Jan Timmermann
· 30.05.2023
Abgefahrener Look, exklusives Image – es gibt nur wenige Bikes weltweit, die derart verehrt werden, wie die der Marke Unno. Hinter den außergewöhnlichen Konstruktionen steckt ein Designer-Team mit Sitz in Barcelona, angeführt von Cesar Rojo. Der Industrie-Designer ist nicht nur Experte für extravagante Ästhetik, sondern kennt sich als ehemaliger Downhill-Weltmeister der Masters-Klasse auch mit schnellen Rädern aus. Neben zahlreichen Bike-Herstellern setzten auch Porsche und KTM-Motorrad bereits auf Rojos Entwickler-Knowhow.
Als wir 2019 das Vorgängermodell des Unno Dash im Test hatten, verglichen wir es angesichts des rattenscharfen Rahmens mit einer Skulptur der modernen Kunst. Zwischenzeitlich wurde das Design von zahlreichen Konkurrenten nachgeahmt, woraufhin Rojo eine völlig neue Formensprache entwarf, um das Alleinstellungsmerkmal seiner Marke zu erhalten.
Vier Jahre und drei Prototypen-Generationen vergingen, bis das neue Dash serienreif war. Da bislang ausschließlich in der eigenen Firma produziert wurde, waren Mountainbikes für Rojo bis dato eine wirtschaftliche Nullnummer mit begrenzten Wachstumschancen.
Die neueste Unno-Generation wird nach wie vor in Barcelona entwickelt, die Rahmen aus japanischem Toray-Carbon produziert nun jedoch ein Partner in Fernost nach Rojos Vorgaben. Auch die Materialtests wurden teilweise ausgelagert. Das Ergebnis: Der Rahmenpreis für das All Mountain Dash ist von 5000 auf 3995 Euro gesunken.
Mit dem Dash Race testen wir das derzeit günstigste Komplett-Bike von Unno. Bei 8395 Euro erscheint das Wort “günstig“ zwar eher von relativer Natur. Gemessen an so mancher Neuvorstellung dieses Jahres, dem guten Ausstattungspaket und der nach wie vor hohen Exklusivität relativiert sich die Summe jedoch etwas.
Egal, wo man mit dem Dash vorfährt, es zieht unweigerlich die Blicke auf sich. Durch den hohen Grad an Systemintegration wirkt das Bike wie aus einem Guss. Die Sattelklemme ist in den langen Sitzdom integriert, die Leitungen laufen durch den Steuersatz ins Rahmeninnere. Vorbau und Lenker bilden eine Einheit aus Kohlenstoff. Ins Unterrohr ist ein Staufach mit passender Innentasche eingelassen, und am Rahmen findet sich eine dezente Kettenführung.
Das spektakuläre Design bringt für Schrauber jedoch auch einige Eigenarten mit sich. So ist das Tretlager innerhalb des Schwingenlagerpunktes verschraubt. Zum Kontern der entgegengesetzt drehenden Teile wird ein Spezialwerkzeug benötigt. Am Gabelschaft klemmen zwei Keilschrauben mit limitierter Drehmomentfreigabe das einteilige Cockpit. Trotz korrekter Montage konnten wir die Klemmung unter Volllast verdrehen. Während unseres Tests verlor das Unno zudem gleich zwei Kleinigkeiten: Zum einen ging die über einen Schiebemechanismus befestigte Abdeckung des Staufachs verloren, zum anderen löste sich der geklebte Unterrohrschutz schon bei der ersten Ausfahrt.
Doch genug der Details: Wie fährt sich nun das Designer-Stück? Trotz des 40 Millimeter kurzen Stummelvorbaus sitzt man auf dem Dash nicht zu aufrecht. Neutral und ausgewogen platziert die Geometrie den Fahrer auf dem Bike. Durch die Kombination aus 77,5 Grad steilem Sitzwinkel sowie kurzer und breiter Steuerzentrale bringt man im Sattel viel Druck aufs Vorderrad. Dabei bleibt die Kontrolle auch an steilen Rampen lange erhalten. Im Wiegetritt pumpt der Hinterbau deutlich. Ein Griff zum Plattformhebel des Dämpfers vermag das Heck zwar zu beruhigen. Dieser liegt jedoch nur frei, wenn der Flaschenhalter leer bleibt. Apropos: Trotz der Nähe von Ober- zu Unterrohr passt auch eine große Trinkflasche mit 600 Millilitern ins Rahmendreieck.
