Peggy und Sandra Klose

Henri Lesewitz

 · 29.08.2007

Peggy und Sandra KloseFoto: Urban Zintel
Peggy und Sandra Klose

Sie sehen gleich aus. Sie stehen zusammen auf dem Podest. Die Zwillinge Peggy und Sandra Klose sind das schnellste Doppel der Marathon-Szene. Dabei war der Sport bis vor kurzem ihr größtes Unterscheidungsmerkmal.

Sie hat sich an die Tränen erinnert, die Verzweiflung und dieses verdammte Hüttendach, das nicht näher zu kommen schien. Sie hat sich dieses erbärmliche Krampfgefühl noch einmal vorgestellt und diesen horrormäßigen Geröllpfad, der sich wie ein Kugellager unter ihren Sohlen wand. Alles hat sie noch einmal durchlitten, um den denkwürdigsten Tag ihres Lebens auf einem Quadratmeter Leinwand zu bannen. „An dieser Stelle hab’ ich nur noch geheult“, sagt Peggy Klose (32) und zeigt auf eine steil ansteigende Farbkante, die zu einem roten Klecks führt. „Ich dachte, ich breche zusammen.“ Mit Knüllpapier, Klebstoff und Farbe hat sie vergangenes Wochenende ihren Schicksalsberg in 3D-Optik auf eine Leinwand modelliert. Der rote Klecks symbolisiert das Dach der Sankt Pöltner Hütte, die Kante den Geröllpfad durch die Felbertauern, über den sich die Teilnehmer der BIKE Transalp 2005 schinden mussten. Stundenlang, in sengender Hitze, die Bikes geschultert. Es war der 18. Juli, die Königsetappe. Der Tag hat das Leben von Peggy verändert. „Ich will das Bild Sandra schenken“, sagt Peggy, lässt sich kurz von einer Schäfchenwolke Sentimentalität einlullen und schiebt hinterher: „Ich bin ihr so dankbar für das, was sie für mich getan hat.“

Sandra weiß noch nichts von ihrem Geschenk. Doch den 18. Juli hat auch sie noch bestens in Erinnerung. Zwei Tage zuvor hatte sie Peggy im Team-Auto versteckt, damit ihr die Betreuer beim Anblick der mineralarm schauenden Schwester keine Vorhaltungen machten. Es war die erste von acht Etappen und das erste gemeinsame Rennen, das die beiden bestritten. Sandra, die Nationalfahrerin. Und Peggy, die Feierabend-Sportlerin. Dabei gilt die BIKE Transalp als härtester Mountainbike-Marathon der Welt. Das Familienprojekt schien zu scheitern. Bis sich das Asphaltband schließlich am dritten Tag steil in Richtung der Felbertauern aufbäumte. Peggy litt zwar wie zuvor. ”Doch plötzlich wurden wir von einem Frauen-Team überholt, dessen Führende die Partnerin mit einer Leine zog”, erinnert sich Sandra. Sofort sei sie vom Rad gesprungen, habe mit den Zähnen einen Ersatzschlauch aufgebissen und Peggy daran bis zum Geröllpfad geschleppt. ”Dort haben wir uns Turnschuhe angezogen und sind voll Anschlag über die Geröllfelder gerannt. Peggy war rabenschwarz, aber ein paar Stunden später standen wir auf dem Podium. Wir haben beide geheult vor Freude”, sagt Sandra. In der Endabrechnung sprang sogar noch Platz zwei heraus. Im Jahr darauf trugen sie die Führungstrikots bis ins Ziel. Das Zwillingsmotto wurde zum Markenzeichen. Inzwischen ist ein neunköpfiges Team daraus geworden. Viel wichtiger aber: ”Wenn man als Geschwister einmal solche Qualen durchlebt hat, dann kommt gegen diese Kraft nichts mehr an”, philosophiert Peggy, tupft mit dem Pinsel ein Schneefeld neben die Sankt Pöltner Hütte und wischt ihre farbverschmierten Hände an der Jeans ab.

Gleich muss sie die Räder in den Van laden, wenn sie pünktlich um 15 Uhr bei Sandra zum Training in Stephanskirchen sein will. Der Ort ist eine Autostunde entfernt. Zwei bis dreimal in jeder Woche trainieren die Schwestern zusammen. Peggy selbst wohnt mit ihren Freund im Münchner Umland in einer Art Gutshaus, dessen genaue Zimmeranzahl sie nicht auswendig weiß.
Foto: Unbekannt


STECKBRIEF


ALTER/GRÖSSE/GEWICHT: Sandra: 32 Jahre (Stand 2008)/1,64 Meter/58 Kilo – Peggy: 32 Jahre (Stand 2008)/1,60 Meter/55 Kilo
JOB: Vertriebsbeauftragte (beide)
TEAM: Zwillingscraft
SPONSOREN: Ideal Bikes, Craft, Subaru, Oped orthop, Vischgau Bike
ERFOLGE: Sandra: WM-Bronze Marathon (2003), EM-Silber Marathon (2004), DM-Bronze Cross Country (2004), Deutsche Meisterin Cross Country Team (2003/05) Sieg BIKE Transalp Challenge (2001 sowie mit Peggy 2006)
LIEBLINGSFILM/MUSIK: „Der Pate“/Pink Floyd. (Sandra) – „Wer früher stirbt, ist länger tot“/keine bestimmte CD. (Peggy)
LETZTER URLAUB: Trainingslager auf Elba (beide)
BIKEN BEDEUTET FÜR MICH: Spaß zu haben und ein Stück Kindheit zu bewahren. (Sandra) – Spaß, Entspannung, in der Natur sein. (Peggy)
GELD BEDEUTET FÜR MICH: Geld ist wichtig, Glück und Zufriedenheit aber auch. (Sandra) – In vernünftigen Mengen richtig und wichtig. Den Spruch „Geld regiert die Welt“ finde ich aber traurig. (Peggy)
GLÜCK BEDEUTET FÜR MICH: Genießen zu können, gesund zu sein, Erlebnisse mit anderen teilen zu können. (Sandra) – Erfolgreich sein im Job und Sport, Zufriedenheit, viele Freunde. (Peggy)
INTERNET:
www.zwillingscraft.com

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