MTB-Revierguide WürzburgHeimat der Supertrails und Bike-Urgesteine

Matthias Rotter

 · 03.11.2023

Feierabendrunde: durchatmen über der Stadt.
Foto: Matthias Rotter
Wenn Schweizer Kartenmacher eine deutsche Nicht-Alpenregion mit einer eigenen Supertrail Map würdigen, dann muss es sich schon um einen echten Superspot für Mountainbiker handeln. Seit 2015 schon kann Würzburg mit solch einer Adelung angeben. Höchste Zeit also, dass wir uns die MTB-Trails am Main von bekannten Locals genauer zeigen lassen.

Würzburg liegt im mittleren Maintal am nordwestlichsten Zipfel Bayerns, zwischen Nürnberg und Frankfurt. Die älteste Universitätsstadt Bayerns zählt rund 125.000 Einwohner. Das Bike-Revier verläuft hauptsächlich links und rechts des Mains. Der zweite Trail-Schwerpunkt liegt im Waldgebiet südlich der Stadt, genannt Steinbachtal. Mitten durch dieses Revier verläuft die A3. Die Topographie hat Mittelgebirgscharakter mit vielen kurzen Anstiegen und Abfahrten. Aufs Main-Hochufer hinauf kann man etwa 100 Höhenmeter am Stück sammeln. Hier prägen viele Weinberge das Landschaftsbild.

Eine Landschaft in der sich viele bekannte Gesichter aus der Bikeszene niedergelassen haben und die uns nun ihre absoluten Trail-Favoriten verraten:

Tour 1: Main-Panorama

  • Länge. 57,4 Kilometer
  • Bergauf: 820 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 4:45 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel
Kleiner Trail-Marathon zum Feierabend: Für Biker mit Halbtags-Job und/oder guter Trail-Lampe.Kleiner Trail-Marathon zum Feierabend: Für Biker mit Halbtags-Job und/oder guter Trail-Lampe.

Tourenbeschreibung

Diese lange Runde führt am Ostufer des Mains bis nach Ochsenfurt. Danach lernt man noch einige Supertrails bei Kitzingen kennen, bevor es über die Höhen zurück nach Würzburg geht. Nach dem Start am Steinbachtal überquert man den Main und rollt auf dem Radweg nach Randersacker. Dort wartet ein derber Anstieg zum Sonnenstuhlturm. Der Turm, den die Einheimischen Kartoffelturm nennen, hieß im Zweiten Weltkrieg noch Adolf-Hitler-Turm. Dann jagt für viele Kilometer ein Trail-Highlight das nächste. Krönung ist der Panoramaweg, der sich kurz vor Ochsenfurt erst am Hang entlangschlängelt und dann zum Main abfällt. Über einsame Forst- und Wiesenwege geht es jetzt durchs Hinterland Richtung Kitzingen. Im Bereich eines ehemaligen US-Militärgeländes warten wieder herrliche Trails. Der Rückweg zeigt eine andere Seite des Fränkischen Weinlandes. Auf den weiten Höhenzügen wird man höchstens einem Bauern auf dem Traktor begegnen. Beim Steinbruch Lindelbach beginnt ein letzter Flowtrail, der wieder ins Main-Tal führt. Ab Randersacker auf dem Radweg nach Würzburg. Einkehr-Tipp: Weinstube Körner in Randersacker (deftig und lecker)!

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Tour 2: M-Weg und Käppele

  • Länge. 52,6 Kilometer
  • Bergauf: 1120 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 5 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel
Auf dieser Tour stritten sich die Locals, wer die wirklich allerbesten Trail-Verbindungen kennt.Auf dieser Tour stritten sich die Locals, wer die wirklich allerbesten Trail-Verbindungen kennt.

