Ralf Glaser
· 04.04.2018
Im Dahner Felsenland im Pfälzerwald lassen sich Trails bergauf wie bergab zum perfekten 360-Grad-Vergnügen verketten. Vorausgesetzt, man hat einen Motor im Mountainbike stecken.
"So ein E-Bike ist schon eine tolle Sache ...", meint Patrick. Doch da ist ein kleiner Unterton in seiner Stimme, der klarmacht, dass gleich ein "Aber" folgen wird. "Aber ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, ich jedenfalls bin so langsam ganz schön unterhopft." Wenn ich es nicht während der letzten Kilometer ohnehin schon festgestellt hätte, wüsste ich spätestens jetzt, dass ich hier richtig gelandet bin. Scheint so, als hätte sich die kulturelle Verbundenheit zwischen Bayern und Pfälzern unbeschadet von der gemeinsamen napoleonischen Historie in die Gegenwart hinübergerettet. Nach den zig Kilometern staubtrockener Trails durch das Unterholz des Pfälzerwaldes, über die mich die beiden Guides Patrick und Michl während der letzten zwei Stunden gejagt haben, trifft das Stichwort "Unterhopfung" den Nagel jedenfalls voll auf den Kopf. Ein wenig Strom für das Bike und ein halber Liter Elektrolyte für dessen Fahrer kämen jetzt genau richtig. "Bärenbrunnerhof, 3 km" steht auf dem Wegweiser am Ortsausgang von Schindhart zu lesen. Mit dem E-Bike trennt uns nur ein Katzensprung von dem mittelalterlichen Bio-Gehöft, dem legendären Zentrum der Südpfälzer Freeclimbing-Szene. Also nichts wie hin. "Immer langsam", bremst Patrick meinen Drang, auf die geteerte Straße ausweichen zu wollen. "Einen kleinen Trail und so ein paar ,Serpentinsche‘ nehmen wir schon noch mit". Also die Lefzen noch einmal abgewischt. Auch dieses Argument zieht. Patrick setzt eindeutig die richtigen Prioritäten.
Ohnehin scheint es so, als ließe sich dies auch der kompletten Region bescheinigen. Obwohl man sich traditionell, wie in praktisch jedem deutschen Mittelgebirge, in erster Linie dem wandernden Erholungssuchenden verpflichtet fühlt, begann man hier schon vor gut zehn Jahren, auch die Stollenritter als neue Gästeschicht ins Auge zu fassen – es entstand der Mountainbike Park Pfälzerwald mit vorerst fünf vorbildlich ausgeschilderten Cross-Country-Runden mit je etwa 50 Kilometern Länge. Konzentrierte sich das Angebot zu Beginn der Entwicklung noch auf das Zentrum des Pfälzerwaldes, erstreckt sich das Routen-Netz inzwischen auf praktisch jeden Winkel im Dreieck zwischen den Städten Kaiserslautern, Pirmasens und dem Kurflecken Bad Bergzabern. Beachtliche 20 bestens ausgeschilderte Touren aller Schwierigkeitsgrade stehen Mountainbikern (ob mit oder ohne Motor) heute zur Verfügung. Nicht wenigen der Runden darf man einen – für ausgeschilderte Mittelgebirgs-Touren – beachtlich hohen Anteil an Singletrails bescheinigen.
Patrick ist mit seiner Bike-Schule Trailrock mitten im Dahner Felsenland ansässig, dem sicherlich schönsten Flecken des Pfälzerwaldes. Zugegeben, nachdem ich erst heute Nachmittag hier eingetroffen bin, ist diese Aussage etwas voreilig. Aber ich kann mir einfach kaum vorstellen, was diese von Burgen und Burgruinen übersäte, mit spektakulär knallroten Buntsandsteinfelsen durchsetzte Waldlandschaft noch übertreffen sollte.
"Der Mountainbike Park ist eine tolle Sache", meint Patrick. Und das bezieht er nicht nur auf die Qualität der Strecken. Natürlich ist auch die Pfalz nicht frei von Konflikten zwischen Bikern und anderen Naturnutzern. "Der Park gibt dem Sport seinen offiziellen Rahmen, er ist ein sichtbares Zeichen an alle Erholungssuchende, dass das Biken hier nicht nur geduldet, sondern gewollt ist." Sein ganzes Potenzial zeigt das Dahner Felsenland aber erst durch die unzähligen kleinen, versteckten Singletrails, die hier noch den letzten Winkel des Waldes durchziehen. Ob das alles so auch rechtens sei, will ich von Patrick wissen. "Nun ja, die vielen Trails und vor allem die Premiumwanderwege dürfen nicht offiziell befahren werden", führt Patrick aus. "Aber wenn man sich rücksichtsvoll verhält, keine Spuren hinterlässt und die stärker frequentierten Wanderwege meidet, wird man keine Probleme bekommen. Die Stimmung zwischen Wanderern und Mountainbikern ist hier entspannt, und die Biker haben ihren Teil dazu beigetragen."
