Stefan Loibl
· 26.01.2020
Das Vertex gehört zu den Veteranen im Marathon-Startblock. Unser Dauertest zeigt, ob das edle Ahornblatt-Hardtail auch den rauen Pendleralltag wegsteckt.
Als die 29er-Welle im Jahr 2010 nach Europa schwappte, waren die Kanadier mit dem Vertex an vorderster Front dabei. Die letzte Frischzellenkur verpasste Rocky Mountain seinem Hardtail-Klassiker 2018. Auch fürs kommende Modelljahr wird sich bei den drei Carbon-Modellen nur die Farbe ändern. Im Gegensatz zu Specialized, Canyon & Co. verzichtet Rocky Mountain darauf, sein steifes Carbon-Chassis auf unter 1000 Gramm abzuspecken. Gute Voraussetzungen für ein langes Leben. Die Geometrie ist stimmig und nach wie vor up to date. Vor allem bergab bietet der 69,5er-Lenkwinkel mit dem kurzen, breiten Cockpit viel Sicherheit. Nur beim Sitzkomfort kann das Vertex trotz lang ausgezogener 27,2er-Sattelstütze nicht mit den Besten am Markt mithalten. Obwohl sich das Rad des Deutschen Marathon-Meisters Sascha Weber im Startblock am wohlsten fühlt, sollte es in unserem Langzeittest vor allem im Alltagseinsatz bestehen.
Über insgesamt 17 Monate musste das Vertex-Top-Modell beweisen, dass es auch mit widrigen Bedingungen und minimaler Pflege gut zurechtkommt. Der Rahmen samt Lackierung im Ahornblatt-Design zeigte sich äußerst widerstandsfähig. Bis auf zwei, drei Kratzer sieht man ihm die vielen Schlechtwetter-Kilometer und Autotransporte nicht an. Anders dagegen das hintere Laufrad: Keine heftigen Einschläge, keine Seitenschläge, keine Zentrierorgien – trotzdem begann die Stan’s-Felge an den Speichennippeln zu reißen. Im Laufe der Zeit wurden die Risse etwas größer, ersetzen mussten wir das Laufrad allerdings bis zum Schluss nicht. Im 2020er-Modell verbaut Rocky übrigens Felgen von Race Face und WTB. Abgesehen von normalen Verschleißteilen wie Kette und Bremsbelägen (je zwei Mal gewechselt) war vor allem das Pressfit-Innenlager auffällig. Nachdem das hakelig-rau laufende Serienlager seinen Dienst quittiert hatte, wurde es durch neue Lagerschalen ersetzt, die Rocky ab 2019 serienmäßig verbaut. Auch die waren am Ende des Dauertests wieder stark angeschlagen und hätten, genauso wie das untere Steuersatzlager, getauscht werden müssen. Der hohe Lagerverschleiß ist ärgerlich, allerdings wurde auch im Winter gefahren und die Lager nicht gereinigt und nachgefettet.
Obwohl schon zwei Jahre auf dem Markt, muss sich das robuste, abfahrtsstarke Vertex im Startblock nicht verstecken. Die leichten Stan’s-Felgen und das anfällige Innenlager trüben ein wenig den Gesamteindruck des teuren Hardtails.
Auf Rumpel-Trails über Malcesine, dem BIKE-Marathon in Riva oder beim Pendeln im Münchner Norden: Wann immer man auf ein Fully verzichten konnte, kam das Rocky-Hardtail zum Einsatz. Selbst, wenn Schmodder oder Schnee die Isar-Ufer verhüllten, musste das Vertex zweimal am Tag vor die Tür. Trotz mangelnder Höhenmeter und längerer Anstiege waren das keine geschenkten Kilometer. Die nötige Portion an Singletrails holte sich das Bike auf langen Runden im Altmühltal und auf den Wurzelpfaden rund um Pfaffenhofen – egal zu welcher Jahreszeit.
"Mit meinem 2016er-Vertex fahre ich ca. 10000 km pro Jahr. Mit dem Rahmen hatte ich nie Probleme. Nach dem Tausch des Innenlagers heuer läuft der Schimmel wieder wie am ersten Tag." Micha Täubert, Facebook
"Mein Vertex 970 läuft seit fünf Jahren Sommer wie Winter. Einmal Tretlager gewechselt, sonst normaler Verschleiß." Pete Rockybiker, Facebook
Material Carbon, Rahmengröße M
Preis / Gewicht 4800 Euro / 9,08 kg ohne Pedale
Federweg / Lenkerbreite 100 mm / 760 mm
Kurbel / Schaltung Race Face Next R / Sram X01 Eagle
Gabel Rockshox SID RLC
Laufräder Rocky Mountain / DT Swiss 350-Naben; Stan’s Crest MK3-Felgen
Alter / Größe / Gewicht 33 Jahre / 1,80 m / 75 kg
Fahrerprofil Lange Cross-Country-Touren, Marathons und Gipfel-Touren in den Alpen
Lieblingsreviere Altmühltal, Würzburg, Stellenbosch
Diesen Artikel finden Sie in BIKE 1/2020. Die gesamte Digital-Ausgabe können Sie in der BIKE-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Print-Ausgabe im DK-Shop nachbestellen – solange der Vorrat reicht: