Interview Peter DenkSpecialized-Ingenieur spendet Geld für die “Letzte Generation”

Interview Peter Denk: Specialized-Ingenieur spendet Geld für die “Letzte Generation”Foto: Laurin Lehner
Seit drei Jahrzehnten konstruiert Peter Denk Bikes. Gearbeitet hat er u. a. für Cannondale, Scott und inzwischen für Specialized.
Bike-Konstrukteur Peter Denk (57) aus Freiburg gilt als Kinematikexperte und Technikvisionär. Kürzlich spendete er Geld an die sogenannte “Letzte Generation”, dabei findet er deren Aktionen gar nicht gut. Ein Anruf im Breisgau.

Der Freiburger Fahrradkonstrukteur Peter Denk gilt als Technikvisionär, Carbon-Pionier und Experte in der Entwicklung der Mountainbike-Kinematik. Seit drei Jahrzehnten konstruiert Denk Bikes für die größten Marken der Welt, darunter Cannondale und Scott, seit 2014 arbeitet er exklusiv für Specialized.

Für die jüngsten Schlagzeilen hat er mit einer Geldspende von mindestens 300.000 Euro an die sogenannte “Letzte Generation” gesorgt. Dabei findet er deren Aktionen gar nicht gut. Im Gespräch mit BIKE erklärt er, warum es für ihn aktuell keine bessere Alternative im Kampf gegen den Klimawandel gegeben hat.

BIKE: Peter, Du hast insgesamt 300.000 Euro an die sogenannte “Letzte Generation” gespendet. Wie reagieren die Leute auf die Aktion?

PETER DENK: Viele meiner Freunde haben gesagt: Oje, jetzt kriegst Du ganz viele Hasszuschriften. So war es aber nicht. Ich bekam viel Zuspruch. Anscheinend denken viele wie ich: Sie finden es zwar auch nicht gut, was die Letzte Generation macht, aber keinem fällt was Besseres ein.

Doch Hasszuschriften blieben vermutlich nicht aus, oder?

Die bekam ich auch, besonders über Facebook. Die Hate-Kommentare waren interessanterweise bis auf einige wenige alles Fake-Accounts: kein Foto, keine Freunde, keine Daten. Also irgendwelche Nerds oder Fossil-Lobbyisten.

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Zu der sogenannten “Letzten Generation” gehören auch die Klima-Kleber. Du selbst sagst, Du verurteilst solche Klebeaktionen, dennoch finanzierst Du sie. Inwiefern ergibt das Sinn?

Weil die Letzte Generation das Thema Klimawandel ins Bewusstsein ruft, darum geht es mir. Das ist eine Verzweiflungstat. Wir haben den Klimawandel, und statt unseren CO2-Ausstoß zu reduzieren, steigern wir ihn. 2022 war das Jahr mit dem höchsten Ausstoß aller Zeiten*. Wie krank ist das denn? Bald gibt es kein Zurück mehr. Es wird katastrophal werden: Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung in Europa wird komplett zusammenbrechen. Mir geht es nicht in den Kopf, warum wir trotzdem die Interessen von Ölscheichs vertreten.

Weil viele Leute gut daran verdienen vielleicht?

So ist es. Die billigsten Energien sind mit Abstand Solar und Wind. Warum machen wir nicht Deutschland zum Weltmarktführer in Sachen nachhaltige Technologie? Wäre problemlos möglich, wenn die Politiker sagen, das machen wir nun so, fertig!

Noch mal zu den Klima-Klebern. Lässt sich mit Klima-Klebeaktionen die Klimawende einleiten?

Natürlich nicht. Doch es ist ein Denkanstoß. Guck uns an, wir sprechen nun drüber. Es gibt gerade eine totale Untätigkeit in Relation zur Aufgabe. Das heißt, wir steuern direkt auf den Worst Case zu. Aber die Parteien haben Angst, nicht gewählt zu werden, wenn sie die einzige Partei sind, welche diese unbequeme Wahrheit überbringt. Die einzige Lösung ist, dass es die großen Parteien gemeinsam angehen. Die CDU muss den von ihr gern genannten Heimatschutz endlich ernstnehmen.

“Das ist eine Verzweiflungstat. Wir haben den Klimawandel, und statt unseren CO2-Ausstoß zu reduzieren, steigern wir ihn. 2022 war das Jahr mit dem höchsten Ausstoß aller Zeiten*”, sagt Peter Denk.Foto: Laurin Lehner“Das ist eine Verzweiflungstat. Wir haben den Klimawandel, und statt unseren CO2-Ausstoß zu reduzieren, steigern wir ihn. 2022 war das Jahr mit dem höchsten Ausstoß aller Zeiten*”, sagt Peter Denk.

Manche behaupten, die Klima-Kleber schaden Parteien, die den Klimaschutz großschreiben.