Tourenbeschreibung

Die Tour im Norden Würzburgs ist gespickt mit den besten Singletrails der Region. Start ist am Weingut am Stein an der Nordtangente (Nähe Hauptbahnhof). Den Anfang machen die Trails rund um Veitshöchheim, deren scharfe Kurven solide Steuerkünste verlangen. Dann fädelt man auf den Main-Wanderweg ein (Markierung blaues M). In ständigem Auf und Ab leitet er an der Hangkante entlang Richtung Thüngersheim. Nach der steilen Abfahrt vom Eckberg arbeitet man sich durch die Weinberge nochmals ganz nach oben. Es lohnt sich, denn die nächste Abfahrt nach Retzbach ist es wert. Am nördlichsten Punkt der Tour geht es über den Fluss nach Zellingen. Am Eschberg warten die nächsten Höhenmeter. An der Ruine des alten Wachturms beginnt das nächste Trail-Abenteuer. Freerider lieben die angelegten Lines, die wieder nach Zellingen hinunterführen. Weiter: Vorbei am Erlabrunner Käppele, einer aussichtsreich gelegenen Kapelle, jagt ein Pfad den nächsten. Alleine an diesem Bergrücken könnte man locker einen ganzen Tag verbringen. Die letzten zehn Kilometer rollt man am Main entlang zurück nach Würzburg.

GPS-Daten zu den Touren im MTB-Revier Würzburg

Die fünf MTB-Touren aus dem BIKE-Revierguide rund um Würzburg in der ÜbersichtskarteFoto: InfochartDie fünf MTB-Touren aus dem BIKE-Revierguide rund um Würzburg in der Übersichtskarte

Szene-Guide Würzburg

Fast schon mediterran: Wein-Ausschank an der Alten Mainbrücke.Foto: Matthias RotterFast schon mediterran: Wein-Ausschank an der Alten Mainbrücke.


Typisch Studentenstadt weist Würzburg eine hohe Kneipendichte auf. Vom Bike-Trail direkt zum Feiern? Klar doch! Die Locals verraten ihre Lieblingsadressen.


Frühstücken

• Unicafé: der Klassiker in der Stadt, junges Publikum, tolle Karte. Neubaustraße 2, Tel. 0931/15672, www.unicafe-wuerzburg.de
• Wunschlos Glücklich Cafe: entspanntes Ambiente mit Kleinkunstbühne, Jazz-Frühstück jeden ersten Sonntag im Monat. Bronnbachergasse 22R, www.wunschlos-gluecklich.net
• Café am Dom: super Frühstücks-Buffet mitten in der City, Außenterrasse mit Blick auf den Dom. Kürschnerhof 2
• Café Fred: angesagte Frühstücks- und Brunch-Adresse mit sehr abwechslungreichem Angebot, auch für Veganer. Herzogenstraße 4, www.cafefred.de
• Caféhaus Brückenbäck: romantisch-moderne Caféhaus-Atmosphäre direkt an der alten Main-Brücke, tolle Karte, unbedingt reservieren. Zeller Straße 2, www.brueckenbaeck.de

Snack / Imbiss

Tipp: Am Marktplatz eine Fränkische Bratwurst essen! Nicht zu verwechseln mit der kleinen Nürnberger Bratwurst! Im westlichen Franken ist die Wurst länger und dicker, und kommt auch mal paarweise auf den Teller (zum Beispiel mit Kraut) oder in der Semmel. Die beste Bratwurst in Würzburg isst man beim Bratwurststand Knüpfing in der Ladenzeile. Ketchup ist übrigens verpönt! Klassisch gibt’s Senf oder Meerrettich dazu. Am Marktplatz findet Di/Mi und Fr/Sa der Grüne Markt mit vielen regionalen Spezialitäten statt.

• Sir Quickly: jeden Tag zwei wechselnde vegetarische Gerichte zur Auswahl – fast schon ein Gourmet-Treff. Herzogenstraße 5, www.sir-quickly.info
• My Wurscht: klassische Imbissbude, von Currywurst bis Hot Dog, auch vegetarische Alternativen. Eichhornstraße 2.5
• Fischbar zum Krebs: Fast wie hinterm Deich! Fish & Chips auf einem schwimmenden Imbisskutter. Am Main-Kai (Alter Kranen)

Essen und Trinken

Tipp: eine Weinprobe mitmachen! Weinberge, Weingüter und Weinstuben sind im Fränkischen allgegenwärtig. Zum Beispiel im Weingut Stein (Startpunkt von Tour 2). Infos zu den Wein-Events: www.wuerzburgerweinfestkalender.de

