Jetzt biken? Das Beste.

Lisa Gärtitz

 · 11.03.2020

Jetzt biken? Das Beste.Foto: Robert Niedring
Jetzt biken? Das Beste.

Das Coronavirus dominiert die Schlagzeilen und breitet sich auch in Deutschland immer weiter aus. BIKE war im Gespräch mit dem Apotheker und Ex-Mountainbike-Profi Wolfram Kurschat.

Immer mehr Sorge breitet sich in Bezug zum Coronavirus in der Bevölkerung aus. Davon bleibt auch die Bike-Szene nicht unberührt. Ex-Mountainbike-Profi Wolfram Kurschat weiß als ausgebildeter Apotheker nicht nur über die aktuelle Gesundheitslage Bescheid, sondern auch, wie sich Biker in der jetzigen Lage verhalten sollten. Im Interview äußerte er sich offen zum Thema.

  Ex-Racer Wolfram Kurschat kehrte nach seiner Karriere in seinen alten Beruf zurück und arbeitet heute als Apotheker in Wiesbaden. Als Trainingsexperte kennt er die Bedürfnisse von Hobby- und Profi-Bikern. Foto: Ludwig Döhl
Ex-Racer Wolfram Kurschat kehrte nach seiner Karriere in seinen alten Beruf zurück und arbeitet heute als Apotheker in Wiesbaden. Als Trainingsexperte kennt er die Bedürfnisse von Hobby- und Profi-Bikern. 


BIKE: Viele geraten derzeit nahezu in Panik. Wie schlimm ist der Coronavirus tatsächlich?
Kurschat: Wenn man sich die Zahlen ansieht, beträgt die Sterberate durch den Coronavirus derzeit 0,5 %. Das ist nichts Ungewöhnliches. Ein junger, gesunder Mensch übersteht eine Infizierung in der Regel problemlos. Meist verläuft die Erkrankung wie eine mittelschwere bis starke Erkältung. Manche zeigen sogar keinerlei Symptome. Gefährlich wird es für alte und kranke Menschen. Da die Jungen und Gesunden als "Trägermedium" fungieren, ist es so wichtig, die Ausbreitung zu stoppen.


BIKE: Sie arbeiten ja heute in einer Apotheke. Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken sind fast überall ausverkauft. Wie sieht es bei Ihrem Arbeitgeber aus?
Kurschat: Bei uns waren Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken innerhalb eines halben Tages ausverkauft. Mittlerweile müssen die Apotheken selbst Desinfektionsmittel herstellen, um Engpässe auszugleichen.


BIKE: Wie sinnvoll sind diese Schutzmaßnahmen?
Kurschat: Wichtig sind zu allererst die Regeln, die laut Robert-Koch-Institut ohnehin in Grippephasen selbstverständlich sein sollten. Wer die allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen wie Hust-/Niesregeln und gute Händehygiene beachtet sowie 1 bis 2 Meter Abstand zu Erkrankten hält, minimiert auch die Ansteckungsgefahr mit dem neuen Coronavirus. Wenn man sich in großen Menschenmassen aufhalten muss, ist eine Atemschutzmaske sinnvoll. Man sollte aber so gut es geht, Menschenansammlungen vermeiden. Die Hände immer mal wieder mit Desinfektionsmittel zu reinigen, ist sinnvoll, wenn man keine Möglichkeit zum Händewaschen hat. Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass man durch diese Hygienemaßnahmen immun ist gegen eine Ansteckung. Das wäre, wie wenn man nach Kleidung sucht, mit der man 48 Stunden im strömenden Regen biken kann, ohne nass zu werden. Das gibt es nicht. Wichtig ist, jetzt einen besonders gesunden Lebensstil zu führen, um sein Immunsystem zu stärken.

  Immer gut für die Gesundheit: Bewegung in der Natur und gesunde Ernährung.Foto: BIKE Magazin
Immer gut für die Gesundheit: Bewegung in der Natur und gesunde Ernährung.


BIKE: Wie sieht denn ein gesunder Lebensstil genau aus?
Kurschat: Man sollte vor allem auf die ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen und Vitaminen achten und unnötigen Stress vermeiden. Außerdem trägt Sport zu guter Gesundheit bei.


BIKE: Also muss der Biker nicht auf seine geliebten Ausfahrten verzichten?
Kurschat: Auf keinen Fall! Biken in der Natur ist das Beste, was man machen kann. Wo kann man Menschenmassen besser aus dem Weg gehen, als im Wald? Zudem stärkt die Bewegung an der frischen Luft unser Immunsystem – sofern man es nicht übertreibt. Starkes Frieren oder extreme Belastungen sollte man in den typischen Erkältungsphase ohnehin vermeiden.


BIKE: Wie sieht es dann für leistungsorientierte Biker aus? Sollten sie ihr Trainingsprogramm einstellen?
Kurschat: Nein. Kein Sportler muss sein Trainingsprogramm einstellen. Es ist aber wichtig, sich nach der Belastung– wie ohnehin – nicht in Menschenmassen zu begeben und sich vor Kälte zu schützen. Nach einem harten Training kommt es zum sogenannten Open-Window-Effekt. In diesem Zeitraum ist das Immunsystem weniger abwehrstark und das Risiko einer Infektion besonders hoch.

Es handelt sich schon um einer Art Hysterie.Es geht bei den Quarantänemaßnahmen ja nicht darum, das Aussterben einer Bevölkerung zu vermeiden.


BIKE: Jetzt ist gerade die Zeit der Trainingslager. Sollten Radsportler vermeiden, im Ausland zu trainieren?
Kurschat: Das Problem ist nicht das Radfahren in einem anderen Land. Italien klammern wir aufgrund der hohen Zahl an Infizierten einmal aus. Das Problem ist die Anreise. Fliegt man in das Reiseland, begibt man sich unweigerlich auf dem Flughafen unter unzählige Menschen und im Flieger sitzt man mit hunderten Personen auf engstem Raum zusammen. Es geht hier um die Höhe der Wahrscheinlichkeit. Beim bloßen Radfahren im Ausland (abgesehen von Italien) ist die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung gering. Beim Flug dorthin dagegen sehr hoch.


BIKE: Ganz ehrlich. Was halten Sie von der Panik? Ist sie bloße Verrücktmache oder ist es wirklich so dramatisch?
Kurschat: Es handelt sich schon um einer Art Hysterie. Wie gesagt, die Sterberate liegt bei 0,5 %. Es geht bei den Quarantänemaßnahmen auch nicht darum, das Aussterben einer Bevölkerung zu vermeiden, sondern darum, alte, kranke und gefährdete Menschen zu schützen. Deshalb sollte man auf die genannten Maßnahmen achten, sich aber nicht von der Außenwelt abschotten.

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