E-Mountainbike "Light"Focus Raven²

Tobias Brehler

 · 30.11.2017

E-Mountainbike "Light": Focus Raven²Foto: Christoph Laue
E-Mountainbike "Light": Focus Raven²

Das Focus Project Y geht in Serie: Das Raven² soll als sehr leichtes E-MTB die Brücke zum "normalen" MTB schlagen - mit dem Fazua-Antrieb.

Florian Vogel und Markus Schulte-Lünzum schaffen das Undenkbare – sie bewältigen die berühmt-berüchtigte Heckmair-Route in deutlich weniger als 36 Stunden. Die 16000 Höhenmeter und 400 Kilometer verlangen den beiden CC-Weltcup-Fahrern alles ab. Den Erfolg ermöglichte ihnen das neue E-Mountainbike von Focus: Das Raven².

Ziel des Projekts war, die Reichweite zu maximieren. Allerdings nicht, indem man die Akkukapazität plump verdoppelt oder verdreifacht. Sondern mit einem neuen und gleichzeitig klassischen Konzept: geringes Gewicht für bestmögliche Effizienz. Möglich machen soll dies der Kohlefaser-Rahmen mit dem Fazua-Antrieb. Angenehmer Nebeneffekt: Das Fahrgefühl kommt dem "echten" Mountainbike wieder näher.

  Die Züge sind schick im Carbon-Rahmen verlegt.Foto: Christoph Laue
Die Züge sind schick im Carbon-Rahmen verlegt.
  Der Antrieb ist sehr kompakt und unauffällig.Foto: Christoph Laue
Der Antrieb ist sehr kompakt und unauffällig.

Wie der Name erahnen lässt, stammt das Focus Raven² von seinem Weltcup-Bruder Raven ab. Das neue E-MTB hat ebenfalls einen Carbon-Rahmen mit ähnlicher Geometrie sowie 29-Zoll-Laufräder und eine 100-Millimeter-Gabel. Der Antrieb verschwindet samt Akku im U-förmigen Unterrohr. Um die Steifigkeit zu erhalten, hat das Raven² 547 Carbon-Lagen – das "normale" Raven hat nur 234. Laut Focus liegt die Steifigkeit des neuen Rahmens auf ähnlichem Niveau wie die des Raven, das Gewicht soll nur 50 Prozent höher ausfallen.

  LEDs informieren auf der Fazua-Bedieneinheit über Akkustand und Modus.Foto: Christoph Laue
LEDs informieren auf der Fazua-Bedieneinheit über Akkustand und Modus.

Das Highlight des neuen Focus E-Mountainbike ist der Fazua-Antrieb. Diesen hat ein kleines Team von Münchner Ingenieuren entwickelt, nach dem Motto: "von Bikern für Biker". Der Antrieb baut auf ein völlig neues Konzept: Der Akku sowie der Motor sitzen mit dem Getriebe in einem Gehäuse und können komplett aus dem Unterrohr genommen werden. Diese Einheit soll ungefähr 3,3 Kilo auf die Waage bringen. Der 1,4 Kilo schwere 250-Wh-Akku kann wiederum aus diesem Gehäuse genommen und bei Bedarf werkzeuglos gegen ein zweites Pendant getauscht werden. Das zusätzliche Energiereservoir kann nachträglich für 370 Euro erworben werden. Ebenso wie ein Cover, damit man das Bike auch ganz ohne Antriebseinheit fahren kann. Die 1,3 Kilo schwere Tretlagereinheit ist fest verbaut.

  Die Antriebseinheit lässt sich nach unten aus dem Rahmen nehmen.Foto: Christoph Laue
Die Antriebseinheit lässt sich nach unten aus dem Rahmen nehmen.
  Der Fazua-Antrieb im Detail.Foto: Screenshot
Der Fazua-Antrieb im Detail.

Die Leistungsdaten - 60 Nm und 400 W in der Spitze - klingen im Vergleich zu Bosch und Co. nicht berauschend, passt aber voll ins Konzept: Der Antrieb ist komplett entkoppelt. So kann auch mit abgeschaltetem Motor problemlos getreten werden. Das geringe Gewicht erleichtert das zusätzlich. Die Akkukapazität soll ausreichen, denn mit einem leichten und sportiven Bike ist man in der Ebene meist schneller als 25 km/h – und schont den Akku. Dieser soll laut Hersteller für eine knappe Stunde Uphill reichen – je nach Fahrergewicht, Untergrund, Steigung, etc. also etwa 800 bis 1000 Höhenmeter.

Zwei Modelle stehen voraussichtlich ab Dezember beim Händler: Das 5000 Euro teure Raven² und das 1000 Euro teurere Raven² Pro. Beide Bikes kommen mit dem gleichen Kohlefaser-Chassis und dem Fazua-Antrieb. Das teurere Modell verfügt außerdem über DT Swiss-Laufräder, Carbon-Anbauteile und hochwertigere Komponenten. Auch die Stepcast-Federgabel von Fox drückt beim Topmodell das Gewicht. Herstellerangabe: 14 Kilogramm. Drei Rahmengrößen sind erhältlich: S, M und L. Allesamt mit (zu) kleinen Bremsscheiben (180/160).

