Über einen Einheitsbrei an Komponenten können wir bei unseren BIKE-Testfeldern normalerweise nicht klagen. Doch gerade bei Bikes über 3000 Euro dominiert die Sram Eagle 12-fach Schaltung. Shimano konnte bislang den praktischen Einfach-Antrieben mit üppiger Bandbreite schlichtweg nichts entgegensetzen. Letztes Jahr stellten die Japaner die neue Highend-Gruppe XTR vor, die sich jedoch nur an Luxus-Bikes findet. Jetzt sollen Einfach-Antriebe mit großer Bandbreite zu erschwinglichen Preisen kommen: Shimano stellt die neueste Generation der beliebten Deore XT (M8100) und SLX (M7100) vor.
• 1-fach Kassette: 10-51 Zähne
• 2-fach Kassette: 10-45 Zähne
• 1-fach Kurbel: 28/30/32/34/36 Zähne (28 und 36 nur XT)
• 2-fach Kurbel: 26/36 Zähne
• 2-Kolbenbremse für XC-Einsatz
• 4-Kolbenbremse für All Mountain/Enduro
• Naben für Non-Boost / Boost / Superboost mit Micro Spline-Freilauf
• Laufräder XC / Enduro (nur XT)
Optisch erinnern beide neuen Shimano-Schaltgruppen stark an die XTR. So verwundert es nicht, dass alle Teile mit einander kombiniert werden können. Nach wie vor richtet sich die SLX an Einsteiger und markiert preislich das untere Ende der hochwertigen MTB-Komponenten von Shimano. Die XT liegt zwischen SLX und XTR und will gute Funktion zu einem fairen Preis bieten. Beide Schaltungen sind für den E-MTB-Einsatz freigegeben.
Im Gegensatz zu Sram glaubt Shimano weiterhin an die Zweifach-Antriebe. So gibt es wie bei der XTR zwei mögliche Setups: Entweder man fährt einen 1x12-Antrieb mit einer Kassette mit 10-51 Zähnen und somit 510 Prozent Bandbreite. Oder man kombiniert die Zweifach-Kurbel mit der 10-45er-Kassette und erhält 620 Prozent Bandbreite. Außerdem kann man zwischen einer leichten Zweikolbenbremse und einer stärkeren Vierkolbenbremse wählen. Komplette Laufräder bieten die Japaner nur in XT-Qualität an: Einen XC-Laufradsatz mit 24er-Felgen (laut Hersteller 1840 Gramm in 29 Zoll, 1764 Gramm in 27,5 Zoll) und einen Enduro-Laufradsatz mit 30 Millimeter Innenbreite (laut Hersteller 1932 Gramm in 29 Zoll, 1846 Gramm in 27,5 Zoll). Beide Laufräder kommen mit Alu-Felgen und sind mit 28 Speichen bestückt.
Bei der neuen XT-Kassette mit 12 Ritzeln verbauen die Japaner zwei Alu-Ritzel (die größten), bei der SLX nur eins. Die restlichen Ritzel sind aus robusterem Stahl. Den SLX-Schalthebel lagern die Japaner mit einer Gleitbuchse, den XT-Trigger mit zwei Kugellagern. Zum Vergleich: Im XTR-Hebel stecken vier Kugellager. Kommt der neue Shimano-XT-Hebel in Alu mit Gummi-Einsatz, müssen sich Mountainbiker bei der SLX mit einem Kunststoffhebel begnügen. Wie bei der XTR wird das vordere Kettenblatt über einen einzelnen Daumenhebel gewechselt. Die XT-Kurbeln gibt's in 165, 170, 175 und 180 Millimetern Länge, die SLX in 165 bis 175 Millimetern Länge. Alle Kurbeln lassen sich passend für nicht-Boost, Boost und Superboost wählen. Sowohl die Kettenblätter als auch die Ritzel sowie die Kette verfügen über die Features der XTR und sollen somit ebenfalls sehr komfortabel schalten. Unterm Strich bringt die SLX-Gruppe etwas mehr auf die Waage (148 Gramm bei vergleichbarer Konfiguration) als die Shimano XT-Schaltung, kostet aber auch weniger.
Wie auch bei der XTR stehen verschiedene Bremsen zur Wahl: Für Grammfuchser und leichte Piloten bieten die Japaner in beiden Qualitätsstufen eine Zweikolbenbremse an, für schwerere Fahren und Enduristen eine stärkere Vierkolbenbremse. Auf den ersten Blick ähneln sich die XT und die SLX-Bremse stark. Bei beiden Stoppern lässt sich die Hebelweite werkzeuglos verstellen, die Leerwegverstellung bleibt aber der XT-Bremse vorbehalten. Genau wie das Topmodell stützen sich beide Bremsen mit einem zusätzlichen Steg am Lenker ab. Das sorgt für eine äußerst steife Anbindung, nimmt aber auch mehr Platz in Anspruch.
Die Einfach-Versionen von Shimano SLX und XT sollen bereits ab dem 14. Juni 2019 verfügbar sein, die Zweifach-Varianten ab Mitte Juli. Die Preise für die 12fach-Shimano-Deore-XT orientieren sich an der alten XT-Gruppe (M8000), werden aber aufgrund des zusätzlichen Ritzels und neuer Technologien in etwa um zehn Prozent steigen.
Wir hatten bereits die Möglichkeit, beide MTB-Schaltgruppen im Einfach-Setup zu fahren. Im direkten Vergleich fällt auf, dass die XT unter Last die Gänge besser wechseln kann als die SLX. Auch das Schaltgefühl wirkt etwas definierter und wertiger. Den größten Unterschied dürfte hier der hochwertigere Schalthebel machen, mit dem man zwei Gänge hoch und vier Gänge runter schalten kann. Der SLX-Hebel erlaubt nur einen Gang hoch und drei runter. Die 510 Prozent Bandbreite reichen selbst für steile Anstiege und zügige Abfahrten aus. Beide Antriebe arbeiten auf hohem Niveau. Auf unserer Enduro-Tour konnte die XT-Vierkolbenbremse mit guter Modulation, stabilem Druckpunkt und guter Bremskraft überzeugen. Auch die Zweikolben-SLX-Bremse hinterließ bei der Testfahrt einen sehr positiven Eindruck, ein Unterschied zur XT ist nur schwer auszumachen. Nur der XT-Freilauf sorgte für Stirnrunzeln: Mal summte er leise, mal verstummte der Ratschen-Sound komplett. Laut den Shimano-Entwicklern ist die Thematik aber bekannt und soll in der Serie behoben sein. Die Funktion soll dadurch aber nicht beeinträchtigt sein. Die SLX-Naben sowie die Zweifach-Versionen konnten wir noch nicht ausprobieren.
Nach langem Warten stellt Shimano endlich zwei erschwingliche Zwölffach-Schaltungen für Mountainbiker vor, die mit gewohnter Qualität überzeugen können. Damit dürften sich zukünftig auch an Mittelklasse-Bikes wieder mehr Shimano-Schaltungen finden.