"Mein Job ist es zu schauen, dass es mir gut geht."

Henri Lesewitz

 · 13.08.2016

"Mein Job ist es zu schauen, dass es mir gut geht."Foto: Henri Lesewitz
"Mein Job ist es zu schauen, dass es mir gut geht."

Jolanda Neff macht, worauf sie Lust hat. Vielleicht wurde sie deswegen jüngste Worldcup-Gesamtsiegerin der Bike-Geschichte. Ein Gespräch über harten Cross-Country-Sport, Erotikfotos und Mathematik.


Seit sie denken kann, macht die Schweizerin Jolanda Neff nur das, worauf sie Lust hat. Vielleicht ist sie ja genau deswegen jetzt jüngste Worldcup-Gesamtsiegerin der Bike-Geschichte geworden. Wir besuchten sie gegen Ende der Rennsaison 2014 und sprachen mit ihr über die Härten des Cross-Country-Sports, Erotikfotos und Mathematik.

Die Privà Lodge in Lenzerheide wirkt nagelneu, die Tür zum Reich von Jolanda Neff hat noch nicht mal ein Namensschild. Am Tag zuvor erst ist sie in das Apartment gezogen, das für Trainingsaufenthalte gemietet ist. "Ja, hallo!", ruft Jolanda mit warmer, herzlicher Stimme. Da steht sie, der neue Star der Cross-Country-Szene. Weiße Jeans, blonde Mähne, riesige Dior-Brille mit Kunststoff-Fassung.

Zierlich sieht sie aus, noch zierlicher als auf den Rennfotos, die seit ihrem Worldcup-Gesamtsieg überall zu sehen sind. Sie ist die Jüngste, der ein solcher Triumph je gelang. Am Wochenende steht noch ein Rennen in Polen an, dann will Jolanda mit einer Freundin Urlaub in Miami machen. "Mein erster Strandurlaub überhaupt", lächelt sie und löffelt trockene Cornflakes mit Johannisbeer-Joghurt. Denn einfach faul am Strand zu liegen, ist für das Energiebündel eher Strafe als Erholung.

  Jolanda Neff wurde 2014 mit 21 Jahren jüngste XCO-Worldcup-Gesamtsiegerin der Mountainbike-Geschichte.Foto: Henri Lesewitz
Jolanda Neff wurde 2014 mit 21 Jahren jüngste XCO-Worldcup-Gesamtsiegerin der Mountainbike-Geschichte.


BIKE: Cross Country bedeutet eineinhalb Stunden maximaler Schmerz. Brennende Beine, Blutgeschmack im Mund, alles tut weh. Was ist so toll an dem Sport?
Jolanda Neff: (Lacht) Also mir macht es jedenfalls riesigen Spaß. Logisch, es tut weh. Man muss durch Schmerzen gehen, aber dadurch erreicht man ja auch was Schönes. Für mich ist das einer der besten Berufe, die es gibt.


Wie fühlt sich Cross Country an?
Für jemanden, der es noch nie gemacht hat, ist das extrem schwierig nachzuvollziehen. Man muss sich bis an die Grenzen pushen. Wenn die Beine brennen, musst du dich dazu bringen, trotzdem weiterzumachen. Cross Country bedeutet, neunzig Minuten am Limit, vom Startschuss bis zur Ziellinie. Es wird um jede Sekunde gekämpft. Wenn die Post abgeht, muss man dranbleiben. Dann heißt es leiden. Aber so was trainiert man ja auch. Es gibt so ein cooles Sprichwort: Trainiere hart, gewinne locker.


Dein Vater Markus war erfolgreicher Rennfahrer. Wie sehr hat der Bike-Sport Euer Familienleben geprägt?
Sehr stark. Wir waren immer eine sehr aktive Familie. Die Ferien waren immer mit Sport verbunden. Wir hatten einen festen Wohnwagen im Ski-Gebiet und waren oft Ski fahren, snowboarden, langlaufen. Im Sommer sind wir Mountainbike gefahren. Mein Vater ist Rennen gefahren, und weil wir Kinder immer dabei waren, haben wir halt auch mitgemacht. Bei meinem ersten Wettkampf war ich Sechs. Ich habe gewonnen. Das war super cool. Ab da sind meine Schwester und ich regelmäßig bei Rennen gestartet.


