BIKE Magazin
· 29.09.2008
Endlich frei – das mobile, kabellose Herzfrequenz-Messgerät wurde am Polarkreis erfunden und revolutionierte 1982 die Trainingswelt: die erste Pulsuhr der Firma Polar Electro Oy.
Es gab mal eine Zeit, da hat man einfach trainiert – und fertig. Ob das Training nun gut und effektiv war, verrieten – je nach Zielsetzung – Ermüdungsgrad, Waage oder Wettkampf. Doch dann entdeckten Wissenschaftler, dass die stete Herzfrequenzmessung beim Ausdauersport von entscheidender Bedeutung ist. Lauf- und Radtrainer verwickelten ihre Schützlinge daraufhin während des Trainings gern in ein Gespräch, denn es hieß: Wer noch gut sprechen kann, bewegt sich im Grundlagenbereich. Fortgeschrittene fassten mit Zeigefinger und Daumen an die Halsschlagader, stoppten zehn Sekunden auf der Stoppuhr mit und multiplizierten das gefühlte Ergebnis mit sechs. Was allerdings sehr ungenau war und gerade bei harten Trainingseinheiten oft zu Rechenfehlern führte.
Ein großes Problem, fand der finnische Elektronikprofessor Seppo Säynäjäkangas, als er sich 1975 beim Langlauf mit einem Skitrainer unterhielt. Ein Messgerät muss her, das am Körper getragen und nicht nur für stationäres Training eingesetzt werden kann.
Gesagt, getan – na ja, nicht ganz. Erst 1977 gründete der Professor das Unternehmen “Polar Electro Oy” und steckte noch mal fünf Jahre bis zum Hals in Entwicklungsarbeit. Patentrechte mussten geklärt werden und die kabellose Übertragung der Herzfrequenz geriet immer wieder ins Stottern. Doch 1982 war es endlich so weit. Das erste mobile Herzfrequenz-Messgerät mit dem Namen “Sport Tester PE2000” revolutionierte den Trainingsalltag. Wer sich den klobigen, uhrenähnlichen Monitor ans Handgelenk gezurrt hatte, musste sich zwar die Frage gefallen lassen, ob er damit auch ein Fax empfangen könne, doch das war reiner Neid. Denn die Träger des Sport-Testers hatten ihr Herz und dessen Schlagfertigkeit ab sofort im Griff: EKG-genaue Herzfrequenz-Messung mit einstellbarer Oberund Untergrenze, Zwischenzeiten und wahlweise Aufzeichnung der Herzfrequenz im 5-, 10- oder 60-Sekundentakt. Dazu gab es eine Software zur Trainingsauswertung am PC. Allerdings mussten die Daten vom Monitor einzeln abgelesen und selbst in den PC getippt werden. Wer also vier Stunden auf dem Rad unterwegs war und den 5-Sekunden-Messtakt eingegeben hatte, der bastelte bis spät in die Nacht an einer brauchbaren Herzfrequenzkurve. Doch das tat man natürlich gern. Immerhin hatte man 499 Mark für das Gerät berappt, um sich endlich von seinen Trainingskameraden abzusetzen. Die ließen aber nicht locker und versuchten einem den teuren Trainingspartner bald mit dem Gerücht vom “Kriechstrom” zu vermiesen. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Stromleitung an den einzelnen Körper-Elektroden irgendwie leckte. Doch das Problem konnte man unterm Trikot mit Klebeband kaschieren – bis der Brustgurt entwickelt wurde.
Zwei Jahre später dann, der Nachfolger: Der “Sport Tester PE3000” war handlicher, wasserfester und hatte eine Interface-Station. Diese zerrte die gespeicherten Daten automatisch von der Uhr in den Computer. Die Prozedur dauerte Stunden und hörte sich in etwa so an, als versuchte da jemand mit dem Strohhalm ein grob zermanschtes Erdbeerpüree aufzusaugen, aber immerhin: Die Augenringe von der nächtlichen Tipparbeit waren endlich weg.
1990 klemmte mit dem “Cyclovantage” der erste Rad-Computer am Lenker: Herzschlag, Distanz und Geschwindigkeit auf einen Blick. Damals eine Innovation – heute schüttelt diese Werte jedes Aldi- Gerät für 20 Euro aus dem Plastikgehäuse. Deshalb geht bei Polar die Suche weiter: Welcher Messwert lässt sich noch ins Display pressen? Der Trend geht zum schlagfesten, tauchfähigen, 80 Gramm leichten Multi-Sport-Computer mit GPS-Sensor. Ein super genaues SIRF-Star III-Chipset tastet zwar immer noch den Puls, aber gleichzeitig auch Geländeformen nach Höhenmetern und den Luftdruck nach Regenwolken ab. Und dank Satellitenverbindung steht selbst die Ankunftszeit am Gipfel nicht länger in den Sternen.
Ach, da möchte man sich doch einfach mal wieder aufs Rad schwingen. Ohne Uhr. Nur du, die Natur und dein Puls. Dann kann man ihn nämlich auch einfach mal wieder klopfen hören.
Text: Gitta Beimfohr