​Biker vs. WandererVerhaltensregeln in Konfliktsituationen

Dimitri Lehner

 · 06.11.2025

​Biker vs. Wanderer: Verhaltensregeln in Konfliktsituationen
Oh, jetzt eskaliert es gleich! | Illustration: Laurin Lehner/ChatGPT
​BIKE: Wanderer trifft auf Biker. Wie verhalte ich mich richtig? Nicolas Gareis: Man muss wissen: Dem Fußgänger gebührt Vorrang! Mein Tipp: immer freundlich sein.


Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Wanderern und Bikern - auch bei vermeidlich richtigem Verhalten. Trotz 37 Jahren Mountainbike-Erfahrung hatte auch ich kürzlich eine Konfliktsituation mit einem Wanderer - und habe dabei die Beherrschung verloren.

Die Ausgangslage

Mein Bruder und ich stehen nahe des Gipfels. Bayern in seiner schönsten Form: Morgensonne, trockener Fels, Stille, blaue Bergrücken in der Ferne. Unser Lieblingstrail beginnt hier. Wir sind extra früh aufgestanden, um niemandem zu begegnen. 6 Uhr morgens – und trotzdem taucht gleich auf den ersten Metern ein Wanderer auf. Wir halten an. Der Mann, vielleicht Mitte 40, stochert uns mit seinen Leki-Stöcken entgegen, schüttelt den Kopf und sagt: „Müsst’s ihr hier fahren?!“

Die emotionale Ampel springt auf gelb

Der Satz triggert mich. In den Bergen will ich alles, nur nicht geschulmeistert werden. Der Trail ist nicht verboten. Wir dürfen hier sein. Er darf hier sein. Schon die Tatsache, dass er uns anspricht, erzürnt mich. Doch ich habe gelernt, meinen Ärger zu kontrollieren und vor allem: Einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Denn sie eskaliert. In 80 Prozent der Fälle.

Konstruktive Gespräche? Schwierig!

Für einen Konsens sind die Positionen zu festgemauert, die Verärgerung zu groß, die Nerven zu überreizt. Wir werden den Wanderer nicht bekehren können, dass er am Ende sagt: „Stimmt, auch ihr habt ein Recht, in den Bergen zu sein. Der Trail ist nicht verboten. Also: Viel Spaß bei der Abfahrt!“

Das gleiche gilt für uns. Also: Nichts sagen! Wer das nicht kann und unbedingt was sagen muss, dann: Guten Morgen! Ein Guten Morgen oder Guten Tag ist das Maximum. Nicht: Gute Besserung! Keine Provokation. Nein: ein schlichtes Guten Morgen. Wie in einem Verhör hinter feindlichen Linien: Name und Dienstrang. Mehr nicht! Nix sagen!

Ihr ahnt es: So lief es nicht.
Mein Bruder kann nicht anders.
Laurin: „Wir haben angehalten und Platz gemacht – was ist dein Problem?“
Wanderer: „Dass ihr hier fahrt.“
Laurin: „Wir sind extra früh unterwegs, um niemanden zu stören.“
Wanderer: „Noch schlimmer! Da stört ihr die Nachtruhe der Viecher!“

Morgensonne, trockener Fels, Stille, blaue Bergrücken in der Ferne: Bayern in seiner schönsten Form.Foto: Dimitri LehnerMorgensonne, trockener Fels, Stille, blaue Bergrücken in der Ferne: Bayern in seiner schönsten Form.

Bis zur Eskalation...

Da reißt mir der Geduldsfaden.
Ich fauche: „Halt’s Maul! – Fuck you – und fuck die Viecher!“
Ich trete in die Pedale – und bereue es, bevor die Worte ganz draußen sind.

Vor allem über „Fuck die Viecher“ – Fuck die Viecher? Wer mich kennt, weiß, dass ich Flora und Fauna liebe, mich in diversen Naturschutzorganisationen engagiert habe, kein Fleisch esse und Würmer vom Asphalt klaube.

Mein Bruder ist stinksauer. Zu Recht. Denn jetzt sind wir die Buh-Männer und haben dem Typen genau das Pulver geliefert, das er für seine Meinung-Flinte braucht. Piff-Paff: Biker sind Hooligans. Biker nehmen keine Rücksicht. Bikern geht es nur um ihren Spaß ohne Verantwortung.