Was hat Dich an Wettkämpfen gereizt?
Das ich gewonnen habe.


Warum ist es so schön zu gewinnen?
Es ist nicht unbedingt das Podium, der Pokal, oder der Applaus. Ich will so oder so immer gewinnen. Bei den Kinderrennen gab es zudem immer schöne Preise. Einen Rucksack, oder so. Ich kann mich noch gut an ein Rennen erinnern, wo es einen riesigen Gabentisch gab. Mit wirklich tollen Preisen. Unter anderem eine komplette Ausrüstung, Radhose und Trikot. Ich hatte gewonnen und durfte als Erste aussuchen. Aber statt für das Klamotten-Set habe ich mich für ein Tagebuch mit einem lustigen Comic drauf entschieden. Das fand ich so toll. Meine Mutter konnte es kaum fassen, dass ich die Ausrüstung, die sie sonst immer teuer kaufen musste, habe liegen lassen. Die Preise waren aber nicht ausschlaggebend. Gewinnen ist immer besser als verlieren.

  "Es fühlt sich nicht an wie Verzicht. Ich will gar keine Tüte Chips essen, Weil ich weiß, dass es mich nicht schneller macht." Jolanda Neff macht, was sie will. Am liebsten: gewinnen.Foto: Henri Lesewitz
"Es fühlt sich nicht an wie Verzicht. Ich will gar keine Tüte Chips essen, Weil ich weiß, dass es mich nicht schneller macht." Jolanda Neff macht, was sie will. Am liebsten: gewinnen.


Wann wurde seriöser Sport draus?
Diese Frage wird mir oft gestellt. Ich kann sie aber nicht so genau beantworten. Es gibt keinen bestimmten Punkt, wo ich mich entschieden habe. Das war ein langsamer, langer Prozess. Es lief gut, dann hat mir irgendwann ein Rad-Shop ein Bike zur Verfügung gestellt. Im Jahr darauf kam dann ein Trikot dazu. Es wurde einfach immer mehr. Schritt für Schritt. Biken war mein Hobby. Ich habe es nie als Beruf gesehen, und ich habe auch nie eine Sportschule besucht. Meine Mitschüler am Gymnasium waren komplett unsportlich. Ich habe jedes Wochenende an Rennen teilgenommen. Die konnten das nie nachvollziehen. Die hatten so gar keinen Bezug dazu. Für mich war das in Ordnung. Ich hatte ja meine Leute in der Bike-Szene, die wussten, um was es geht. In der Klasse wurde über ganz andere Themen gesprochen. Aber das war ganz gut, um einen Ausgleich zu haben. So hatte ich immer den Bezug zur normalen Welt. Mir war dadurch immer klar: Für einen selbst bedeutet das Radfahren vielleicht viel. Aber es gibt noch andere Dinge im Leben.

"Okay, Ich sitze vielleicht nur zwei Stunden auf dem Rad. Im Grunde habe ich aber einen 24-Stunden-Job. Mein Job ist es, 24 Stunden am Tag zu schauen, dass es mir gutgeht."


Hat sich der Leistungsdruck durch die Sponsoren erhöht?
Nein, gar nicht. Das war ja etwas, was ich immer wollte. Druck macht man sich schluss­endlich immer nur selbst.