  Das Focus Raven² Pro kommt mit rotem Rahmen, das günstigere Raven² mit schwarzem.Foto: Christoph Laue
Das Focus Raven² Pro kommt mit rotem Rahmen, das günstigere Raven² mit schwarzem.

Fahrbericht vom Focus Raven² Pro

Direkt fällt die sehr sportliche Sitzposition auf – unüblich für ein E-Mountainbike. Auch ungewöhnlich: Wir sollen auf den ersten flachen Kilometern den Motor deaktiviert lassen, um uns von der Entkopplung zu überzeugen. Und tatsächlich rollen wir wie auf einem "normalen" Hardtail dahin. Das höhere Gewicht fällt bei gleichmäßiger Fahrt nicht auf. Erst im Wiegetritt spürt man die höhere Masse deutlich – im Vergleich zu einem 9-Kilo-Hardtail. Der Motor überzeugt im Flachen nicht nur mit seiner vollständigen Entkopplung, sondernim Betrieb auch seinem sehr sanften Ein- und Aussetzen. Wer nicht genau darauf achtet, spürt den Unterschied (fast) nicht.

Spannend wird’s aber erst beim ersten Anstieg hinter Arco. Was kann der leichte Motor? Zur Wahl stehen mehrere Fahrmodi sowie eine Schiebehilfe. Die Unterstützungsstufe wechselt man über eine recht ergonomische Bedieneinheit. Diese informiert mit farbigen LEDs über Modus und Akkustand. Die Unterschiede der einzelnen Modi fallen gering aus, sind aber spürbar. Gerade im stärksten Modus schiebt der Fazua-Motor überraschend stark – vorausgesetzt man befindet sich im Drehzahlbereich von 50 bis 90 Kurbelumdrehungen. An Bosch oder Shimano kommt er nicht ran, doch dafür überzeugt das Fahrgefühl: Es fühlt sich nach echtem Mountainbiken an. Nur halt schneller. Der Motor reagiert sehr sensibel auf den Input und passt den Output an. Tritt man unrund, kaschiert der Motor das nicht, sondern pulsiert leicht.

Das Raven² macht eine gute Figur: Bergauf klebt das Vorderrad am Boden, die Traktion ist konzeptbedingt limitiert. Bei Schlägen holpert das Hardtail und der schmale und schwach profilierte Continental-Reifen dreht durch. Bergab lässt sich das Bike agil über den Trail zirkeln, der lange Reach gibt in Kombination mit dem höheren Gewicht ausreichend Laufruhe. Griffigere Reifen, größere Bremsscheiben und eine Vario-Sattelstütze würden die Downhill-Eigenschaften schier quadrieren.

  Wir konnten das Focus Raven² Pro schon am Gardasee testen.Foto: Christoph Laue
Wir konnten das Focus Raven² Pro schon am Gardasee testen.

Test-Fazit zum Focus Raven²

Das Focus Raven² mit Fazua-Antrieb ist für mich ein Innovationsschritt in die richtige Richtung: mehr klassisches Fahrgefühl, weniger Über-Power, die einen langfristig nur faul werden lässt. Zugegeben, das ist nicht unbedingt das, was der überzeugte E-Biker sucht. Aber es ist das, was jenen Normal-Biker bekehren könnte, der aktuell noch beim Motorthema fremdelt. Denn mit dem Focus macht man den gleichen Sport wie vorher, bekommt aber mehr Speed und Fahrspaß. Mit starrem Heck bleibt es aber ein Nischenprodukt. Eine wirkliche Revolution wäre eine vollgefederte Version des Raven2 um die 16 Kilo, doch das scheint aktuell (noch) nicht möglich. Schon dieser Carbon-Racer wöge mit soliderer Ausstattung mehr als das. Aber das System ist noch neu, und die Entwicklung hat gerade erst begonnen. Ein vollgefedertes Trailbike mit Fazua-Antrieb soll bereits bei einem großen Hersteller in der Pipeline sein. Wir sind gespannt!

  Focus Raven²Foto: EMTB Magazin
Focus Raven²
  Focus Raven²Foto: EMTB Magazin
Focus Raven²

Focus Raven²


Preis 5.999 Euro


Antrieb
Motor FAZUA Evation
Maximales Leistung 313 Watt
Akku / -Gewicht 250 Wh / 1,38 kg
Schaltung Shimano XT (11fach)
Übersetzung 46 / 11–36
Display / Größe FAZUA Evation 1.0


Ausstattung
Gabel / Dämpfer Fox 32 Float SC Performance remote
Teleskopstütze Keine
Bremse / Disc Ø (vorne / hinten) Shimano XT / 180/160 mm
Laufräder DT Swiss M 1650, 29 Zoll
Reifen Continental Race King SL Folding, 29x2,25 Zoll


Messwerte*
Größen / Rahmenmaterial S / M / L / XL / Carbon
Gewicht 15,3 kg
Schwerpunkthöhe 498 mm
Lenkerbreite 720 mm
Kurbellänge / Q-Faktor 170 mm / 182 mm
Reach / Stack 417 mm / 619 mm

*Die Messwerte und Geometriedaten wurden im EMTB-Labor ermittelt und beziehen sich auf ein Vorserienmodell in Serienausstattung.