Tracy Moseley im InterviewEnduro-Racing - bald nur noch mit Motor?

Sissi Pärsch

 · 23.01.2024

Tracy Moseley: Mit 44 Jahren ist die Engländerin immer noch erfolgreich im E-Racing. Ihr Arbeitsgerät: das Trek Rail mit Boschs CX-Race-Motor.
Foto: Max Schumann / Mediengruppe Klambt
Verdrängt E-Enduro das klassische Enduro-Racing? Wir haben Ex-Downhill-Weltmeisterin Tracy Moseley gefragt. Die 44-jährige Ausnahme-Athletin fährt noch immer Rennen und kennt die Szene. Im EMTB-Interview spricht sie über die Gerüchte über das anstehende Aus des Enduro-Weltcups, wie wir ihn kennen.

Ausnahme-Athletin Tracy Moseley ist eine der prägenden Figuren des Bikesports. Neben dem Renngeschehen ist die 44-jährige Engländerin in der Produktentwicklung engagiert, im Athleten-Management und in Forschungsprojekten. Neuerungen gegenüber hat sie sich nie verschlossen. Wir wollten von ihr wissen, ob die Gerüchte stimmen und E-Enduro das klassische Enduro-Racing verdrängen wird.

EMTB: Tracy, die Enduro World Series (EWS) erlangte 2023 UCI Weltcup-Status und es entstand der Enduro World Cup (EDR). Jetzt kursieren Gerüchte, dass nur noch Interesse am Fortbestand des EDR-E-Formats besteht. Verdrängt E-Racing den Enduro-Rennsport?

Tracy Moseley: Definitiv nicht, nein. Ich bin seit vier Jahren im Advisory Board der EWS-E Rennserie, heute der EDR-E. Ende 2023 haben sich erstmals Industrie, Organisatoren und Athleten aus beiden Disziplinen getroffen. Das Interesse ist groß, beide Disziplinen zu erhalten und gemeinsam wachsen zu lassen.

2024 wird es einige Änderungen im Rennformat geben und dabei hoffentlich auch die Streckenführung der EDR-E spannender werden.

Dennoch haben einige Fahrerinnen und Fahrer Sorge, dass sie kein Team mehr finden – außer im E-Bereich…

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Es ist so viel im Umbruch in der Radbranche und das in allen Bereichen, da ist der Rennsport keine Ausnahme. Wir befinden uns in einem Prozess des Wandels, am Beginn einer ganz neuen Ära. Für mich ist das eine ungemein spannende Zeit – wenn man sich nicht versperrt, Neugier mitbringt und Lust daran hat, sich neu auszuprobieren. 2024 wird es einige Änderungen im Rennformat geben und hoffentlich auch die Streckenführung der EDR-E spannender werden. Und 2023 fanden die EDR und EDR-E am gleichen Tag statt, das wird 2024 nicht mehr so sein. Warum? Damit Athleten die Option haben, beide Rennen zu fahren.

Ist das denn realistisch? Kann man als Enduro-Racer so easy eine Topplatzierung auf dem E-Mountainbike einfahren?

Nein, das sind durchaus zwei Disziplinen. Du brauchst spezielle Skills, viel Erfahrung, viel Training. Es ist auch total okay, wenn du spezialisiert bleibst. Aber es gibt sicher Athleten, die sich weiterentwickeln und austesten wollen. Und statt sechs Weltcup-Rennen im Jahr könntest du zwölf fahren. Das reizt sicher einige Fahrer. Doppeltes Rennerlebnis, doppelte mediale Aufmerksamkeit, mehr Chancen auf Preisgelder, zufriedene Sponsoren.

Für Sponsor Trek ist die Mutter eines sechsjährigen Sohnes nicht nur auf der Rennstrecke unterwegs. Sie engagiert sich auch im Athleten-Management und in der Produktentwicklung.Foto: Max Schumann / Mediengruppe KlambtFür Sponsor Trek ist die Mutter eines sechsjährigen Sohnes nicht nur auf der Rennstrecke unterwegs. Sie engagiert sich auch im Athleten-Management und in der Produktentwicklung.
Natürlich bestimmt die Industrie mit, aber das hat sie schon immer getan.

Bestimmt letztendlich die Industrie die Entwicklung des Rennsports?

Natürlich bestimmt sie mit, aber das hat sie schon immer getan. Allein, weil die technischen Entwicklungen den Weg vorgeben. Im E-Racing ist das sicher noch mehr der Fall. Für eine Marke wie Bosch ist der Rennsport eine Art Formel 1 – ein Innovations- und Testlabor für das, was möglich sein könnte. Auch Zuschauer und Käufer spielen eine Rolle. Welches Format ist für dich spannend und welches Bike interessiert dich? Wenn das E-MTB so populär ist, sollte sich der Rennsport mitverändern.