Seit zwei Jahren bist Du Profi. Cross Country ist für Dich jetzt Beruf und Hochleistungssport. Fällt es Dir schwer, dem alles unterzuordnen?
Nein, so sehe ich das gar nicht. Ich habe mal eine Werbung gesehen. Da stand: „It’s not a sacrifice, it’s a passion“ – es ist kein Opfer, es ist Leidenschaft. Es fühlt sich für mich nicht an, als würde ich irgendwas opfern. Logisch, ich tue alles für den Sport. Ich ordne ihm alles unter. Damit ich top bin. Damit ich perfekt vorbereitet bin. Es ist aber nicht so, dass ich mich zu irgendwas zwingen oder quälen müsste. Logisch, es braucht Disziplin. Logisch, man muss sich sagen, jetzt mache ich dieses und jenes. Schlussendlich ist es aber genau das, was ich tun will. Ich will besser werden. Ich will gewinnen. Ich möchte gar nicht eine Packung Chips essen, weil ich genau weiß, dass es mich nicht schneller macht. Es macht mich langsamer. Also will ich das auch gar nicht. Und dann ist es für mich kein Verzicht. Biken ist für mich pure Leidenschaft. Ich habe mich für den Sport entschieden, also möchte ich ihn auch so gut wie möglich machen. Und eben alles dafür geben.


Wie sieht denn so ein Leben als Profi eigentlich aus?
Oft fragen mich meine Freunde: ,Und, warst Du heute trainieren?‘ Und ich sage dann: ‚Ja, ich bin zwei Stunden gefahren.‘ Und die sind dann ganz erstaunt: ,Was, nur zwei Stunden? Was machst Du denn den ganzen Rest vom Tag?‘ Dabei habe ich ja im Grunde einen 24-Stunden-Job. Andere sitzen vielleicht acht Stunden am Tag im Büro. Aber dann haben sie Freizeit. Dann machen sie irgendwas, auf das sie gerade Lust haben. Sie müssen sich um nichts scheren, blöd gesagt. (lacht) Okay, ich bin vielleicht nur zwei Stunden auf dem Fahrrad. Aber wirklich Feierabend habe ich nie. Ich stehe früh auf, mache Übungen für die Rumpfstabilität, koche mir ein gesundes Frühstück, beantworte eine Stunde lang Mails, tippe Rennberichte und so weiter. Dann gehe ich aufs Bike. Okay, vielleicht sind es nur zwei Stunden. Dann komme ich nach Hause, mache mir was Gesundes zum Mittag und erhole mich. Am Nachmittag dann Kraftübungen, Interviews, Sponsorenverpflichtungen und ähnliches. Danach komme ich nach Hause, esse wieder gesund und gehe früh zu Bett. Mein Job ist es letztlich, 24 Stunden am Tag zu schauen, dass es mir gutgeht.


Schlafen gehört auch zum Job?
(Lacht) Ja, irgendwie schon. Klar, als Profisportler ist man natürlich wahnsinnig privilegiert. Es ist ein schönes Leben, das ich führen darf. Aber ohne Disziplin geht es nicht. Während der Saison, von Februar an, rühre ich keinen Tropfen Alkohol an und gehe kein einziges Mal auf eine Party. Ich bin vielleicht nur zwei Stunden auf dem Bike, aber es gibt so viele andere Dinge, die man für den Sport gibt. Selbst auf Reisen: Ich bin in der ganzen Welt unterwegs. Aber statt Sehenswürdigkeiten in Städten, gucke ich mir Schlüsselstellen auf Rennkursen an.


Kannst Du in ein Restaurant gehen und ein Essen so richtig genießen?
Ich gehe gerne in ein Restaurant, was Feines essen. Aber meistens macht mich Fettiges gar nicht an. Dieses Jahre haben wir uns oft Smoothies gemixt, wenn wir mit dem Team unterwegs waren. Gemüse und Obst, püriert zu Brei, das ist mega fein. Es gibt viele, leckere Sachen, die gesund sind. Einen Ernährungsplan brauche ich jedenfalls nicht.

  Arbeit und Genuss: Ihr Hobby sei "Kaffeetrinken", sagt Jolanda Neff.Foto: Henri Lesewitz
Arbeit und Genuss: Ihr Hobby sei "Kaffeetrinken", sagt Jolanda Neff.
  In ihrem Trainings-Revier Lenzerheide gibt es reichlich Gelegenheiten für entspannte Cappuccino-Stopps.Foto: Henri Lesewitz
In ihrem Trainings-Revier Lenzerheide gibt es reichlich Gelegenheiten für entspannte Cappuccino-Stopps.


