Adrian Kaether
· 20.04.2023
Mit dem Specialized S-Works Epic World Cup ergänzen die Kalifornier ihre Racebike-Familie durch einen auf Sprint- und Abfahrtsstärke optimierten Vollblut-Racer. Das Besondere: Über einen speziellen Dämpfer fühlt sich das Bike je nach Setup wie ein Hardtail oder wie ein straffes Fully an. Über ein Konzept, das polarisieren wird.
Effizient wie ein Hardtail, fahrstark wie ein Bike mit Vollfederung. Über die Jahre haben viele Hersteller versucht, mit ganz eigenen Konzepten Mittelwege zwischen starrem und gefedertem Heck zu finden. Hinterbauten mit Elastomeren sollten Hardtails Komfort einhauchen, Fullys mit kurzen Federwegen maximale Effizienz bringen. Allerdings: Nur wenige Hersteller waren damit wirklich erfolgreich. Das Trek Supercaliber ist die prominente Ausnahme und sicherte sich nicht nur eine stabile Fan-Gemeinde, sondern dank Jolanda Neff auch so manchen Worldcup-Sieg.
Nun steigt Specialized mit einem ähnlichen Konzept in den Markt ein. Das neue S-Works Epic World Cup ergänzt die bisherige Modellpalette aus dem Hardtail Epic HT, dem Racefully Epic und dem Down-Country-Bike Epic Evo durch eine neue, leichte und nicht zuletzt teure Rennmaschine. Das 9,6 Kilo leichte Specialized Epic World Cup soll Racer glücklich machen, die sich beim Sprint ein Hardtail-Heck wünschen und trotzdem bergab nicht auf die Federung verzichten wollen. 110 Millimeter Hub an der Front kombiniert Specialized mit nur 75 Millimetern Hub im Heck.
Die Idee: Der Hinterbau lässt sich über einen Spezialdämpfer entweder ähnlich wie bei einem klassischen Fully abstimmen. Dann steht der Dämpfer leicht im Hub (Negativfederweg) und reagiert einigermaßen feinfühlig auf Unebenheiten im Untergrund. Oder man leert über ein spezielles Ventil am Dämpfer die Negativkammer. Das erzeugt ein sehr hohes Losbrechmoment beim Einfedern und das Heck fühlt sich dann starr an, wie bei einem Hardtail. Den Federweg gibt es erst bei groben Schlägen frei. Bergauf oder im Wiegetritt soll das für maximalen Vortrieb wie bei einem Hardtail sorgen, bergab aber die Sicherheit eines Fullys bieten. Da dann der ohnehin schon überschaubare Negativfederweg komplett fehlt, muss man auf die Traktion und Sensibilität eines Fullys bei kleinen Schlägen und bergauf muss man dann aber ebenfalls verzichten.
Leider erfordert der Wechsel zwischen dem klassischen Fully-Setup und dem Setup mit Hardtail-Gefühl bergauf etwas Zeit, eine Dämpferpumpe und einen Inbus-Schlüssel. Man muss sich also je nach Strecke und vor dem Start entscheiden: Eher klassisches Fully oder lieber das Spezial-Setup mit starrem Heck bergauf? Letzteres empfiehlt Specialized für Strecken mit besonders glatten Untergründen wie die XCC-Short-Track-Rennen im Cross-Country-Worldcup. Die Brain-Technologie, bekannt aus dem normalen Epic, kommt so nur noch in der Gabel zum Einsatz.
In starkem Kontrast zu Treks Supercaliber setzt Specialized auch bei seinem straffen S-Works Racer Epic World Cup auf eine sehr aggressive Geometrie. Der Lenkwinkel liegt bei superflachen 66,6 Grad und ist damit noch mal ein Grad flacher als beim klassischen Epic-Racefully. Kurze Kettenstreben von nur 425 Millimetern und ein tiefes Tretlager versprechen Kurvenspaß und Fahrsicherheit bergab. Der Sitzwinkel fällt mit 74 Grad eher moderat aus.
Allerdings: Die sehr extreme Geometrie mit ihren flachen Winkeln ist auch dem speziellen Konzept des Bikes geschuldet. Bei einem normalen Bike sinken die Federelemente vorne wie hinten allein durch das Gewicht des Fahrers deutlich in den Federweg. Beim Epic Worldcup ist davon nur die Gabel betroffen und lässt so die Geometrie wieder etwas steiler werden. Das Heck bleibt hingegen fast starr. Auf 0 bis maximal 10 Prozent SAG ist der Spezialdämpfer des Epic Worldcup ausgelegt, ein konventionelles Cross Country-Bike wird mit mindestens 15, häufig bis zu 25 Prozent Negativfederweg gefahren.
Dass das neue Epic World Cup auch bei den inneren Werten ein Bike der Extreme ist, zeigt sich auch im Labor. Mit nur 1893 Gramm inklusive Dämpfer ist der Rahmen unseres Test-Bikes in Größe L der leichteste Fully-Rahmen, den wir im BIKE-Labor je auf der Waage hatten. Außerdem ist das Chassis des Epic World Cup mit 48 N/mm auch noch sehr steif und kann so mit einem exzellenten STW-Wert (Quotient aus Steifigkeit und Rahmengewicht) von über 25 glänzen. Hier haben die Specialized-Ingenieure ganze Arbeit geleistet.