Dank Spezialkassette von E-Thirteen mit 9–50 Zähnen ist der Antrieb des Unno breit übersetzt. Für höhenmeterlastige Touren empfiehlt sich ein kleineres Kettenblatt. In Serie verbeißen sich 34 Zähne in der Kette. Im Antritt kommt das futuristische Fully trotz knappen Federwegs etwas zäh in Schwung. Schuld daran ist vor allem das hohe Gewicht, durch das sich das Dash schlicht nach sehr viel Fahrrad anfühlt.
In der Abfahrt spürt man gut, dass Unno-Chef Rojo ein Fan des Zusammenspiels von langem Hauptrahmen und kurzem Vorbau ist. In gemeinsamen Projekten mit Mondraker trieb der Spanier diesen Geometrieansatz, der heute an fast allen abfahrtsstarken Bikes zu finden ist, schon früh voran. Ruhig und gelassen schießt das Dash auch bei hohen Geschwindigkeiten durchs Gelände.
Dafür, dass das Bike bergab so satt und sicher auf dem Trail liegt, ist die Geometrie mit 478 Millimeter langem Reach und 64,5 Grad flachem Lenkwinkel jedoch nur teilweise verantwortlich. Souveränität in rauem Geläuf verleiht dem Dash vor allem der extrem fein ansprechende Hinterbau. Da kann selbst die sensible Fox 36 mit Grip-2-Kartusche nur mit Mühe mithalten. Obwohl nur 135 Millimeter Federweg anliegen, vermittelt das Heck auffällig hohe Reserven. Gleichzeitig bietet der progressive Hinterbau, der auch für Stahlfederdämpfer freigegeben ist, einen guten Gegenhalt.
Trotz der hohen Laufruhe und des lebendigen Hecks steuert das Dash auch über enge Trails präzise. Mit angenehmem Feedback pusht man über Kuppen und zieht das Bike über Sprünge. Aufgrund der langen Kettenstreben von 445 Millimetern zeigt es, verglichen mit anderen Bikes dieser Federwegsklasse, aber weniger Spieltrieb.
Die Stunde des außergewöhnlichen Dashs schlägt in Steilabfahrten. Je größer das Gefälle, desto mehr gefällt das Fahrgefühl. Im Luftraum über dem extrem tief ansetzenden Oberrohr bleibt jederzeit viel Platz für Ausgleichsbewegungen.
Dass das Bike erst so tief unter einem beginnt, braucht etwas Eingewöhnungszeit. Dann aber begeistert das einfache Handling. In kniffligen Passagen fällt die Gewichtsverlagerung erfreulich leicht. Auch in der direkten Fall-Linie stehen Piloten souverän über und weit hinten im Rad. Überschlagsgefühle? Fehlanzeige!
Mit ihren vier Kolben beißen die Formula-Cura-Bremsen kraftvoll zu. Selbst mit wenig Last auf dem Hinterrad bleibt die Bremstraktion hoch. Auch hierfür ist der feinfühlige Hinterbau verantwortlich.
Mit 40 Newton pro Millimeter liegt die zentrale Steifigkeit des neuen Carbon-Rahmens aus Fernost zwar deutlich unter dem Wert des Vorgängers von 61 Newton pro Millimeter, aber dennoch voll im grünen Bereich. Das flache Unterrohr bildet einen beachtlichen Resonanzkörper. So sorgt auch das kleinste Klappern für Aufsehen – und nicht nur der außergewöhnliche Look und das Image des Unno.
“Steil ist geil”, lautet das Motto beim Unno Dash. Je größer das Gefälle, desto besser geht das unkonventionelle Rahmenkonzept auf. Auch steile Rampen klettert der Spanier willig empor. Auf flachen Trails ist das All Mountain zu träge. Dann schaltet man lieber einen Gang zurück und erfreut sich an der geilen Optik. – Max Fuchs, BIKE-Testredakteur
GESAMT BERGAUF: 61,5 VON 90
GESAMT BERGAB: 114,3 VON 130
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.