Beim Cross-Country-Rennen kann jedes Kilo Übergewicht rennentscheidend sein.
Das ist eine normale Rechnung: Watt pro Kilo Körpergewicht. Genau deshalb ist die Ernährung auch so wichtig. Theoretisch kann man mit dem Taschenrechner ausrechnen, um wie viel schneller ein gespartes Kilo macht.


Cross Country ist Mathematik?
Ein Stück weit, das auf jeden Fall. Das Bike ist aber auch entscheidend. Ein 100-Meter-Schwimmer kommt irgendwann am anderen Beckenrand an, das kann man fast auf die Sekunde genau vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass was passiert, ist minimal. Beim Cross Country kann man immer einen Platten haben, oder die Kette kann reißen. Es gibt so viele ungewisse Faktoren. Aber das macht den Sport auch so spannend.


Wann hast Du das letzte Mal so richtig über die Strenge geschlagen?
Nach der Weltmeisterschaft. Das ist jedes Jahr so. Es ist das letzte wichtige Rennen. Für alle ist die Saison zu Ende. Da kann man auch mal feiern. Neben dem Ziel, direkt an der Gondelstation, war eine Art Après-Ski-Lokal. Es war sehr lustig.


Warst Du betrunken?
Nein, das kommt bei mir fast nie vor.


Welcher war der letzte Kinofilm, den Du geschaut hast?
(Überlegt sehr, sehr lange) Letztens war ich doch in … na, wie hieß der? Vor zwei Monaten. Ein Frauenfilm. Ah! The Walk of Shame. Diese Komödie, wo sie nach der Party nach Hause laufen müssen.


Und das letzte Konzert?
Auf einem Konzert war ich so gut wie noch gar nie in meinem Leben. Mein Bruder spielt in einer Band, da war ich im Frühling mal auf einem Konzert. Die Band heißt TIZ, was Trust in Zombies bedeutet. Das ist so eine Metallica …, ähm, wie sagt man … Rock … Metallica-Rockband, irgendwie diese Richtung.


Heavy Metal …
Ja, genau. Aber ich finde es wirklich gut. Die schreiben ihre eigenen Songs, die man sogar auf iTunes kaufen kann. Mein Bruder ist eher musikinteressiert als sportinteressiert.


Kannst Du vom Biken leben?
Vom Finanziellen her geht es mir im Moment gut. Auch, weil ich noch bei meinen Eltern wohne und in dem Sinne keine Ausgaben habe. Zudem kann ich glücklicherweise auch auf die Unterstützung vom Bund zählen. Ich bin zu 50 Prozent angestellt bei der Schweizer Armee. Die haben so ein Sportförderprogramm. In Deutschland gibt es das ja in einem riesigen Ausmaß. In der Schweiz gibt es genau neun Sommerathleten, die dieses Privileg haben.

"Zum Teil finde ich die Erotikbilder mancher Bike-Kolleginnen wirklich billig. Das tut fast schon weh."


Was ist wichtiger, um sich als Sportler vermarkten zu können: gutes Image oder gute Platzierungen?
Gute Platzierungen, ganz klar. Es nutzt gar nichts, gut auszusehen, wenn man nur auf dem vierzigsten Platz herumfährt.


Und umgekehrt: Was nutzt es, wenn man alle Rennen gewinnt, aber eher nicht den Schönheitsidealen entspricht?
Es gibt viele Frauen, die haben mal ein gutes Resultat und dann kommt die Aufmerksamkeit. Aber wenn danach nichts mehr kommt, dann schert sich auch schnell niemand mehr drum. Dann gibt es andere Frauen, die Rennen gewinnen, aber nicht so aussehen, dass man sie gut vermarkten kann. Für die ist es natürlich auch schwierig, Sponsoren zu finden. Ich denke, das Wichtigste sind immer noch die Platzierungen. Am Computer ein Foto zu bearbeiten, ist immer möglich. Ein Rennen nur durch Aussehen zu gewinnen, das geht nicht. Wenn man schnell fährt und einigermaßen normal aussieht, dann ist alles gut.


