Vollgas-Maschine ganz individuellStumpjumper Evo 2021

Adrian Kaether

 · 06.10.2020

Vollgas-Maschine ganz individuell: Stumpjumper Evo 2021Foto: Adrian Kaether
Vollgas-Maschine ganz individuell: Stumpjumper Evo 2021

Mit dem neuen Stumpjumper Evo merzt Specialized Kinderkrankheiten aus und stellt ein starkes Allround-Bike auf die Räder. Von Enduro-Rennen bis Tour soll alles damit möglich sein. Ob der Plan aufgeht?

Als das Specialized Stumpjumper Evo 2018 neu vorgestellt wurde, sollte es polarisieren. Es war ein Konzept-Bike in rohem Aluminium, eine abgedrehte Idee der Entwickler, die es irgendwie in die Serie geschafft hatte. Superflacher Lenkwinkel, langer Rahmen mit supertiefem Tretlager gepaart mit nur moderaten Federwegen von 140 beziehungsweise 150 Millimeter. Wer würde das überhaupt fahren wollen? Doch das Bike verkaufte sich wider Erwarten wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.

Für 2021 stellt Specialized das Stumpjumper Evo nun komplett neu auf. Denn was 2018 als Experiment nur in Alu und einer einzigen Ausstattungsvariante begann, mauserte sich schnell zum Verkaufsschlager. Nun steht ein neues Bike in den Startlöchern, dass die Lehren, die man aus dem experimentellen Vorgängerbike gezogen hat, konsequent umsetzt. 150 Millimeter Federweg im Heck, der nun deutlich progressiver ausfällt, gepaart mit einer 160-Millimeter-Gabel. Laufräder in 29 Zoll, eine flache und stark individualisierbare Geometrie – das sind die wichtigsten Eckdaten.

  Das neue Stumpjumper Evo für 2021 ist lang und flach, bietet aber einen breiten Einsatzbereich.Foto: Adrian Kaether
Das neue Stumpjumper Evo für 2021 ist lang und flach, bietet aber einen breiten Einsatzbereich.

Das "ultimative Trailbike" – Leichter Rahmen und progressives Fahrwerk

Damit das Bike, wie das Marketing verspricht, zum "ultimativen Trailbike" wird, hat Specialized nahezu jedes Detail unter die Lupe genommen. Der Rahmen, der nun nach Herstellerangaben 2750 Gramm in Größe S4 mit Dämpfer wiegen soll, wurde von Grund auf neu designed. Optisch orientiert er sich zwar am asymmetrischen Chassis des "normalen" Stumpjumper, in Sachen Kinematik aber am Enduro. Entsprechend soll sich die Hinterachse nun beim Einfedern gleichzeitig nach hinten und oben bewegen. So sollen Hindernisse leichter und mit weniger Schwungverlust überwunden werden. Durch die stärkere Progression soll der Hinterbau außerdem mehr Reserven für eine schnelle Gangart bieten, zu der die flache Geometrie ohnehin einlädt.

  Der Flipchip verlängert die Kettenstreben und senkt das Tretlager ab.Foto: Adrian Kaether
Der Flipchip verlängert die Kettenstreben und senkt das Tretlager ab.

Geometrie: Von superflach bis moderat

Und apropos Geometrie: Bis auf superflache 63 Grad lässt sich der Lenkwinkel nun absenken. Wer es verspielter möchte, kann den Lenkwinkel aber auch bis 65,5 Grad anheben. Möglich wird dieser weite Verstellbereich durch die Kombination aus einem Flipchip in den Kettenstreben und einem von Haus aus mitgeliefertem Winkelsteuersatz. Ersterer längt und kürzt die Kettenstreben um fünf Millimeter und hebt beziehungsweise senkt das Tretlager um sieben Millimeter, wodurch sich auch der Lenkwinkel um jeweils ein halbes Grad verändert. Mit Letzterem lässt sich ganz gezielt der Lenkwinkel einstellen, jeweils in drei 1-Grad-Schritten. So soll sich das neue Stumpjumper Evo auf fast jede Fahrsituation optimal einstellen lassen: von tretlastigen, flachen Trails bis hin bis zu steilen und schnellen Abfahrten. Übrigens: Wer möchte, kann das Stumpjumper Evo sogar mit kleinem Hinterrad fahren. Dazu benötigt man allerdings eine neue Dämpferanlenkung, die nur im Zubehör erhältlich ist (Ausnahme: Ltd-Modell s. u.).

