All Mountain Bikes bis 5000 Euro7 Bikes bis 160 Millimeter im Test

Auf den Enduro-, Freeride- und Downhill-Strecken am Bikepark Geißkopf wurde ausgiebig getestet.
Foto: Max Fuchs
Trailbikes sind tretfreudig auf Tour, Enduros dominieren bergab. Doch was, wenn beide Attribute gleichermaßen gefragt sind? Auf Abenteuern in den Alpen etwa? Um die Kategorie der All Mountains wurde es in letzter Zeit etwas ruhig. Sind sie noch immer die vermeintlichen Alleskönner?

KATEGORIE: All Mountain | FEDERWEG: 138 bis 160 Millimeter | PREISKLASSE 3500 bis 5000 Euro

Diese Bikes haben wir getestet:

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All-Mountain-MTBs: Bikes für 3500-5000 Euro im Test

Mit dem letzten Licht über alpine Trails surfen, den Blick auf sonnenumspielte Gipfel gerichtet. In den Ohren nur der Fahrtwind und das Poltern der Reifen auf blankem Fels. Endorphine fluten die Blutbahn. Diese Bilder flimmern mir durch den Kopf, wenn von All Mountains die Rede ist.

Die Realität unseres Tests sieht leider gerade ganz anders aus. Wie eine Horde aufgescheuchter Hühner wuseln Biker über den Parkplatz und versuchen, unter den Heckklappen ihrer Fahrzeuge etwas Schutz zu finden vor dem Gewitterschauer, der sich gerade wolkenbruchartig über dem Bikepark Geißkopf ergießt. Innerhalb von Sekunden sind die Schlaglöcher bis zum Rand mit Wasser gefüllt, und die Temperatur gleitet aus der Wohlfühlzone.

Der Himmel hat seine Schleusen sogar dermaßen weit geöffnet, dass der Sessellift seinen Betrieb einstellen muss und auch noch stillsteht, als der Regen langsam nachlässt. Aber alles halb so wild. Auch wenn sich in unserem All-Mountain-Testfeld aus Fullys mit rund 150 Millimetern Federweg vermeintlich starke Abfahrer befinden, müssen sich die Kandidaten dieser Testkategorie auch im Uphill beweisen. Also ist heute treten angesagt.

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Glück gehabt: Nicht nur das Shooting in Livigno verlief sonnig. Auch während der Tests blieben wir größtenteils trocken.Foto: Max FuchsGlück gehabt: Nicht nur das Shooting in Livigno verlief sonnig. Auch während der Tests blieben wir größtenteils trocken.

In unsere Regenjacken geknüllt laden wir die ersten Bikes aus dem Transporter, stimmen die Fahrwerke ab und befüllen alle Reifen auf die Nachkommastelle genau mit demselben Luftdruck. Sechs der insgesamt sieben All Mountains liegen im Preisbereich zwischen 3999 Euro und 4999 Euro, wobei das Cube die untere und das Scott die obere Grenze der Preisspanne markiert. Das Marin Rift Zone liegt mit 3499 Euro deutlich unter dem Preisniveau und tritt deshalb außer Konkurrenz an.

15,1 Kilo wiegen die All Mountains im Durchschnitt

Kurz nach den letzten Pumpenhüben biegen wir unter letzten Regentropfen in den Uphillflow-Trail ein. Es dauert keine fünf Minuten, da schälen wir uns schweißgebadet aus unseren Regenjacken. Das wundert kaum, denn Rekordgewichte sucht man im mittleren Preissegment der All-Mountain-Kategorie vergeblich. Im Schnitt wiegen unsere Kandidaten 15,1 Kilo. Das kann bergauf durchaus Schweißausbrüche verursachen – auch bereits nach fünf Minuten.

Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob All Mountains überhaupt die richtigen Begleiter für tretlastige Alpen-Touren sind. Bieten schlankere Trailbikes vielleicht das bessere Allround-Paket? Oder wiegen die Bikes schon so viel, dass man auch gleich ein abfahrtsstärkeres Enduro gen Gipfel schleifen kann? Zum Vergleich: Die Trailbikes aus demselben Preissegment bis 5000 Euro wogen im Schnitt 14,1 Kilo. Wer es sich fahrtechnisch leisten kann, etwas Souveränität bergab zu opfern, der findet unter den Trailbikes deutlich tretfreudigere Touren-Begleiter. Enduros derselben Preisklasse landeten in vergangenen Test bei rund 15,5 Kilo.

