Jörg Spaniol
· 20.01.2022
Dirk Zedler ist Fahrradsachverständiger. Seine Prüfstände sind zentraler Bestandteil unserer Tests. Das Unternehmen agiert dabei ungewöhnlich umweltschonend.
Ein Öko-Haus im Gewerbegebiet ist an sich schon ungewöhnlich. Doch das flach gebaute Firmengebäude des Zedler-Instituts in Ludwigsburg ist umweltmäßig absolute Spitze. Es ist sogar mit dem Platin-Siegel der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet – ein höheres Lob hat der Verein nicht zu vergeben. Um so weit zu kommen, mussten die Architekten an allen Reglern drehen. Zum Einsatz kamen so viel Holz und so wenig Beton wie möglich. Das Regenwasser wird aufgefangen und trägt maßgeblich zur Versorgung des Hauses bei. Ein ausgeklügeltes Belüftungssystem sowie Isolation und Konstruktion erlauben den Verzicht auf eine Klimaanlage. Geheizt wird vor allem mit der Abwärme der Prüfmaschinen und Druckluftkompressoren sowie mit drei Wärmepumpen, die wiederum mit Schwarzwälder Wasserkraft und der Energie der hauseigenen Solarzellen betrieben werden. "Bei einem so gut isolierten und konstruierten Gebäude wie unserem hat man eher ein Problem mit zu viel Wärme im Sommer als mit zu wenig im Winter", sagt Dirk Zedler. 80 Sensoren checken ständig das Strom- und Wärme-Management, um auch kleinste Druckluftlecks und Verschwendungen zu entdecken.
Bei den Materialien reichen Zedlers Öko-Ambitionen bis hin zu Türgriffen aus alten Vorbauten und Kleiderbügeln aus ehemaligen Alu-Felgen. Verpackungsmaterialien für den Versand der Testmuster sind grundsätzlich wiederverwertet. Ein eigenes Lager enthält sortierte Papprollen und -kartons sowie Polstermaterialien.
Auch der Berufsalltag gestaltet sich beim Chef und seinen Angestellten etwas "grüner" als in den Betrieben rundum: Seit 2018 gab es keine geschäftlichen Flugreisen mehr, für externe Termine stehen Bahncard und Faltrad bereit. Drei Viertel der Arbeitswege legen die Angestellten zu Fuß oder per Rad zurück. Wenn sie dabei ins Schwitzen geraten, wartet klimafreundlich erhitztes Duschwasser auf sie – und eine Gratis-Apfelschorle von heimischen Streuobstwiesen.
BIKE: Das für sein Öko-Design prämierte Firmengebäude ist sicher ein gutes Signal. Aber ist es in Deinem Fall nicht wirksamer, auf der Kundenseite anzusetzen?
Dirk Zedler: Natürlich geht es bei einem Hersteller, der Zehntausende Fahrräder produziert, um viel mehr Material als in unserem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen. Die Nachhaltigkeit dort ist schon über die Steigerung der Haltbarkeit ein zentraler Teil unserer Arbeit. Unser Vorteil ist, dass wir durch die Arbeit als Gutachter genau sehen, welche Schäden in der Praxis an einem Rad auftreten. Wenn bestimmte Schadensbilder sich wiederholen, entwickeln wir Maschinen und Verfahren, um diese im Test zu reproduzieren. Der Hersteller kann dann gezielt gegensteuern. Meistens gelingt das nicht sofort über die ganze Palette, aber in zwei bis vier Jahren sind die Produkte dann so weit, dass die Schäden nicht mehr auftreten. Produkte haltbarer zu machen, ist der Kern unserer Arbeit.
Wollen die Hersteller das? Sie verkaufen dann ja weniger.
Doch, das ist schon gefragt, auch ohne große Umweltgedanken. Erstens will sicher niemand riskieren, dass sich ein Kunde mit einem versagenden Produkt schwer verletzt oder stirbt. Zweitens muss der Händler zufrieden sein, der sich sonst mit Reklamationen herumschlagen muss. Und drittens ist der Ruf einer Marke beim Endkunden schnell ruiniert.
Dirk Zedler: "Mit einem Produkt, dessen Nutzung die Städte lebenswerter macht, das gesund und klimafreundlich ist sowie Spaß bereitet, hat die Fahrradbranche wichtige Trümpfe in der Hand. Jetzt gilt es, als Branche zusammenzustehen, um in der Politik die Weichen für eine Mobilitätswende pro Radverkehr zu stellen."
Ist die Verbesserung von Generation zu Generation nicht ein sehr langwieriger Weg zu einem haltbaren Produkt?
Wir haben sicher dazu beigetragen, die Verbesserungen der Haltbarkeit enorm zu beschleunigen. Weil wir unsere Testverfahren offenlegen, kopieren sie einige Zulieferer in Asien. Da steht dann "zedeler testing" oder so was in der Produktbeschreibung. Irgendwie lustig, aber das hat sich als Begriff für das Testen oberhalb der Minimalanforderungen etabliert. Und es vermeidet schon ein paar schlechte Produkte. Wir entwickeln die Verfahren natürlich immer weiter und überprüfen dann auf neuestem Stand. Ich bin überzeugt, dass wir durch unsere Arbeit sehr viel Schrott und Müll vermeiden – der ja letztlich die gleiche Menge Rohstoff bindet wie ein funktionierendes, haltbares Produkt.
Ist die Radbranche generell auf einem nachhaltigen Weg?
So generell will ich das nicht beurteilen. Manches wird besser, anderes eher schlechter. Sagen wir es mal so: Wir haben als kleines Unternehmen bewiesen, dass man mit wenig Aufwand viel erreichen kann. Da finde ich es natürlich traurig, dass andere mit viel mehr Geld im Kreuz sich so wenige Gedanken machen.