• Sanderstraße: Die Sanderstraße ist das Kneipen-Epizentrum Würzburgs (zwischen Alter Main-Brücke und Ludwigsbrücke). Irgendwo bleibt man hier immer hängen.
. Veggie Bros.: vegetarisch, frisch und lecker. Juliuspromenade 38, www.veggiebros.de
• Backöfele: fränkisches Original-Wirtshaus mit entsprechendem Angebot, historisches Ambiente. Ursulinergasse 2, www.backoefele.de
• Babett’s Weinstube: typisch mainfränkische Weinstube mit fränkischer Küche, die Tochter des Hauses ist eine ehemalige Weinkönigin. Franziskanerplatz 1

Bikeshops

Firmenbesuch bei Eighty-Aid, Gründer Larry WestneyFoto: Matthias RotterFirmenbesuch bei Eighty-Aid, Gründer Larry Westney

• Bikestore: kompetent und gut sortiert, Testbike-Verleih. Wölffelstraße 1, www.bikestore-wuerzburg.de
• FX-Sports: renommierter Shop mit eigenem Racing-Team. Friedrich-Ebert-Straße 2 (Würzburg-Höchberg), www.fxsports.de
• Eighty-Aid (Headshok-Klinik): Die Gründer Larry Westney und Markus Dellinger zählen zu den Urgesteinen der Würzburger Bike-Szene. Herz des Cannondale-Stores ist die weltweit größte Sammlung von Lefty-und Headshok-Gabeln. Leistenstr. 3, Tel. 0931/783250, www.eighty-aid.com

Bikeclub RSG Würzburg

Die RSG Würzburg bietet in den Sommermonaten gemeinsame Trainingsausfahrten an. Außerdem können sich Vereinsmitglieder auch zu gemeinsamen Marathon-Ausflügen in der Region anmelden. Nächster Termin: Die Weihnachtstour am 24.12.23.

Auch für die nächste Saison steht bereits ein Event-Termin fest: Das nächste MTB-Abendrennen findet am 5. Mai 24 statt. Infos und weitere Termine folgen: www.rsg-wuerburg.de

Karten und Touren-Infos

Die Supertrail Map "Würzburg" mit 40 Trail-Runden rund um die Stadt (im Maßstab 1:25000) gibt es ab 16,95 Euro zum Beispiel hier: www.supertrail-map.com oder www.bergzeit.de


Unterkünfte

Von der Jugendherberge bis zum Sterne-Hotel alles da. Übersicht beim Tourismusverband. BIKE-Tipp: Hotel Weisses Lamm. Die besten Trails liegen direkt vor der Tür des Bed & Bike-Betriebs. Kirchstraße 24 in Veitshöchheim, www.hotel-weisses-lamm.de

Infos allgemein

Tourist-Information Würzburg, Turmgasse 11, 97070 Würzburg, Tel. 0931/372335, www.wuerzburg.de

Die Reportage MTB-Revier Würzburg: Mit den Locals nach Ladenschluss

Nahezu jeder Biker kennt sie: die Feierabendrunde. Beliebt, belebend oder berüchtigt. Je nachdem, in welcher Verfassung man ist. Die Feierabendrunde folgt ihrer eigenen Dramaturgie, ihren eigenen Gesetzen und Ritualen. Das ist bestimmt in jeder Stadt so, und Würzburg macht da keine Ausnahme. Die Biker der RSG Würzburg treffen sich im Sommer regelmäßig zum gemeinsamen Training. Gewissenhaft wie ich bin, stehe ich bereits eine viertel Stunde früher am Startpunkt – und bin damit natürlich nicht der Erste. Mike Schramm, sportlicher Leiter der RSG, verrät sich mit seinem gelbroten Vereins­-Trikot. Sein Kollege Thomas Geissel fällt eher durch sein künstlerisch lackiertes Bike auf.

Die Liebe zur Heimat ist unverkennbar. Auf der Kettenstrebe seiner Carbon-Maschine hat ein Airbrush-Künstler die Festung Marienberg verewigt, eines der Wahrzeichen der Stadt am Main. Die Stimmung ist entspannt. Noch. Am Eingang zum Steinbachtal herrscht reger Verkehr. Radler aller Klassen flitzen vorbei, Jogger dehnen ihre Muskeln an einer Parkbank, Spaziergänger führen Hunde aus. Das Tal ist nicht nur ein Stadtteil von Würzburg, sondern auch Ausgangspunkt für die Bike-Touren durch den Stadtwald und den anschließenden Guttenberger Wald. Ein riesiges Revier, in dem man stundenlang seine Runden drehen kann. Und das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt. Namen wie Achterbahn, Wurzel- und Ninja-Trail klingen vielversprechend. Aber finden muss man sie erst einmal! Das gilt auch für die heute geplante Runde, die dem Main-Tal in Richtung Süden folgt. Laut der "Supertrail Map", einer speziellen Trail-Landkarte für Biker, reiht sich auch hier ein Pfad an den anderen.