Natur-Trails, Flowlines und verblockte Downhills – die Streckenvielfalt am Geißkopf bietet das perfekte Testgelände, um wirklich alle Facetten eines All Mountains abzuprüfen.Foto: Max FuchsNatur-Trails, Flowlines und verblockte Downhills – die Streckenvielfalt am Geißkopf bietet das perfekte Testgelände, um wirklich alle Facetten eines All Mountains abzuprüfen.

Ausstattungsvorteil: 4 All Mountains bleiben unter 15 Kilo

Demnach ermöglichen YT und Specialized mit deutlich unter 15 Kilo Gesamtgewicht vergleichsweise entspannte Anstiege. Radon und Cube landen ebenfalls noch unter der 15-Kilo-Marke und schaffen damit klare Grenzen zu den anderen Kategorien. Der Rest der Testgruppe spielt gewichtstechnisch in der Enduro-Liga, wobei uns das Focus Jam mit seinen 15,9 Kilo bergauf am stärksten ins Schwitzen bringt.

Dass die Ergebnisse an der Waage so unterschiedlich ausfallen, liegt vor allem daran, dass sich die Industrie uneins darüber ist, wie ein All Mountain für 3500 bis 5000 Euro ausgestattet sein sollte. Traditionell bestücken die Direktversender ihre Bikes mit Teilen der Premiumklasse und investieren viel in Carbon. An den Fox-Fahrwerken von YT und Radon schimmert sogar die goldene Kashima-Beschichtung – das Zeichen für höchste Güte. Die Fox 36 in der Performance-Elite-Ausführung am Cube verzichtet zwar auf die edle Beschichtung, verfügt aber ebenfalls über die Grip2-Kartusche mit vierfach verstellbarer Dämpfungseinheit.

Scott, Specialized, Marin und Focus kommen ohne Highend-Fahrwerke und spezifizieren Mittelklasse-Parts von Fox und Marzocchi. Allerdings machen sich die Unterschiede beim Fahrwerk vielmehr bei der Funktion bemerkbar, als dass sie großen Einfluss auf das Gesamtgewicht nehmen. Die entscheidende Rolle spielt hier nämlich der Rahmen. Die beiden leichtesten Bikes (YT, Specialized) sowie das Cube rollen allesamt auf einem Vollcarbon-Rahmen. Dem gegenüber steht der über 800 Gramm schwerere Rahmen des Focus Jam, der nur am Hauptrahmen auf Kohlenstoff setzt. Der Hinterbau besteht aus Alu. Marin setzt als einziger ausschließlich auf Aluminium als Werkstoff, reiht sich im Gewichts-Ranking aber noch 182 Gramm vor dem Focus ein.

Test der Kletterfähigkeit auf dem Uphillflow-Trail

Auf dem Uphillflow-Trail wechselt Kollege Jan gerade in den Wiegetritt, um die Effizienz des Fahrwerks zu prüfen. Das schwere Focus generiert zwar mit seinem feinfühligen Hinterbau jede Menge Traktion, pumpt dafür aber spürbar bei jedem Tritt. Hier ist der Griff zur Dämpferplattform Pflicht. Bei Marin, Radon und Cube wird das Heck ebenfalls lebendig, sobald man aus dem Sattel geht und beschleunigt. Am besten pariert das Scott jegliche Art der Tempoverschärfung: Sein Hinterbau steht auch bei offenem Dämpfer sehr stabil im Federweg. YT und Specialized reihen sich dazwischen ein. Auch auffällig: Neben Gewicht und Fahrwerkseffizienz hat auch die Reifenwahl großen Einfluss auf die Uphill-Performance. YT, Cube und Focus spezifizieren am Vorderrad Maxxis-Schlappen mit der extrem weichen MaxxGrip-Gummimischung. Die kleben in Kurven wie Harz an den Händen und dämpfen zudem gut, rollen aber leider auch spürbar schlechter als die Reifen-Kombis der Konkurrenz. Heißt: Wer viele Höhenmeter auf Asphalt oder Schotter sammelt, kann sein All Mountain ruhig mit schnelleren Reifen etwas klettertauglicher gestalten.