Auffallend viele Bikerinnen lassen sich aufreizend fotografieren, weil sie sich dadurch Vorteile bei der Sponsorensuche erhoffen. Haben die Macher vom berühmt-berüchtigten Cyclepassion-Kalender schon angerufen?
Nein, die haben mich noch nie gefragt. Aber ich wüsste auch nicht, ob ich das machen würde. Es kommt immer darauf an. Bilder können schön sein, wenn sie sinnlich sind, oder einen gewissen Stil haben. Zum Teil finde ich die Erotik-Bilder mancher Fahrerinnen aber wirklich billig. Das tut einem schon fast weh.


Von Dir gibt es auch Bilder, die Dich betont sexy zeigen.
Meine Kollegin Susan hat Fotografie als Hobby. Sie hatte mich mal gefragt, ob ich Lust auf ein Shooting hätte. Da sind wir einfach los in die Natur und haben Bilder gemacht. Es waren keine Erotik-Bilder, sondern einfach ästhetische Aufnahmen. Einmal im Jahr machen wir seitdem so ein Shooting. So was macht mir Spaß. Es ist schon wichtig, dass man als Profi was von sich mitteilt.


Dein Markenzeichen ist Deine wallende Haarpracht. Alles Natur?
Die Farbe ist aufgehellt, die Locken habe ich aber schon immer. Das ist wirklich witzig. Unlängst habe ich beim Training einen Läufer überholt. Als ich dann an einer Schranke warten musste, kam er an und meinte: ,Du bist doch Jolanda! Ich habe Dich an Deinen Haaren erkannt!‘ Wahnsinn! Der Typ hatte mich ja nur von hinten gesehen.

  Glamour und Gloria: Jolanda Neff steht auf modische Outfits. Ihre Radklamotten allerdings sind eher Orden: Regenbogen-Weste über Schweizer-Meister-Einteiler. Eine seltene Kombi.Foto: Henri Lesewitz
Glamour und Gloria: Jolanda Neff steht auf modische Outfits. Ihre Radklamotten allerdings sind eher Orden: Regenbogen-Weste über Schweizer-Meister-Einteiler. Eine seltene Kombi.
  Seit dem Worldcup-Gesamtsieg kämen etwas mehr Medienanfragen und Mails, sagt Jolanda Neff. Für sie persönlich hätte sich nichts geändert. Neff ist auch abseits der Rennstrecke Vollprofi und Meisterin der Selbstvermarktung. Foto: Henri Lesewitz
Seit dem Worldcup-Gesamtsieg kämen etwas mehr Medienanfragen und Mails, sagt Jolanda Neff. Für sie persönlich hätte sich nichts geändert. Neff ist auch abseits der Rennstrecke Vollprofi und Meisterin der Selbstvermarktung. 


Du selbst arbeitest hart an Dir. Bist Du auch mit der Präsentation des Sports zufrieden? Die Rennen finden im Wald statt. Als Zuschauer kommt man nur schwer an die Strecke. Fernsehübertragungen gibt es kaum.
Ich würde mir schon wünschen, dass Biken mehr Aufmerksamkeit bekommt. Hier in der Schweiz hat Nino Schurter dem Sport schon zu großer Aufmerksamkeit verholfen. Es würde mich freuen, wenn ich da auch etwas beitragen könnte. Mehr Zuschauer und mehr Medien wären natürlich toll.

"Eigentlich ist es krass. Der einzige Schutz, den wir haben, ist ein 200 Gramm schwerer Plastikhelm."


