MTB-Held Thomas Frischknecht

Björn Scheele

 · 03.07.2006

MTB-Held Thomas FrischknechtFoto: Martin Platter
MTB-Held Thomas Frischknecht

Volksheld, Familienvater und Dauerbrenner – Thomas Frischknecht lebt drei Leben auf einmal und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Nach dem Ruhm kam der Fall. Es war seine beste Saison: Silber bei den Olympischen Spielen und Silber bei den Weltmeisterschaften. 1996 war die Welt für Thomas Frischknecht noch fast in Ordnung. Doch wie ein böses Omen zog das Dopingmittel EPO bei der Tour de France seine Kreise und versumpfte auch den Bike-Sport. Drei Jahre lang sollte er fast keine Siege mehr feiern, drei Jahre in denen jeder Renntag zur Demütigung wurde und Gewinner Infusionen statt Sekt in sich hinein schütteten. Doch der bekennende Doping-Gegner hielt durch, bis endlich ein Testverfahren für Blut-Doping und seine künstlichen Sieger gefunden wurde. Seitdem ist „Frischi“ wieder da, wo er hingehört, ganz oben auf den Siegerpodesten der Mountainbike-Welt.

Kaum ein anderer Mountainbiker der Geschichte ist erfolgreicher als Thomas Frischknecht. Dabei fühlt sich Frischi auf dem Sieger-Sockel stets unwohl. Er will nicht eine dieser verehrten Bike-Ikonen à la Tomac oder Fisher sein. Er passt einfach nicht in das Korsett des abgeschirmten Vollprofis oder des im Ruhm badenden Siegers. Frischknecht ist der Idealtypus des netten Papas, der mit seiner Frau und den Kindern sonntags gemütlich bei den Großeltern Kaffee trinkt – wenn er nicht gerade auf den Rennstrecken dieser Welt um den Sieg kämpft. Sechzehn Jahre dauert seine Karriere jetzt schon an und nur sein Ruhm wird ihn wohl überleben.

Er war genetisch vorbelastet – für Thomas Frischknecht gab es kaum eine Wahl, etwas anderes zu machen, als täglich die Schweizer Wälder mit groben Stollen zu malträtieren. Sein Vater, Peter Frischknecht, dreimaliger Vize-Weltmeister im Querfeldein, legte ihm die Gabe in die Wiege. Als Halbstarker aus Feldbach wurde er 1988 Junioren-Weltmeister im Querfeldein. Nur zwei Jahre später, mit gerade mal 20 Jahren, holte er Silber bei den ersten offiziellen Mountainbike-Weltmeisterschaften in Durango. Nur der alte Haudegen Ned Overend hielt den Jungspund in Schach. Im gleichen Jahr zog es Thomas in die USA, um unter der Legende Tom Ritchey mit im Team zu fahren. Ritchey wurde zum Ziehvater des Schweizers, und aus Teammanager und Fahrer wurden enge Freunde.

Auf dem Rennkurs ist er eine Pistensau: Je schlechter der Untergrund, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Siegersekt zwischen Frischis Händen spritzt. Fast bieder wirkt sein Privatleben dagegen, besonders dann, wenn er an seinem Weinberg die Reben abknipst. Seinen größten Triumph sieht er selbst in der Olympischen Silbermedaille von Atlanta 1996. Von Krämpfen geschüttelt und auf einem handgelöteten Rahmen von Tom Ritchey konnte nur der fliegende Holländer Bart Brentjens seinen Triumph verhindern. Im gleichen Jahr wurde Frischi Weltmeister, doch musste er vier Jahre auf seinen Sieg warten, bis ihm der damals gedopte Jerome Chiotti aus Reue die Medaille übergab.

Doch sein erfolgreichstes Jahr war der Startschuss zu den Tiefpunkten seiner Karriere. Die goldenen EPO-Jahre 1997-2000 ließen bloß noch Blech für Frischknecht übrig. Keine Siege mehr, nur voll gepumpte Gegner, die ihn Staub fressen ließen. Er kämpfte weiter, ließ sich nicht unterkriegen, engagierte sich massiv gegen Doping. Jeder Erwischte war ein Lichtblick und Thomas ließ sich nicht entmutigen: „Mit dem EPO-Nachweisverfahren kamen auch meine Resultate wieder“, sagt er. Und er feierte 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney sein „sauberes Comeback“, als er aus dem Nichts fast siegte.

Sechzehn Jahre Profi – viele seiner Mitstreiter beendeten schon nach der Hälfte der Zeit ihre Karriere. Thomas Frischknechts Siegerkonto würde für zwei Leben reichen: drei Mountainbike-Weltmeistertitel, drei Gesamtworldcup-Siege und unzählige Podiumsplätze bei Worldcup-Rennen machen ihn zum Methusalem des Mountainbikes. Frischknecht hat sie bis jetzt alle überdauert, die Tomacs, Tinkers oder Djernisses dieser Welt. Doch so langsam fühlt sich der nette Volksheld von nebenan zu einem anderen Leben hingezogen. Einem Leben mit mehr Zeit für seine Frau, seine Kinder und natürlich seinen Weinberg.

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