Auf den Enduro-, Freeride- und Downhill-Strecken am Bikepark Geißkopf loteten wir die Abfahrtstauglichkeit der Bikes aus. Ihre Kletter­fähigkeiten mussten sie auf dem Uphillflow unter Beweis stellen.Foto: Max FuchsAuf den Enduro-, Freeride- und Downhill-Strecken am Bikepark Geißkopf loteten wir die Abfahrtstauglichkeit der Bikes aus. Ihre Kletter­fähigkeiten mussten sie auf dem Uphillflow unter Beweis stellen.

Spielfreudig in der Abfahrt

Nach gut 250 Höhenmetern ist der Gipfel des Geißkopfs erreicht. Nun müssen die All Mountains in der Abfahrt zeigen, was in ihnen steckt. Laut der Messwerte aus unserem Labor dürfte das die Paradedisziplin dieses Testfelds sein. Bis auf YT bewegen sich die Lenkwinkel aller Testkandidaten zwischen 64 und 65 Grad – Maße, die auch ausgewachsenen Enduros gut zu Gesicht stünden. Damit besitzen alle Testkandidaten viel Laufruhe, wenn es schnell und verblockt zur Sache geht. Nur das mittlerweile vier Jahre alte Jeffsy erinnert mit seiner 66 Grad steilen Front an die Zeiten, in denen All Mountains mehr zahme Touren-Bikes als Abfahrtsräuber waren. Doch das muss nichts Schlechtes heißen. Dank der kurzen, konservativen Geometrie hetzt das YT herrlich verspielt um enge Kurven und lässt sich entspannt an jeder noch so kleinen Geländekante in den Flugmodus ziehen.

Ähnlich spielfreudig zeigt sich auch das Radon, dessen extrem leichte Carbon-Laufräder förmlich Flügel verleihen. Die Geometrie des Focus schürt ebenfalls Hoffnung auf ein spielerisches Fahrerlebnis. Doch der Körpereinsatz verpufft im allzu komfortablen Fahrwerk, und auch das hohe Gewicht lässt das Jam nur schwer abheben. Bei Cube, Specialized und Scott verlangen die langen Kettenstreben in Kombination mit üppigen Radständen auf verwinkelten Strecken ebenfalls etwas mehr Nachdruck. Dafür laufen die Bikes in steilem Gelände und bei hohen Geschwindigkeiten zur Höchstform auf. Unbeeindruckt selbst von großen Brocken schnurren diese Kandidaten durchs Gelände. Für die größte Überraschung aber sorgt das Marin: Mit dem sehr langen Hauptrahmen und dem flachen Lenkwinkel in Kombi mit dem kurzen Heck schafft es den perfekten Spagat zwischen Laufruhe und Agilität. Nur die magere Ausstattung setzt dem Rift Zone Grenzen.

Einige Abfahrten später poltern wir im schwindenden Abendlicht ein letztes Mal den Enduro-Trail hinunter. Die Bikepark-Horden haben sich längst aus dem Staub gemacht. Die Sonne blinzelt noch schüchtern durch die dichten Wipfel des Bayerischen Walds. In den Ohren rauscht der Fahrtwind und das leise Poltern der Reifen über Wurzelteppiche. Endorphine strömen durch die Blutbahn. Kopfkino? Nein, dieses Mal ist es Realität.