Um die Attraktivität zu erhöhen, werden immer spektakulärere Steinfelder namens Rockgarden in die Kurse gebaut. Hast Du manchmal Angst?
Eigentlich ist es krass. Die Downhiller fahren voll geschützt. Vollvisierhelm, Nackenschutz, Brust- und Rückenpanzer, Protektoren an Armen und Beinen. Dazu die Bikes mit massig Federweg. Wir Cross-Country-Leute fahren auch heftige Abfahrten. Und der einzige Schutz, den wir haben, ist ein 200 Gramm schwerer Plastikhelm. Wenn man im Rockgarden stürzt, kann das brutale Folgen haben. Die Kursbauer haben eine große Verantwortung. Ein Singletrail, der viele Wurzeln hat, kann allerdings noch viel anspruchsvoller sein als ein Rockgarden. Ich finde technische Passagen sehr gut. Es gibt aber Stellen, wo man sieht, dass es einfach nicht gutgehen kann. Einmal war das Flatterband auf einer Wiese mit Eisenpflöcken befestigt. Die Pflöcke waren krass. Ein Fahrer ist gestürzt und mit dem Arm voll auf einen Pflock gefallen. Der Pflock ging in den Arm rein, das war eine mega krasse Wunde. Solche Gefahren wären sehr einfach zu vermeiden. Sturzräume sind wichtig. Dann hält sich das Risiko auch bei großen Hindernissen in Grenzen.


Beim Worldcup-Rennen in Méribel ist die Niederländerin Annefleur Kalvenhaar nach einem Sturz auf dem Kurs des Cross-Country-Eliminators verstorben. Wie hast Du vom Unfall erfahren?
Der Mechaniker unseres Teams arbeitete auch als Mechaniker von Annefleur. Er hat sie gut gekannt. Wir haben es gleich gehört, als der Unfall passiert ist und waren die ganze Zeit informiert. Am Nachmittag haben wir gehört, dass es ernst ist und dass es wirklich schlecht aussieht. Am nächsten Morgen, als sie gestorben ist, haben wir es gleich erfahren.


Wie hast Du Dich gefühlt?
(Überlegt lange) Ja, scheiße natürlich …


Hat das Dein Bild vom Sport verändert? Das einem plötzlich klar wird: Man ist zerbrechlicher, als man eigentlich denkt?
Nein, gar nicht. Ich denke, so ein Unfall kann überall passieren. Man kann mit dem Auto einen Unfall haben. Die Wahrscheinlichkeit ist um ein Vielfaches höher, als beim Biken tödlich zu verunglücken. Man kann mit dem Flugzeug abstürzen. Man kann eine Treppe runterfallen. Es kann immer irgendwas passieren. Ich sehe das nicht auf den Sport bezogen, aber es hat die Relationen doch etwas verschoben. Man begreift: Das Leben kann morgen vorbei sein. Oder heute. Man muss das Beste aus dem Leben machen. Man weiß nie, wann es zu Ende ist. Wir fahren Wettkämpfe und kämpfen um jede Sekunde. Das Leben an sich ist aber etwas viel Größeres.


Du bist die jüngste Worldcup-Gesamtsiegerin der Geschichte. Wie hat der Titel Dein Leben verändert?
Bis jetzt nicht viel. Ich bekomme mehr Medienanfragen. Das Fernsehen war zweimal da. Vorgestern habe ich 34 Mails beantwortet. Rein persönlich hat sich für mich nichts verändert. Aber das ist ja auch ganz gut so.

  2014 wird die 21-jährige Schweizerin Jolanda Neff in Hafjell (NOR) zum dritten Mal in Folge Weltmeisterin in der U23-Klasse. Foto: Armin M. Küstenbrück
2014 wird die 21-jährige Schweizerin Jolanda Neff in Hafjell (NOR) zum dritten Mal in Folge Weltmeisterin in der U23-Klasse. 

Infos Jolanda Neff


Vita
Jolanda Neff wurde am 5. Januar 1993 geboren. Ihr Vater Markus war erfolgreicher Rennfahrer und führte Jolanda früh an den Bikesport heran. Seit 2012 ist sie Vollprofi.


Teams
Ihre ersten Bike-Kilometer sammelte Jolanda im Kids-Team, das ihr Vater gegründet hatte. Ihre Profi-Karriere startete sie im Team Liv Pro XC Giant. Seit 2015 fährt sie für das Team Stöckli.


Erfolge
Drei WM-Titel in der U23-Klasse, Gesamt-Worldcup-Sieg 2014 und 2015, dazu diverse nationale Meistertitel sowie Worldcup-Erfolge, Europameisterin Cross Country 2015 und 2016, Marathon-Weltmeisterin 2016


Hobbys
Kaffeetrinken, Shoppen, Freude treffen

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