Die ersten Hürden lassen nicht lang auf sich warten

Um kurz vor sechs ist die Gruppe fast komplett. Alex Pscheidl rollt gerade dazu. Der Local hat mit seiner detaillierten Ortskenntnis viele Informationen zur Karte beigetragen. "Die Hauptarbeit hat aber mein ehemaliger Team-Kumpel Lukas erledigt", erzählt Alex, während er den Computer am Lenker auf Null stellt. "Du wirst es ja gleich erleben." Die Jungs um mich herum sind fit, das sieht man auf den ersten Blick. Enges Lycra spannt sich um sehnige Oberschenkel. Es dominieren schnelle, leichte Hardtails. Nur drei Mann fallen mit ihren legeren Klamotten und Enduro-Bikes aus dem Rahmen, denn außer mir sind noch Johann und Daniel als Gäste dazugestoßen. Die beiden waren schon fürs Propain-Factory- Team auf Enduro-Wettkämpfen unterwegs. "Obwohl ich schon eine ganze Weile in Würzburg wohne, kenne ich längst noch nicht alle guten Wege", sagt Johann. Aufsitzen! Der Tross setzt sich in Bewegung und nimmt unverzüglich Fahrt auf. Noch geht es flach am Main entlang, doch die ersten Hürden lassen nicht lange auf sich warten. Wer schon mal auf der A3 an Würzburg vorbeigerauscht ist, kennt die berüchtigten Autobahnrampen, wo Lastwagen im Schneckentempo die rechte Spur verstopfen. So ähnlich komme ich mir mit meiner Enduro-Maschine auch vor, als der Weg unvermittelt Richtung Himmel strebt. Die Hinterräder meiner Vordermänner verschwinden zügig aus dem Blickfeld. Topographische Gemeinheiten wie diese werden in Rennfahrerkreisen eben einfach weggepresst. Oben dann eine typische Feierabendrundensituation. Und die heißt: "Weiter, wenn der Letzte da ist." Kaum habe ich mit Puls 180 im Hals zur plaudernden Gruppe aufgeschlossen, drückt die Spitze wieder auf die Tube. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass ich als Gastfahrer unnötig auskühle.

Klar, auch am Mainufer gilt: Wer runterfahren will, muss erstmal die Rampe hoch.Foto: Matthias RotterKlar, auch am Mainufer gilt: Wer runterfahren will, muss erstmal die Rampe hoch.

Dafür geht jetzt der Spaß mit den Singletrails los. Und wie! Das Tempo ist zwar unvermindert flott, aber im Surf-Modus kann ich einigermaßen gut mithalten. Mit Tunnelblick rauscht der RSG-Express durchs Gehölz. Jetzt weiß ich auch, warum viele Locals mit recht schmalem Lenker am Bike unterwegs sind. Einige Male bleibe ich fast mit meiner 70-Zentimeter-Reckstange an eng stehenden Bäumen hängen. Klar, dass mich die Jungs nur über die Sahneschnittchen der Region lotsen. Bereits nach wenigen Kilometern wird mir bewusst: Ohne die Guides würde ich an den meisten Trail-Abschnitten einfach vorbeirauschen. Denn manchmal ist es nur eine unscheinbare Lücke im Gebüsch, die den Eingang zum nächsten Pfad erahnen lässt. Wegweiser? Markierungen? Fehlanzeige. Wir arbeiten uns weiter am Main-Hochufer entlang, hin und wieder kann man einen Blick auf den Fluss hinunter erhaschen. In riesigen Schleifen zerschneidet das Wasserband hier die Landschaft.

Der M-Weg: Im Norden der Stadt kurven die besten Trails durch den Wald.Foto: Matthias RotterDer M-Weg: Im Norden der Stadt kurven die besten Trails durch den Wald.