Das Problem der Unterhopfung bekommen wir auf dem Bärenbrunnerhof in den Griff. Der folgende Anstieg über den Forstweg lässt dann kaum Gelegenheit, die Muskulatur wieder in Schwung zu bringen, da biegt Patrick auch schon in einen Trail ein, der – 250 elektrische Zusatzwatt hin oder her – sakrisch steil an der Grenze zur Fahrbarkeit kratzt. Den Oberkörper tief über den Lenker gebeugt, trete ich mit voller Kraft in die Pedale. Erst muss ich das Vorderrad über eine wurzlige Stufe wuchten, dann hebelt mich ein steiles "Serpentinsche" fast in eine Rolle rückwärts. Wie die Maikäfer pumpend und mit einem Grinsen, das von einem Ohr zum anderen reicht, sammeln wir uns wenig später am Trailhead. Hat da jemand behauptet, E-Mountainbiken sei kein Sport? Auf jeden Fall ist es Fun-Sport, denn mit einem normalen Bike würden wir uns jetzt noch auf dem langweiligen Forstweg abmühen.
In den folgenden zwei Stunden hetze ich Patrick und Michi durch ein Dickicht aus Trails hinterher, dass mir bald jegliche Orientierung fehlt. Auf dem Trail hoch zum Kamm, einmal rund um den Hügel, dann runter in irgendein Tal, dessen Namen kaum in mein Bewusstsein dringt, weil alsbald schon der nächste Trail-Anstieg ansteht – da bin ich mal gespannt auf die Auswertung der GPS-Daten!
Wer hätte gedacht, dass ich einen Forstweg mal als eine willkommene Abwechslung wahrnehmen würde, als Gelegenheit, den Puls wenigstens zwischendurch mal wieder auf Normalmaß runterzupegeln? Unsere Abendrunde zum Einfahren ist noch lange nicht zu Ende, da habe ich meine bisherige Geisteshaltung zum Thema "Mountainbiken in Mittelgebirgen" gründlich überdacht. Klar ist man als Münchner weitaus schneller in die Alpen als in die Pfalz gereist. Doch Hand aufs Herz: Nicht jeder Biker will endlose Schotteranstiege hochbuckeln, um dann die Höhenmeter im Zeitraffer runterzuraspeln. Im Dahner Felsenland dagegen lässt sich fast blind davon ausgehen, dass sich die Trails auch bergauf in die Touren-Planung integrieren lassen. Die passende Fahrtechnik vorausgesetzt, ist dieser Spot für das E-Mountainbike geradezu prädestiniert – das perfekte 360-Grad-Vergnügen. Nur das mit dem Hopfen kriegen wir in Bayern für meinen Geschmack doch noch besser hin.
INFOS
Beste Reisezeit
Das Klima im Pfälzerwald ist stark vom angrenzenden Rheingraben beeinflusst, damit zählt Deutschlands westlichstes Mittelgebirge zu den wärmsten und niederschlagsärmsten Regionen der Republik. Mit Ausnahme weniger Schneetage im Winter lässt es sich hier praktisch ganzjährig biken. Zudem trocknet der sandige Untergrund nach Regenfällen sehr schnell ab. Im Hochsommer bietet der schattige Wald immer noch angenehme Temperaturen. Ein Spektakel ist der Pfälzerwald im Herbst, wenn der Mischwald in allen Farben leuchtet.
Anspruch
Der typische Pfälzer-Trail verläuft meist ohne starkes Gefälle entlang der Hangkanten. Trotz relativ geringer Höhenunterschiede zwischen Tal und Kammhöhen sind die Trails daher beeindruckend lang. Wegen der hervorragenden Wegpflege wird der Schwierigkeitsgrad S0 bis S1 nur sehr selten überschritten. Ausnahmen sind lediglich die häufigen, sehr engen Spitzkehren, die etwas fortgeschrittenere Skills beim Versetzen des Hinterrades erfordern. Davon abgesehen sind die Touren hier auch für Einsteiger sehr gut geeignet.
E-MTB-Infos
Die Website des Mountainbike Parks Pfälzerwald informiert erschöpfend über alle Tour- und Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort. www.mountainbikepark-pfaelzerwald.de
Reise-Infos
Auf der Website des Dahner Felsenlandes finden sich alle Infos zu den zahlreichen Sport- und Freizeitmöglichkeiten der Region und zur touristischen Infrastruktur. www.dahner-felsenland.net
Übernachtungstipp: Ideal für Gruppen bietet die Trailrock Lodge eine Übernachtungsgelegenheit für bis zu 10 Personen, Bike-Keller, Werkstatt, etc. www.trailrock-lodge.de
Guiding
Patrick Wiedemann von Trailrock bietet mit seinen Guides geführte (E-)MTB-Touren und Fahrtechnikkurse für alle Levels. www.trailrock.de
DIE TOUREN
• EMTB-Tour 1 Hauensteiner Runde
Tour-Daten: 49,2 km, 1000 hm, 3,5 h
Die Tour orientiert sich grob an Tour 11 des Mountainbike Parks. Neben der offiziellen und gut ausgeschilderten Touren-Führung sind immer wieder kleine Trail-Varianten möglich. Highlight ist unter anderem der kurze Abstecher zum Kamm des Nonnenfelsens. Dort führt eine leichte Kraxelstelle (2 m) zu einem tollen Aussichtspunkt über das Bärenbrunner Tal. Der Trail am Wölmersberg über Dahn ist vom Feinsten!
• EMTB-Tour 2 Busenberg & Fladensteine
Tour-Daten: 64,6 km, 1390 hm, 4,5 h
Diese Tour orientiert sich an Tour 13 des Mountainbike Parks. Auch hier lassen sich viele Trail-Varianten zusätzlich
einbauen, insbesondere um die Fladensteine südlich von Busenberg. Eine äußerst abwechslungsreiche Tour.
Die GPS-Daten der beiden Pfälzerwald-Touren aus EMTB 3/17 können Sie unten im Download-Bereich kostenlos herunterladen.