Björn Kafka
· 02.09.2015
Nadine Rieder dachte, jetzt platzt der Knoten, aber dann brannte sie aus. Ihr Körper streikte. Die Blutuntersuchung zeigte, dass sie total leer war.
Nadine Rieder sitzt bereits seit Stunden am Schreibtisch. Die 24-Jährige arbeitet im beschaulichen Sonthofen im Gemeindebüro. Seit über zehn Jahren gehört Rieder zum Bike-Zirkus. Dreimal war sie Deutsche Meisterin in der Nachwuchsklasse. Sie galt als Nachfolgerin von Sabine Spitz. 2013 legte Rieder ihre beste Saison hin. "Ich dachte, jetzt platzt der Knoten. Aber dann brannte ich komplett aus", erzählt Rieder: "Ich war leer. Mein Körper streikte. Als ich eine Blutuntersuchung machte, zeigte sich, dass ich nichts mehr in mir hatte. Eisen, Hämatokrit – alles im Keller." Auch Rieder muss neben ihrem Profi-Dasein arbeiten, weil es nicht reicht, um vom Sport zu leben. Sie hat eine Halbtagsstelle im Bereich Sport- und Freizeit-Management.
"Der Bike-Bereich ist nicht gut bezahlt. Besonders nicht, wenn du im Nischenbereich unterwegs bist. Ich arbeite zwei, drei Mal in der Woche im Gemeindebüro. Ich kann dort super am Montag regenerieren, wenn ich am Sonntag Rennen gefahren bin. Einfach eine Kompressionshose an, fertig", lacht sie und schlendert zum Kopierer. "So, diese Zettel noch und dann ab zum Training."
Das Wetter im Allgäu vermiest an diesem Tag allerdings mächtig die Laune. Fünf Grad kalter Ostwind faucht durch Sonthofen. Rieder hockt sich ans Steuer ihres Kompakt-Sportwagens, den sie vom Team gestellt bekommt, aber mit einem Prozent versteuern muss. Der Motor heult auf. Nadine grinst. "Das Auto ist krass und mit Abstand der coolste Team-Wagen überhaupt. Am Anfang war mir das schon fast etwas peinlich, besonders wenn der Turbo zündet und voll laut wird", sagt sie und biegt nach links in eine Bergstraße. Rieder schiebt den nächsten Gang rein, dann noch einen. Der Wagen beschleunigt weiter, immer schneller. Dann erschallt es, das kurze, laute Turbo-Knallen. Rieder lacht: "Wenn man solche Beine mal im Rennen hätte. Mal sehen, wie es nächstes Jahr läuft." Den Traum vom Vollzeit-Profi hat sie nicht aufgegeben. Sie hofft, wieder in Form zu kommen und irgendwann vom Sport leben zu können. "Ohne meine Familie im Hintergrund wäre das alles nicht möglich. Ich lebe günstig im Haus meiner Eltern, bekomme Material und Reisekosten von Sponsoren. Dass ich mich aber jeden Tag aufs Bike setze und mich im Training quäle, das wird nicht wirklich bezahlt. Der Stundenlohn für einen Bike-Profi ist ein Witz. Selbst die Besten verdienen nur hohe fünfstellige Beträge oder einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Und, wer wirklich Profi ist, der macht nichts anderes. Du musst aufs Essen achten, super trainieren, regenerieren und, und, und," sagt Rieder und parkt ein. Trainingszeit!
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