Wolfgang Renner – über das erste Mountainbike

Henri Lesewitz

 · 26.06.2007

Wolfgang Renner – über das erste MountainbikeFoto: Oliver Soulas
Wolfgang Renner – über das erste Mountainbike

"Ich malte ein paar Striche und sagte: macht mal."

Nach meiner Karriere als Radcrosser bekam ich das Angebot, den Vertrieb der japanischen Rahmenfirma Centurion sowie einiger Zubehörschmieden wie Suntour und Dia Compe zu übernehmen. Ich griff natürlich zu. Nach vielen arbeitsreichen Monaten gönnte ich mir im Sommer 1976 ein Wochenende in den Bergen. Ich wollte mit dem Crossrad durch das Karwendel-Gebirge fahren, was ein absolut tollkühnes Unternehmen war. Schließlich war noch niemand vorher auf die Idee gekommen, mit dem Fahrrad durch die Alpen zu gondeln. Dachte ich. Als ich mich dann über die Schotterpässe quälte, begegneten mir eine Reihe Einheimischer, die mit Rücktritträdern durch die Täler fuhren. Autos waren auf den meisten Wegen verboten. Und zu Fuß war man Ewigkeiten unterwegs. Deshalb fuhren Bauern, Wanderer oder Bergsteiger Überbrückungsstrecken eben mit dem Rad. Die schauten mich mit meinem Rennrad an, als würde ich vom Mars kommen. Auf dieser ersten Offroad-Tour merkte ich natürlich sofort die Schwächen, die ein herkömmliches Rad in solchem Gelände hatte. Ich wurde durchgeschüttelt, die Bremsen waren schlapp und die Reifen ständig platt. Damit hatte sich das Thema erst einmal wieder erledigt.

1981 flog ich zusammen mit Hartwig Hofherr nach Amerika, um verschiedene BMX-Rennen zu besuchen. Über Centurion hatte ich BMX 1978 nach Deutschland geholt. Ich hielt Vorträge, baute Bahnen, organisierte Rennen und war sogar als Fachwart BMX beim Bund Deutscher Radfahrer tätig. Wir tingelten also durch die Gegend und besuchten dabei auch den US-Ver - trieb von Centurion. Dort zeigte mir ein gewisser Hiroshi Kitayama ein Bike, das die Japaner extra für den amerikanischen Mark gebaut hatten. Centurion schweißte den Rahmen, Suntour hatte spezielle Teile gefertigt – es war ein Mountainbike. Eine üble Granatenmühle mit ganz komischen Maßen und Winkeln. Durch meine Cross-Vergangenheit kannte ich mich einigermaßen mit Geometrien aus. Also zeichnete ich mit ein paar Strichen einen Rahmen auf Papier und sagte Centurion: Macht mal. Ich wollte auf der IFMAMesse in Köln so ein Moun - tainbike zeigen und schauen, wie es ankommt. Im Amerika schienen sich die Dinger nämlich ganz ordentlich zu verkaufen. Der Unterschied meines Konzeptes war aber, dass man mit dem Bike auch die Berge hochfahren sollte. Die Klunker-Jungs sind ja nur runtergerollt. Pünktlich zur IFMA 1982 traf das Rad ein. Zweifach-Kettenblätter, keine Schnellspanner. Und geschweißt, weil es ja keine Muffen mit derartigen Winkeln gab. Ein Hexenwerk war das Bike nicht. Ich hatte einfach viel vom Crossrad übernommen. Trotzdem war es schon ein sportliches Gerät. Ich hatte es grün lackieren lassen, damit die Bergsteiger damit in die Berge fahren und es dann unauffällig im Gebüsch liegen lassen konnten. Das war nämlich die Zielgruppe, die ich mir am ehesten vorstellen konnte. Die Messebesucher starrten dann zwar ungläubig. Richtig beachtet wurde das Bike aber nicht. Die Leute dachten, es handle sich um ein BMX-Rad für Erwachsene. Niemand wusste, wozu das Ding so richtig gut sein sollte. Mit dem Fahrrad durch den Wald zu fahren, erschien damals völlig absurd. Das konnte sich einfach keiner vorstellen. Trotzdem verkauften wir siebzig „Country“, das immerhin 1 800 Mark kostete. Das war sehr viel Geld damals.

Ich selbst fuhr mit dem „Country“ zahlreiche Vergleichsfahrten gegen ein Crossrad im Magstädter Forst. Tatsächlich konnte man mit dem Mountainbike viele Passagen fahren, an denen man mit dem Crossrad absteigen musste. Ich spürte, dass in den neuen Rädern noch sehr viel Potenzial steckt. Vom Nachfolger des „Country“ verkauften wir ein Jahr später schon 400 Stück. Was dieses Rad einmal für eine Welle auslösen würde, konnte ich mir damals natürlich in meinen wildesten Phantasien nicht ausmalen.

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