Den superleichten und wertigen Rahmen paart Specialized am von uns getesteten S-Works-Modell mit Srams neuer XX Eagle Transmission inklusive integriertem Powermeter, dazu Level-Bremsen mit der neuen, eng am Lenker anliegenden Stealth-Optik sowie einigen außergewöhnliche Carbon-Parts wie dem neuen, einteiligen Specialized-Carbon-Cockpit. Das Top-Modell rollt auf ebenfalls gerade erst vorgestellten Roval-Control-SL-Laufrädern, die nur 1240 Gramm wiegen sollen und dem Epic inklusive Kassette und 2,35 Zoll breiten Reifen ein Laufradgewicht von unter 3,5 Kilogramm (BIKE Messung) bescheren. Statt einer Variosattelstütze gibt’s eine starre und leichte Stütze aus Carbon.
Neben dem S-Works-Top-Modell für 12.500 Euro wird es das Specialized Epic World Cup nur noch in einer Pro-Variante für 9000 Euro geben. Hier kommen ein minimal schwererer, aber günstigerer Carbon-Rahmen, ein konventionelles Cockpit, günstigere Carbon-Laufräder und Sram X0 Transmission zum Einsatz. Das Fahrwerk ist identisch zum Top-Modell. Ein S-Works-Rahmen-Set, das immer noch mit satten 6500 Euro zu Buche schlägt, gibt es außerdem. Allerdings: Das spitze Konzept des Epic World Cup ist ohnehin nicht auf Masse ausgelegt. Ein günstigeres Epic-Hardtail oder das vielseitige und nur minimal schwerere, klassische Epic-Racefully dürften für viele nach wie vor die bessere Wahl sein.
Die sportliche Sitzposition animiert zur Attacke, und schon leichten Pedaldruck setzt das Specialized in beeindruckenden Vortrieb um. Hier machen sich die leichten Laufräder und die hohe Steifigkeit deutlich bemerkbar. Die mühelose Beschleunigung zaubert einem ein dickes Grinsen ins Gesicht. Auch mit dem weicheren Dämpfer-Setup bleibt das Heck im Wiegetritt erstaunlich ruhig. Eine beeindruckende Vorstellung, die das Epic World Cup auch im straffen Setup höchstens noch minimal toppen kann. Zu spüren ist das in der Praxis kaum, nur die Stoppuhr könnte hier im Rennbetrieb Klarheit bringen.
Und das straffe Setup hat aber einen gravierenden Nachteil: In technischen Anstiegen reagiert das ohnehin nicht sehr traktionsorientierte S-Works Epic dann eben auch wie ein Hardtail, hängt sich an Hindernissen stärker auf und geizt mit Grip. Die straffe Einstellung ist daher nur für Sprints und absolut ebene Untergründe die bessere Wahl, wenn selbst der kleinste Vorteil noch über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Der flache Lenkwinkel und die kurzen Kettenstreben lassen außerdem früh die Front steigen und erschweren die Linienwahl bergauf etwas. Kurzum: Zumindest in technischen Anstiegen sind klassische Race-Fullys mit mehr Federweg, mehr Negativ-Federweg und dadurch mehr Traktion und auch moderaterer Geometrie etwas im Vorteil.
Dafür ist das sprintstarke Epic Fully auch bergab eine Macht. Und das trotz des geringen Hubs im Heck und trotz der Spezialfederelemente, die leider in puncto Sensibilität nicht mit klassischen Fahrwerken mithalten können. Das Ass im Ärmel des Specialized Epic ist die Geometrie. Sie gibt viel Sicherheit und animiert trotz starrer Sattelstütze und leichter Reifen zu einer aggressiven Fahrweise und direkter Linienwahl. Allerdings: Zu wild treiben sollte man es nicht. Wegen der starren Stütze ist der Bewegungsfreiraum auf dem Bike eingeschränkt, Fahrfehler quittiert das Epic außerdem deutlich und wirft den Fahrer dann gerne aus der Linie. Speziell die hohe Steifigkeit in Chassis und vermutlich auch Laufrädern ist hier spürbar und sorgt für ein störriges Fahrverhalten bei seitlichen Schlägen in Schräglage, wie etwa in flachen Kurven und in hängenden Passagen (off-camber).
Umso größer ist aber die Befriedigung, wenn man mit dem präzisen Racer ungebremst die schnelle Linie anvisiert und am Ende mit Vollgas in die nächste Passage schießt. Übrigens: Luft unter den Reifen mag das straffe Fliegengewicht auch ziemlich gerne, sofern man weiß, was man tut. Damit ist das Epic ein beeindruckend schneller, aber wenig fehlertoleranter Vollblut-Racer. Dem einzigartigen, strafferen Dämpfer-Setup mit hohem Losbrechmoment und Hardtail-Feeling konnten wir im Gelände mit wechselnden Untergründen allerdings eher wenig abgewinnen.
Wer sich immer mit der Entscheidung zwischen Fully und Hardtail geplagt hat oder regelmäßig im World Cup Short Track und XCO mit demselben Bike bestreiten muss, der dürfte Gefallen am Specialized Epic World Cup finden. Es ist offensichtlich: Genau dafür wurde das MTB entwickelt. Für alle anderen bleibt Specializeds neuester Wurf mit dem leichtesten Rahmen am Markt ein faszinierendes, aber auch mindestens 9000 Euro teures Stück Technik, das sich nur lohnt, wenn man dem Konzept mit starrem Dämpfer auch etwas abgewinnen kann.