Fazit – All Mountains bis 5000 Euro im Test:

Fast alle Kandidaten liegen preislich deutlich über 4000 Euro. Wer so viel Geld investiert, sollte genau wissen, was er mit dem Bike anstellen möchte. Cube und Specialized erfüllen den Anspruch eines All Mountains am besten. Sie lassen sich gut treten und kennen bergab kaum Grenzen. Scott und Radon landen auf Rang drei und vier. Das Scott glänzt durch sein effizientes Fahrwerk verstärkt bei tretintensiven Touren. Das Radon macht dagegen mit seinem quirligen Charakter auch in zahmem Gelände Spaß. Gleiches gilt für das YT. Focus und Marin eignen sich durch ihr extremes Gewicht nur bedingt für den  All-Mountain-Einsatz. – Max Fuchs, BIKE-Redakteur
Max Fuchs, BIKE-RedakteurFoto: Thomas WeschtaMax Fuchs, BIKE-Redakteur

Das sagen die Tester zu den All Mountains 2023

Ausgesprochen leicht und flink ist keines der Test-Bikes. Daher würde ich mir ein All Mountain immer nach dem Abfahrtspotenzial aussuchen. – Tobias Knetsch, BIKE-Tester
Tobias Knetsch, BIKE-TesterFoto: Jan TimmermannTobias Knetsch, BIKE-Tester
Auch mit 150 Millimetern Federweg will ich nicht nur bergab fahren. Ein Allrounder muss auch klettern können. YT und Specialized sind meine Favoriten, wenn es mal auf lange Touren geht. – Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Jan Timmermann, BIKE-Redakteur | Georg GrieshaberJan Timmermann, BIKE-Redakteur | Georg Grieshaber
All Mountains waren mal Alleskönner. Nun sind mir die meisten Modelle im Uphill zu schwer. Wenn ich einen Allrounder suche, greife ich deshalb lieber zum Trailbike. – Max Fuchs, BIKE-Redakteur
Max Fuchs, BIKE-RedakteurFoto: Max FuchsMax Fuchs, BIKE-Redakteur

Zahlen, Daten, Fakten

Die Punkte

Rein auf die Fahrleistung reduziert gewinnt das Cube diesen Vergleich deutlich. Bei der Gesamtpunktzahl kann es sich aber nur um ein Haar gegenüber der Konkurrenz von Specialized durchsetzen. Scott, Radon und YT landen im Mittelfeld. Das schwere Focus kann hier nicht ganz mithalten. Das Schlusslicht bildet das deutlich günstigere Marin.

¹BIKE-Messwerte. ²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte (BIKE-Labormessung) und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.).Foto: BIKE-Testabteilung¹BIKE-Messwerte. ²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte (BIKE-Labormessung) und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.).

Steifigkeiten

Der voluminöse Carbon-Hauptrahmen des Scott dominiert die Steifigkeitswertung. Dahinter reihen sich die Vollcarbon-Rahmen von YT und Specialized ein. Radon fällt ab.

Grau: Stiffness-to-Weight (STW), der Quotient aus Steifigkeit und Rahmengewicht. weiß: absolute Steifigkeit in Newton pro mm Auslenkung. Die Messungen wurden auf einem Prüfstand des Zedler-Instituts ermittelt.Foto: BIKE-TestabteilungGrau: Stiffness-to-Weight (STW), der Quotient aus Steifigkeit und Rahmengewicht. weiß: absolute Steifigkeit in Newton pro mm Auslenkung. Die Messungen wurden auf einem Prüfstand des Zedler-Instituts ermittelt.

Laufradträgheit

Die Carbon-Laufräder am Radon lassen sich am besten beschleunigen. Das Cube kommt mit schweren Reifen nur zäh in Schwung.

Je niedriger der Wert, desto besser lassen sich die Laufräder beschleunigen.Foto: BIKE-TestabteilungJe niedriger der Wert, desto besser lassen sich die Laufräder beschleunigen.

Gewichte¹

Specialized und YT wiegen mit ihren Vollcarbon-Rahmen am wenigsten. Auch Cube setzt ausschließlich auf Carbon, landet wegen der abfahrtslastigen Ausstattung aber nur im Mittelfeld.

Gewicht¹: BIKE-Messwerte, ²mit Pedalen (350 g), ³ohne Dämpfer, mit Steckachse hinten,4mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben.Foto: BIKE-TestabteilungGewicht¹: BIKE-Messwerte, ²mit Pedalen (350 g), ³ohne Dämpfer, mit Steckachse hinten,4mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben.

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