiter auf der Jura-Hochfläche mit tollen Ausblicken zur Ruine. Bei Mühlhausen lenkt man nach Südwesten ein und erreicht nach einer längeren Steigung die von Weitem sichtbare Wallfahrtskirche Habsberg. Vom höchsten Punkt rollt man über weite Fluren bis Rothenfels, dann entlang der Weißen Laber bis Deining.
Übernachtung: Hotel Hahnenwirt, Untere Hauptstraße 2, 92364 Deining, Tel. 09184/1663, www.hahnenwirt.com


3. Deining – Kehlheim (84,4 km, 1923 hm, Fahrzeit 6:00)

Zum Einrollen startet man über einsame Forstwege entlang der Weißen Laber nach Holnstein. Im "Seitenwechsel" folgt man dem kleinen Fluss bis kurz vor Dietfurt. In die Sieben-Täler-Stadt wird man von einem flüssigen Wald-Trail gespült. Tipp: eine Rast im historischen Gasthof Stirzer. Nun folgt das knackige Teilstück nach Riedenburg: Zuerst muss man das nördliche Altmühl-Ufer hinaufkurbeln. Die Abfahrt nach Meihern hinunter vernichtet gewonnene Höhenmeter. Über die Altmühl und auf der anderen Ortsseite einen steilen Pfad aufs Rosskopf-Plateau hinaufschieben. Dort oben tolle Tiefblicke. Bevor man in Riedenburg Eis essen darf, stellen sich hartnäckige Anstiege zum Schloss Eggersberg und hinter Gundlfing in den Weg. Der Keltenwall verspricht ein anspruchsvolles Finale bis Kelheim.
Übernachtung: Gasthof Stockhammer, Am oberen Zweck 2, 93309 Kelheim, Tel. 09441/70040, www.gasthof-stockhammer.de


Die komplette Tourenbeschreibung der Mountainbike-Tour über den Jurasteig finden Sie unten als PDF-Download:

Zur Info: Fahrverbot bei Eilsbrunn

Für ein kleines Teilstück – das nennt sich „Alpiner Steig“ – zwischen Eilsbrunn und Schönhofen besteht ein Fahrrad-Fahrverbot. Dort befindet sich auch ein Verbotsschild. Allerdings handelt sich nur um ein paar hundert Meter. Dort sollte bitte jeder sein Bike schieben!!! Das Teilstück sollte man aber auf keinen Fall umfahren, denn sonst lässt man sich einen der besten Tiefblicke im ganzen Jura entgehen.

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