Will in den Bergen nicht geschulmeistert werden: Dimitri Lehner (li) mit Bruder Laurin (re).Foto: Laurin LehnerWill in den Bergen nicht geschulmeistert werden: Dimitri Lehner (li) mit Bruder Laurin (re).

Streit mit dem Bruder

Beim nächsten Stopp kriege ich von Laurin einen Einlauf, er erzählt, dass der Wanderer mir noch hinterher rief: „Und am Ende muss ich dich noch retten“. Ein Bergwachtler also.

Das ist mir egal. Was mir nicht egal ist: Ich habe die Fassung verloren. Ich habe in Rage Müll geredet. Ich habe meinen Bruder verärgert. Und das Schlimmste: Ich habe all diese Gedanken jetzt in meinem Kopf. Sie verpesten meine Laune und lassen sich nicht abschalten, so sehr ich es auch versuche. Die Folge: Statt meinen Lieblingstrail zu genießen, jongliere ich mit Gedanken, hab den Kopf voll, statt frei.

Und da ich ein Meister darin bin, die Schuld bei anderen zu suchen, sage ich zu meinem Bruder: „Dass du auch was sagen musstest!“ – Er: „Ach so, jetzt krieg ich den Schwarzen Peter. Du spinnst!“ Also auch noch Bruderzoff so früh am Morgen. In einem Satz: Aus einer Win-Win-Situation wurde eine Lose-Lose-Nummer. Die Frage: Wie hätte ich mich richtig verhalten?

Aus einer perfekten Morgenrunde wurde ein Lehrstück in Demut.
Wie hätte ich mich richtig verhalten?
Da habe ich nachgefragt bei jemandem, der es wissen muss: bei Nicolas Gareis. Er ist Referent Mountainbike und Umwelt des Deutschen Alpenvereins.

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?
Nicolas Gareis ist Referent Mountainbike und Umwelt des Deutschen AlpenvereinsFoto: Tobias HaseNicolas Gareis ist Referent Mountainbike und Umwelt des Deutschen Alpenvereins

Verhaltensregeln für Biker in Konfliktsituationen mit Wanderern

​BIKE: Dennoch lassen sich Diskussion oft nicht vermeiden. Oder doch?

Nicolas Gareis: Stimmt, jeder hat seine ganz eigene Gefühlslage. Da kann man sich kaum für alle Situationen wappnen. Die Praxis hat gezeigt, dass man mit einer rationalen Argumentation häufig nichts erreicht. Argumente wie, dass man hier von Rechts wegen radeln darf, dass Biker nicht mehr Wegeschäden anrichten als Wanderer usw. treffen auf taube Ohren – wenn du einen Hardliner vor dir hast. Die Diskussion kannst du dir schenken, da erhitzen sich nur die Gemüter.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

​BIKE: Also besser gar nix sagen?

Nicolas Gareis: Hallo, Servus und das war’s? (Lacht) Das können wir nicht offiziell empfehlen.

​BIKE: Ich will in den Bergen aber auch nicht geschulmeistert werden. Was also tun?

Nicolas Gareis: Auf keinen Fall die Beherrschung verlieren wie es dir passiert ist, denn damit ist niemandem geholfen. Mein Tipp: Lächeln und winken. Oder vielleicht was Nettes sagen wie: „Der Gipfel wartet auf dich!“ Oder: „Haben wir ein Glück mit dem Wetter, oder!“ Sprich: gute Laune verbreiten, den Groll runterschlucken!

​BIKE: Was auf keinen Fall tun?

Nicolas Gareis: Sich in eine Diskussion verheddern und Aggressionen aufkommen lassen. Denn diese negative Stimmung hängt dir dann noch lange nach. Dann verpuffen der schöne Tag und die Erholung, die du in den Bergen gesucht hast. Weil du dir die ganze Zeit Gedanken machst, was der Wanderer gesagt hat, was du gesagt hast. Solche Dinge lassen sich nur schwer wieder ausblenden. Sprich: Wenn ich weiß, dass ich auf dem Trail fahren darf, dann bin ich im Recht. Also freundliches Wort, netter Gruß und weiterfahren.

Meistgelesen in der Rubrik Über Uns