Als Anführer der Trainingsausfahrten beherrscht Alex die Kunst perfekt, das Trail-Netzwerk zu einer zusammenhängenden Route zu verbinden. Kurze Verschnaufpause an einem alten, eingewachsenen Steinbruch. Während die Enduristen ihren Adrenalinpegel an ein paar Felsabbrüchen in die Höhe treiben, frage ich Alex, wie die ganzen Trails ihren Weg in die Landkarte gefunden haben. "Viele Strecken haben wir natürlich von unseren jahrelangen Ausfahrten her gekannt", erzählt Alex. "Den Rest hat Lukas im Trial- & Error-Verfahren aufgespürt." Über mehrere Wochen hinweg hat sein ehemaliger Team-Kollege alle Wege in der Region abgefahren. "Und das meine ich wörtlich", bekräftigt Alex. "An machen Abenden hatte Lukas 4000 Höhenmeter und mehr auf der Uhr stehen!" Er entdeckte zudem auf seinen Erkundungsfahrten zig neue Trails, die selbst alteingesessene Locals noch nicht auf dem Plan hatten. Das nenne ich eine seriöse Arbeitseinstellung! Weiter geht die wilde Hatz. Das Einzige, was mir Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass die Sonne gerade einmal noch eine Handbreit über dem Horizont steht, wir uns aber richtungsmäßig noch immer von Würzburg wegbewegen.

Nur noch die eine Abfahrt", ruft mir Alex gegen den Fahrtwind zu. "Die musst Du als Gast unbedingt erlebt haben, danach rollen wir auf dem Radweg locker zurück nach Würzburg.”

Locker? Schon wieder so ein irreführender Ausdruck aus dem Feierabendrunden-Fachjargon. Übersetzt heißt das nämlich so viel wie: Kette rechts und sich krampfhaft in den Windschatten des Vordermanns ducken. Bloß den Anschluss nicht verlieren, sonst tut’s noch mehr weh. Und was den Sonnenstand anbelangt: Zum Glück hat Mike wenigstens eine blinkende Rückleuchte im Notgepäck und sichert das Ende des D-Zugs. Denn als wir Würzburg nach knapp 50 Kilometern wieder erreichen, ist es stockfinster. Eine typische Feierabendrunde halt. Aber geil war’s!

Main-Brücke mit Blick auf die Würzburger Festung.Foto: Matthias RotterMain-Brücke mit Blick auf die Würzburger Festung.

Szenenwechsel. Wenn Würzburger Biker vom Käppele sprechen, meinen sie in der Regel nicht die doppeltürmige Wallfahrtskirche in der Nähe der Festung Marienberg. Nein, dann ist vom Erla­brunner Käppele die Rede, einer wirklich kleinen Kapelle nördlich der Stadt. Das Kirchlein Mariahilf thront hoch oben über dem Main, am Hang des markanten Volkenbergs. Es gibt sogar eine Erlabrunner Wallfahrt dort hinauf, die einmal im Jahr stattfindet. Mountainbiker pilgern hauptsächlich wegen der legendären Trails zum Käppele. Die Pfade schlängeln sich hier zwischen Eschberg und Volkenberg durch einen lichten Schwarzkiefernwald. Namen wie Zickzack-Weg oder Huber-Trail zaubern hier jedem ein Grinsen ins Gesicht. Diesmal bin ich zwar mit einer deutlich Freeride-lastigeren Gruppe unterwegs – zumindest, was die lässigen Klamotten und den Federweg betrifft. Aber was das sportliche Biken anbelangt, lassen die Jungs um Michael Herbig leider auch nichts anbrennen.

Das Tagesprogramm der Bike-Prominenz ist straff:

Zunächst geht’s auf dem sogenannten M-Weg dahin, ebenfalls ein lokaler Klassiker, der Main-abwärts bis nach Retzbach führt. Dort wechseln wir dann auf die andere Fluss-Seite und kurbeln über den besagten Berg­rücken am Käppele vorbei wieder retour. Selbstverständlich gleicht das Profil einem endlosen Sägeblatt, wir sind ja schließlich nicht in den Alpen, wo es fast schon langweilig einmal rauf- und wieder runtergeht. Beim Flugplatz am Schenkenturm steigt Michael ins Labyrinth der Pfade ein. Das Wäldchen in der Nähe von Veitshöchheim ist einer der Spots, in dem die Wege teilweise von den Locals angelegt werden. Zu den Aktiven zählt zum Beispiel Larry Westney, der wie Michael ein Urgestein der Würzburger Bike-Szene ist.

