Jan Timmermann
· 13.02.2025
Kinder und Jugendliche zu Bewegung zu motivieren oder konkret fürs MTB zu begeistern, kann eine ganz schön harte Nuss sein. Viele Eltern würden sie gerne knacken, wissen jedoch nicht, wie sie ihren Nachwuchs in den Sattel bekommen. Über zu wenig Zeit auf dem Bike können sich die Familien des BIKE Junior Teams sicherlich nicht beschweren. Seit 15 Jahren gehört das Team des BIKE-Magazins zu den erfolgreichsten Jugend-Mannschaften Deutschlands und hat schon so manchen Profisportler hervorgebracht. Darunter international erfolgreiche Rennfahrer, wie die deutsche Elite-Meisterin Leonie Daubermann oder Cape-Epic-Sieger Georg Egger. Auf das Konto der aktuellen Besetzung gehen nationale und Europameister-Titel. Seit acht Jahren verantwortet Bernd Sigel die Geschicke des gemischtgeschlechtlichen Jugend-Teams als Geschäftsführer und Team-Manager. Für den Familienvater und Bäckermeister einer großen Bio-Bäckerei ist die Arbeit im Nachwuchssport nicht nur ein willkommener Ausgleich zum Betrieb, sondern auch Leidenschaft. Wir wollten vom Profi wissen, wie sich Jugendliche zum Biken motivieren lassen und warum ausgerechnet Cross Country eine geeignete Jugend-Disziplin ist.
BIKE: Wie wird man Manager eines Junior-Teams?
BERND Sigel: Ich war in der Vergangenheit schon in verschiedenen Formen der Jugendarbeit aktiv und bin natürlich selbst Biker. Als mein Sohn Pirmin vom damaligen Leiter des BIKE Junior Teams entdeckt wurde und anschließend bereits im ersten Jahr bei der EM an den Start ging, bekam dieses für unsere Familie einen gewissen Stellenwert. Gleichzeitig zeichnete sich ab, dass mein Vorgänger die Teamleitung abgeben wollte und nach einiger Zeit übernahm ich die Geschäftsführung. Ich wollte unbedingt, die Existenz des Teams weiterführen, denn es half nicht nur meinem Kind, sondern auch neun anderen Familien dabei den immer teureren Radsport zu finanzieren.
Was sind die Vorteile, wenn Kinder und Jugendliche im Team fahren?
Natürlich gibt es einen wirtschaftlichen Aspekt. Wenn ich als Normalverdiener den MTB-Rennsport zweier Kinder finanzieren will, muss ich schon einige Überstunden schieben. Eine Teamzugehörigkeit macht es Jugendlichen aber auch leichter Täler zu durchschreiten. Als mein Sohn damals das Team-Trikot trug, war Aufhören für ihn keine Option. Durch den Vertrag mit dem Team war er in seinem Selbstverständnis Rennfahrer. Das gab ihm Halt und Struktur, um auch in schwierigen Zeiten dranzubleiben. Man ist nicht alleine und gemeinsame Ziele tragen durch so manche Motivationslücke. Ein Jugend-Team ist auch nochmal etwas anderes, als eine Vereinszugehörigkeit. Aufhören bekommt durch die Verbindung mit den anderen Teammitgliedern eine ganz andere Verbindlichkeit. Freiwilligkeit heißt ja nicht Beliebigkeit. Das ist etwas, was mich in der heutigen Erziehungsarbeit mit Kindern oder Azubis viel zu oft stört. Ein Teamwechsel darf nicht so leicht fallen, wie Unterhosen wechseln, sondern darf auch ein bisschen weh tun.
Worauf achtest du in deiner Rolle als Teammanager besonders?
Wenn wir telefonieren, gehört die erste Frage der Gesundheit, die zweite der Situation in der Schule. Erst, wenn das besprochen ist, geht es ums Radfahren. Wenn es mit den Ergebnissen nicht läuft, sind die Fahrer nämlich oft entweder nicht gesund oder es brennt in der Schule. Es muss einfach klar sein, dass der Rennsport in den allermeisten Fällen kein Job wird, sondern ein Hobby bleibt. Geld verdient damit kaum jemand. Mit den Kids im Team gibt es eine Zielvereinbarung und eine Art protokolliertes Jahresgespräch, wie man es auch aus der Mitarbeiterführung kennt. Das habe ich eingeführt, damit wir von Zeit zu Zeit unsere Vorsätze kontrollieren können.
Warum bietet sich Cross Country für junge Biker an?
Der Wettkampfcharakter kann schon in jungen Jahren motivieren und das Format lässt eine altersgerechte Steigerung zu. Aus pädagogischer Sicht ist das behutsamer als die Sechs-Stunden-Familientour am Sonntag. Sich über Pässe zu kämpfen kann auch jungen Bikern Spaß machen und sie können aus ihrer Leistung Bestätigung ziehen, ein sexy Angebot für Kinder ist das aber nicht. Als mein Sohn zehn Jahre alt war, haben wir ihm einen Rucksack aufgesetzt und mit auf Transalp genommen. Er ist den ganzen Tag fleißig gekurbelt und er hat es vertragen. Wirklich kindgerecht war das im Nachhinein betrachtet aber nicht. Bei Cross-Country-Jugendrennen zählen teilweise auch Downhill- und Trial-Skills. Das sind Elemente, die sich altersgerecht und kurzweilig ins Training einbauen lassen.
Wie wichtig ist ein Start im frühen Alter, wenn man in der Cross-Country-Disziplin erfolgreich sein will?
Der technische Anspruch dieser Disziplin wird immer höher. Je früher Kinder damit anfangen, desto eher können sie die benötigten Automatismen erlernen und taktisches Geschick entwickeln. Erst über die Jahre trennt sich die Spreu vom Weizen. Wie überall im Radsport landen irgendwann die Fleißigen mit den passenden körperlichen Voraussetzungen und der Bereitschaft sich quälen zu wollen immer weiter vorne.
Was braucht es, um die Jugend zum Biken zu motivieren?
Couchpotatoes bekommt man schwer aufs Rad. Von vorne herein braucht es Spaß an der Bewegung unter freiem Himmel. Jeder einzelne unseres Teams kommt aus einer aktiven Familie. Von dort aus ist der Schritt zum Mountainbike eigentlich naheliegend. Mit dem Rad lassen sich ohne großen Kraftaufwand große Distanzen überwinden und Biken ist viel kurzweiliger, spektakulärer und erlebnisreicher als etwa Wandern. Zudem lässt sich die Bewegung recht simpel steigern. Irgendwann fährt man weiter, höher, überholt andere.
Kids, die im Sattel das erste Mal den Ortler erspähen, werden gleich zehn Centimeter größer. Das kann den Nachwuchs motivieren sich solche Dinge auch in Zukunft zu erarbeiten und den inneren Schweinehund zu besiegen. Es ist wichtig das als Familienprojekt zu verstehen und als Vater nicht einfach vorauszupreschen. Natürlich kenne ich am Ferienende das Genöle, warum wir nicht, wie die Klassenkameraden an den Strand gefahren sind. Im nächsten Jahr wollen sie dann aber doch noch größere Bike-Abenteuer erleben. Meine Kids fahren bis heute sehr gerne sportlich Rad.