Stumpjumper Evo: Größen S1 bis S6

Wie bisher auch, wird es das Stumpjumper Evo nicht in den klassischen Rahmengrößen (S, M, L, XL), sondern in sogenannten S-Größen (S1-S6) geben. Das soll die Kunden dazu ermutigen, das Bike nicht nur nach ihrer Körpergröße, sondern auch nach ihrer persönlichen Präferenz auszuwählen. Die Überstandshöhe des Bikes fällt daher bewusst gering aus, so dass auch kleinere Fahrer große Größen wählen können. Bei einem ersten Test zeigte sich, dass das Konzept tatsächlich aufgeht. Mit einer Größe von gut 1,80 Meter und einer Schrittlänge von 87 Zentimetern konnten wir zwischen dem kurzen und verspielten S3, der Standardgröße S4 (entspricht in etwa L) oder dem langen und laufruhigen S5 wählen, ohne am oberen oder unteren Ende die Einschubtiefe beziehungsweise den Auszug der Sattelstütze auszureizen.

Ebenfalls lobenswert: der mitwachsende Rahmen. Greift man zum S5 oder dem S6, wächst die Länge der Kettenstreben um zehn Millimeter von 438 auf 448 Millimeter. So soll ein möglichst ausgewogenes Fahrgefühl unterstützt werden. Das Carbon-Layup der verschiedenen Rahmengrößen soll ebenfalls auf die verschiedenen Fahrergewichte abgestimmt sein, damit der S1-Rahmen nicht zu steif, der S6-Rahmen nicht zu weich wird.

Ein Spritzschutz aus Gummi schützt den Übergang von Hauptrahmen und Hinterbau vor grobem Dreck.
Foto: Adrian Kaether

Ab 4499 Euro – fünf Ausstattungen in Carbon

Fünf Modellvarianten des neuen Specialized Stumpjumper Evo wird es geben, vorerst alle nur in Carbon. Los geht es mit dem 4499 Euro teuren Stumpjumper Evo Competition, das mit SLX-Komponenten bei Bremsen und Antrieb und Fox 36 Rhythm und DPX2-Dämpfer zwar keine Gewichtsrekorde bricht, aber bereits solide ausgestattet ist. Schon das Expert für 5499 Euro bietet die Highend-Gabel Fox 36 Performance Elite mit Grip2-Dämpfereinheit (High- und Lowspeed Zug- und Druckstufe), einen deutlich hochwertigeren Antrieb (Sram GX/X01) und Code-Bremsen. Roval-Carbon-Laufräder gibt’s dann beim 7999 Euro teuren Pro-Modell, dessen Ausstattung mit Fox Factory-Fahrwerk und vielen weiteren Carbon-Teilen auch ansonsten über jeden Zweifel erhaben ist. Mit Srams elektronischen AXS-Komponenten setzt das S-Works aber nochmal eine Schippe drauf, kostet dafür aber auch 10499 Euro.

Etwas aus der Reihe fällt das im Laufradmix aufgebaute Stumpjumper Evo Ltd, dass sich mit Stahlfederdämpfer (Super Deluxe Select Plus Coil), dicker Rockshox ZEB-Gabel und kleinem 27,5-Zoll-Hinterrad an diejenigen richtet, die es richtig krachen lassen wollen. Die spezielle Dämpferanlenkung, die das Fahren mit kleinem Hinterrad ermöglicht, lässt sich aber auch bei allen anderen Modellen über das Zubehör erwerben. Ansonsten ähnelt die Ausstattung des Ltd-Modells mit GX/XO1 Mix im Antrieb und Code-Bremse der des Expert.

  Die SWAT-Box am Evo bietet nun etwas mehr Stauraum und kann auch eine Wasserblase aufnehmen, die 645 Milliliter fasst und im Lieferumfang enthalten ist.Foto: Adrian Kaether
Die SWAT-Box am Evo bietet nun etwas mehr Stauraum und kann auch eine Wasserblase aufnehmen, die 645 Milliliter fasst und im Lieferumfang enthalten ist.