Klar ist, klimabewusste Parteien ziehen jetzt sehr viel Hass auf sich. Die konservativen Parteien müssen aber endlich aufhören, eine Politik zu betreiben, welche Ölkonzernen kurzfristig noch Milliardengewinne beschert, mittelfristig jedoch unserer Wirtschaft und Gesellschaft extremst schadet. Es gibt kein Öl in Deutschland.

Du arbeitest seit Jahren in der Radbranche – gibt es Bereiche, bei denen die Radhersteller Vorreiter sein könnten?

Generell sind sie schon Teil der Lösung des Problems: Fortbewegung auf dem E-Bike oder dem Fahrrad ist per se schon ein Fortschritt. Trotzdem müssen auch wir schauen, dass wir in Zukunft CO2-neutral produzieren. Es wird zu einem Punkt kommen in spätestens fünf Jahren, dass es im Radladen Alternativen gibt. Dann hast du die Wahl: Es gibt das Rad von Marke X und das Rad Marke Y. Beide gefallen mir mehr oder weniger – Rad X ist aber nachhaltig produziert. Nachhaltige Produkte werden boomen. Ich vermute, es wird ein Revival geben von Aluminiumrahmen, die dann aus recyceltem Alu gemacht wurden. Und wir brauchen natürlich so schnell wie möglich eine grüne Kohlefaser, die mit Solarenergie, Wind-, Wasserkraft hergestellt wurde.

Viele neue Produkte auf dem Markt klingen nach Greenwashing. Müsste man nicht eher bereits gekaufte Produkte länger nutzen – also wie die US-Radmarke Trek, die alte Räder wieder herrichtet?

In meinen Augen ist das ein Irrglaube. Die Erdöl-Lobby will uns genau mit diesen Verzichtargumenten die Laune an Nachhaltigkeit nehmen.

Das kann ich nicht nachvollziehen, ein Fahrrad, das ich 30 Jahre benutze, wird immer nachhaltiger sein, als wenn ich mir alle fünf Jahre ein neues Fahrrad kaufe.

Ja, es wird immer besser sein, aber Du wirst dadurch den Klimawandel nicht aufhalten können. Wir müssen unsere Energieversorgung umstellen. Wir müssen dieses Rad, ob das jetzt fünf Jahre gebraucht wird oder 30, mit grüner Energie herstellen.

Du giltst in der Rad-Branche als Visionär und hast auch generell viele Ideen. Reizt es Dich, in die Politik zu gehen?

Nein. Meine Aufgabe ist, als Ingenieur zu arbeiten, bestimmte Sachen zu finanzieren, vielleicht mal Denkanstöße zu geben. Warum rennen wir mit offenen Augen in diese Katastrophe? Und warum vertreten wir die Interessen von Ölkonzernen und Ölscheichs?

Dabei haben wir einen grünen Wirtschaftsminister, Robert Habeck.

Stimmt. Leider ist die Politik eben von Hunderten von Öl-Lobbyisten beeinflusst. Elektroautos, Wärmepumpen und so weiter – es kommen immer dieselben unwahren Gegenargumente. Die Gas-Lobby hat für einen absurd hohen Betrag eine Kampagne gefahren, um gegen Wärmepumpen Stimmung zu machen. Es ist halt die reichste Industrie der Welt, und jetzt wollen wir ihr Geschäftsmodell anzweifeln.

Zurück zur Fahrradindustrie: Was muss sich da bewegen?

Ich glaube, der nächste Schritt in der Fahrradindustrie wird sein, dass wir recyceltes Aluminium verwenden und nachhaltige Energie. Bei den Fahrradreifen tut sich einiges, und wenn wir auch die Schaltungskomponenten mit CO2-freier Energie herstellen, wäre das schon mal ein großer Fortschritt.

Letzte Frage: Du zählst zu den erfolgreichsten Bike-Konstrukteuren. Wie weh tut es einem Peter Denk, wenn er 300.000 Euro spendet?

Wer glaubt, das zahle ich aus der Portokasse, der täuscht sich. 300. 000 Euro sind für mich sehr viel Geld. Das ist mein privat erspartes Vermögen. Ich sehe es aber nun mal als absolut notwendig an und als Investition in die Zukunft, auch in die meines Sohnes.

* Hinweis: Die Kohlendioxid-Emissionen sanken im Jahr 2022 in Deutschland gegenüber 2021 um 15 Millionen Tonnen bzw. rund 1,9 % auf 666 Millionen Tonnen. Gegenüber 1990 sind die Kohlendioxid-Emissionen um 36,8 % gesunken. Weltweit gesehen wurde aber ein neuer Rekordwert erzielt. Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland/kohlendioxid-emissionen#kohlendioxid-emissionen-2022

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