Wie sieht Dein E-Racing-Traumformat aus?

(Lacht) Unrealistisch. Ich liebe die Mehrtagesabenteuer. Aber das lässt sich medial nicht transportieren. Was ich ungern sehen würde, wäre auf Show-Elemente reduziertes E-Racing, beispielsweise mit Power Climbs, die an Moto-Enduro erinnern. Aber wer weiß, mit der technischen Entwicklung wird es vielleicht auch möglich sein, 100 Kilometer-Rennen mit 12 Stages an einem Tag durchzuführen…

Das Rad ist so viel mehr als nur ein Sportgerät – es kann der Katalysator für eine positive Transformation unserer Gesellschaft sein.

Dein Engagement im Bikesport ist sehr vielfältig. Wohin zieht es Dich in der Zukunft?

Ich möchte das Rad gerne gesamtgesellschaftlich weiter voranbringen. Es ist so viel mehr als nur ein Sportgerät – es kann der Katalysator für eine positive Transformation unserer Gesellschaft sein. Und wir wissen alle, dass das nicht nur in punkto Gesundheit und Klima essenziell ist. Das Rad hat so viele Facetten, der Sport ist nur eine davon. Speziell mit dem eBike, das ein absolutes Multitool ist.

Du hattest auch einen Part in der Doku “hasing the Sun”, in der die Vielseitigkeit des Fahrrads gefeiert wird.

Genau. Chase the Sun ist ein cooles Event-Format, das sich zufällig entwickelt hat. Am längsten Tag des Jahres geht es von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von Ost nach West quer durch England und inzwischen auch durch Irland und Italien. Chasing the Sun ist ein Dokumentarfilm des Teams, der zeigt, welche Kraft das Fahrrad entfalten kann – auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Mich haben sie bei einer Fahrt mit meinem kleinen Sohn Toby und meinem Vater begleitet. Dank E-MTB können wir generationenübergreifend Erlebnisse teilen, die sonst nicht möglich wären.

Ein Ziel von mir ist es, mehr Kinder aufs Rad zu bringen – allerdings habe ich gemerkt, dass man dafür erst einmal die Eltern aufs Rad bekommen muss.

Entdeckt die Weltmeisterin Tracy Moseley das Fahrrad neu?

Irgendwie schon. Durch meine Mutterrolle ist es zu einem Alltagsgefährt geworden. Ich bringe meinen Sohn zur Schule, gehe damit einkaufen und versuche so wenig wie möglich mit dem Auto zu machen. Ein Ziel von mir ist es, mehr Kinder aufs Rad zu bringen – allerdings habe ich gemerkt, dass man dafür erst einmal die Eltern aufs Rad bekommen muss. Und dazu braucht es eine bessere Infrastruktur. In der Stadt mag langsam etwas passieren, aber bei uns auf dem Land geht nichts voran. Wir müssen weiterhin auf der Straße fahren. Die Projekte und Ideen gehen mir also nicht aus – vom E-Racing bis zu Fahrradwegen…

Immer wieder fährt Tracy Moseley (links) im E-Enduro-Weltcup aufs Podium, wie hier 2023 in Les Gets.Foto: Max Schumann / Mediengruppe KlambtImmer wieder fährt Tracy Moseley (links) im E-Enduro-Weltcup aufs Podium, wie hier 2023 in Les Gets.

Über Tracy Moseley

Zum Mountainbikesport kam Tracy Moseley durch ihren Bruder Ed. Dieser war in den frühen 90ern Cross-Country-Rennen gefahren. Tracys erstes Rennen fand 1992 auf der Farm ihrer Familie statt. Zum Downhill kam sie 1994, bereits 1995 wurde sie britische Junioren-Meisterin. Ihr erstes internationales Rennen war die Weltmeisterschaft 1995, bei der sie den 8. Platz bei den Junioren belegte. 1997 wurde sie in England erstmals nationale Meisterin in der Elite. Im Jahr 2001 gewann sie ihr erstes Weltcup-Downhillrennen. In Folge fuhr die Engländerin regelmäßig Top-Platzierungen im Downhill-Worldcup ein. 2006 gewann sie erstmals den Downhill Gesamt-Weltcup, sie wurde DH-Weltmeisterin und ab 2013 dreimal in Folge Enduro-Weltmeisterin. 2016 beendete sie mit 37 Jahren ihre Karriere. Vorerst. Nach der Geburt ihres Sohnes Toby, stieg sie in das E-Renngeschehen ein. Heute ist die 44-Jährige eine der Advokatinnen für den E-MTB-Sport. Ihr Arbeitsgerät ist ein Trek Rail mit Bosch CX Race.

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