SWAT-Box und Tools

Wie bei Specialized Carbon-Rahmen üblich verfügen alle Modelle über eine SWAT-Box unter dem Flaschenhalter, in der sich kleinere Ersatzteile, Riegel, dünne Jacken und Zubehör praktisch im Rahmen verstauen lassen. Ein Tool sitzt entweder am Flaschenhalter oder im Vorbau und ist so im Zweifel immer griffbereit. Neu für dieses Jahr ist das etwas gesteigerte Volumen der SWAT-Box und eine Wasserblase, mit der sich 645 ml Wasser ebenfalls im Unterrohr verstauen lassen, um die Flasche unterwegs wieder auffüllen zu können.

  Je rauer die Strecke, desto mehr blüht das Stumpjumper Evo auf. Das Bike macht aber auch auf flacheren Trails noch Spaß.Foto: Valentin Rapp
Je rauer die Strecke, desto mehr blüht das Stumpjumper Evo auf. Das Bike macht aber auch auf flacheren Trails noch Spaß.

Erster Fahreindruck Stumpjumper Evo Expert: Laufruhe satt!

Im Rahmen der Präsentation in Saalbach-Hinterglemm hatten wir bereits die Möglichkeit, dem Expert-Modell des neuen Stumpjumper Evo einen Tag lang auf den Zahn zu fühlen. Speziell das von uns gefahrene Modell in Größe S5 glänzte dabei mit außerordentlicher Laufruhe und unaufgeregtem Handling, blieb aber dank des poppigen Fahrwerks dennoch erstaunlich lebendig. Große Absätze und rumpelnde Geraden bei hohem Tempo schrecken das Bike kaum. Hier lehrt es manches Enduro das Fürchten. Der Hinterbau zeigt sich sensibel, nutzt den Federweg nach wie vor aber trotz der gesteigerten Progression gut aus. Harte Durchschläge bemerkten wir jedoch nicht. In engen Kurven muss das Stumpjumper Evo dank langer Kettenstreben (448 Millimeter) und fast 500 Millimeter Reach beim S5-Modell mit etwas Nachdruck gefahren werden. Aufgrund der großen Rahmengröße ist das jedoch kaum verwunderlich (Gefahren: S5 statt der empfohlenen Standardgröße S4). Mit einem Bike in Größe S4 oder gar S3 lässt sich der Spieltrieb vermutlich zurückgewinnen, wenn auch die extreme Souveränität dann etwas weniger ausgeprägt sein dürfte.

  Bergauf pedaliert das Stumpjumper Evo komfortabel und ausgewogen. Der steile Sitzwinkel ist angenehm.Foto: Valentin Rapp
Bergauf pedaliert das Stumpjumper Evo komfortabel und ausgewogen. Der steile Sitzwinkel ist angenehm.

Bergauf beweist das Stumpjumper Evo ebenfalls gute Manieren. Dank des steilen Sitzwinkels (rund 77 Grad) sitzt der Schwerpunkt gut ausbalanciert zwischen den Rädern und es tritt sich angenehm. Auch dann noch, wenn der Trail steil bergauf zeigt. Der Hinterbau wippt beim Treten nur leicht, der Griff zur Dämpferplattform wird – anders als beim alten Stumpjumper – höchstens im Wiegetritt notwendig. Eine regelrechte Bergauf-Rakete ist das Bike aber nicht, doch lange Touren sollten diesem ersten Eindruck nach kein Problem sein. In Kombination mit der furchteinflößenden Abfahrtsperformance eine gelungene erste Vorstellung.

Alle Infos zu den neuen Specialized-Bikes für 2021 und die Gewichte zum Stumpjumper Evo gibt’s in BIKE 12/20 – ab 3. November im Handel und in der Digitalausgabe.

  Lange Trail-Abenteuer im alpinen Gelände? Kein Problem.Foto: Valentin Rapp
Lange Trail-Abenteuer im alpinen Gelände? Kein Problem.

Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Website des Herstellers.