Der US-Amerikaner dürfte so manchem Cannondale-Piloten auch unter dem Pseudonym "Mister Head­shok" bekannt sein. Denn zusammen mit Partner Markus Dellinger gründete er Ende der Neunziger Jahre den Shop Eighty Aid. Mit der Berufung, sich ausschließlich um den Service von Head­shok- und Lefty-Federgabeln zu kümmern. Längst ist Larry eine Koryphäe auf diesem Gebiet, und wer schon immer mal alle je in Serie produzierten Modelle sehen wollte, sollte unbedingt seinem kleinen Headshok-Museum einen Besuch abstatten. Aber dass Larry auch Ahnung davon hat, wie man einen Trail harmonisch um Baumstämme herumfädelt, können wir gerade in vollem Tempo genießen.

Auf der Tour Main-Panorama 1 gilt es, an der Westseite des Mains ein paar Klippen zu überspringen.Foto: Matthias RotterAuf der Tour Main-Panorama 1 gilt es, an der Westseite des Mains ein paar Klippen zu überspringen.

Doch nicht genug der örtlichen Prominenz. Genau hier, auf den lauschigen Waldwegen nördlich von Würzburg, dürfte man des öfteren Bikes mit futuristischen Speichenrädern aus Carbon begegnen. Und manchmal sitzt sogar der Konstrukteur der leichten Propeller selbst im Sattel. Dann ist Christian Gemperlein, Chef von Bike Ahead Composites mal wieder auf Testfahrt mit neuen Prototypen. Der Carbon-Spezialist hat in Würzburg Kunststofftechnik studiert und anschließend sein Hobby zum Beruf gemacht. In Veitshöchheim, wo heute die heiligen Produktionshallen stehen, kann er aus der Werkstatt direkt auf die besten Trails düsen. Aus rein beruflichen Gründen, versteht sich. Der Mann ist zweifellos zu beneiden, denke ich, als Michael schon wieder ins Unterholz abtaucht.

So langsam wird mir bei dem Gekurve fast schwindelig. Hin und wieder sorgen jedoch Passagen durch die Weinberge für herrliche Panoramen übers Main-Tal. Kurz vor Retzbach schrauben wir uns schon wieder ganz nach oben, wo Windräder träge kreiseln und prallgelbe Rapsfelder die Hügel tapezieren. Dieser Kraftakt wäre gar nicht unbedingt nötig, denn wir könnten ja auch unten in die Trails einsteigen. Aber es geht ja um den Schwung, den wir von da oben in die lange Abfahrt zum Main hinunter mitnehmen. Abwechslungsreicher kann eine Bike-Tour wirklich kaum sein. Und dabei soll laut Michaels Versprechungen der beste Streckenabschnitt noch vor uns liegen. Am Eschberg empfängt uns ein mediterraner Wald aus knorrigen Bäumen, es riecht plötzlich nach Süden und Meer. Ein ganz besonderes Ambiente umgibt die Pfadspuren, die in Richtung Käppele mäandern.

Wein-Ausschank an der Alten Mainbrücke: die Chill-Out-Area der Würzburger hat fast schon was Mediterranes.Foto: Matthias RotterWein-Ausschank an der Alten Mainbrücke: die Chill-Out-Area der Würzburger hat fast schon was Mediterranes.

Letzte Kräfte werden mobilisiert, die Gruppe tollt mit Vollgas über die Dauerwellen. Ist das noch zu toppen? Eigentlich nicht. Aber die Locals haben noch ein weiteres Ass im Ärmel. Und das mitten in der Stadt. Wir steuern auf die alte Main-Brücke zu und gerade, als ich nach einem weiteren Trail Ausschau halte, entdecke ich die Menschen mit Kelchgläsern in der Hand. Nach dem gemeinsamen Trail-Ausritt treffen sich die Locals hier zum Chillen auf einen Fränkischen Schoppen mit Blick auf den Fluss. Auch das gehört zu den speziellen Feierabendritualen in Würzburg. Super Idee – es muss ja nicht immer ein Weißbier unter Kastanienbäumen sein.

Meistgelesen in der Rubrik Touren