Florentin Vesenbeckh
· 04.02.2024
Lieferengpässe in der Bike-Branche - war da nicht was? Durch den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas geht das Thema in die nächste Runde. Die Schreckensmeldungen aus dem Nahen Osten haben auch direkten Einfluss auf die Zweiradindustrie und unser liebstes Hobby. In den letzten Monaten kommt es immer wieder zu Angriffen der Huthi-Milizen auf Schiffe im Roten Meer - auf der klassischen Route für Frachtschiffe aus Asien nach Europa. Viele Reedereien meiden die Route aufgrund dieser Bedrohung. Das hat deutlich längere Lieferwege und steigende Kosten zur Folge. Von mehreren Bike-Herstellern wissen wir, dass auch Fahrräder davon betroffen sind.
Die Geschichte erinnert an die Havarie des Frachters Ever Given im Jahr 2021, als die Fahrradindustrie wegen des abgeschnittenen Transportweges durch den Suez-Kanal echte Probleme bekam. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Branche ohnehin von Corona und damit zusammenhängenden Lieferproblemen gebeutelt war. Doch heute ist die Situation in der Bike-Branche eine andere. Die Lager sind voll, die Verfügbarkeit von Komponenten das vermutlich kleinste Problem. Stattdessen machen Meldungen von Umsatzverlusten, Massenentlassungen und Insolvenzverfahren die Runde.
Dennoch hört man aus anderen Branchen alarmierende Stimmen. Nach übereinstimmenden Medienberichten musste Tesla die Produktion in Grünheide im Januar für einige Wochen aussetzen, da der Nachschub an Zulieferteilen fehlte. Auch andere große Firmen wie Aldi und Ikea befürchten Einschränkungen im Sortiment. Laut dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, sei der Warenfluss über das Rote Meer im Januar 2024 gegenüber dem erwarteten Wert um 66 Prozent eingebrochen. Doch ein Experte des Instituts gibt vorsichtig Entwarnung:
Die Situation heute ist nicht mit dem Umfeld während des Evergiven-Unglücks im Suezkanal und der Corona-Pandemie vergleichbar, als Lockdowns zu einem drastischen Rückgang des Warenangebots führten und gleichzeitig die Nachfrage in Europa nach oben schnellte. Außer einer aktuell etwas längeren Lieferzeit für Produkte aus Fernost und erhöhten Frachtkosten, auf die sich das Containerschiffnetzwerk schnell einstellen dürfte, sind keine negativen Folgen für den weltweiten Handel zu erwarten. - Julian Hinz, Leiter des Kiel Trade Indicators.
Das Stichwort “erhöhte Frachtkosten” dürfte bei Bikern und Herstellern böse Erinnerungen wecken. Denn im Laufe der Coronapandemie stand dieser Grund ganz oben auf der Liste, als zahlreiche Preiserhöhungen für Bikes und Parts bekanntgegeben wurden. In der aktuellen Situation ist es kaum vorstellbar, dass Hersteller erhöhte Kosten an den Kunden weitergeben. Schließlich findet im Handel aktuell eine regelrechte Preisschlacht statt. Ohne satten Rabatt scheint aktuell kaum ein Fahrrad den Besitzer zu wechseln. Ebenfalls positiv für den Kunden: An Auswahl dürfte es aktuell nicht mangeln. Ganz neu vorgestellte Produkte liegen bei den meisten Herstellern und Händlern genauso auf Lager, wie bestehendes Material. Auch die Knappheit an Komponenten gehört längst der Vergangenheit an.
Die Attacken auf Schiffe im Roten Meer beeinträchtigen unsere aktuellen Lieferzeiten. Aufgrund der gefährlichen Lage nehmen derzeit viele Frachtschiffe eine Alternativroute über das Kap der Guten Hoffnung. Diese Strecke dauert allerdings deutlich länger als die direkte Route durch den Suezkanal. Dies verzögert die Lieferungen unseres neuen E-MTB-Modells um mehrere Wochen. - Focus Bikes in einer Pressemitteilung
Aufgrund der Ereignisse im roten Meer, passen auch die Reedereien, mit denen die Giant Group zusammenarbeitet, ihre Routen über das Kap der Guten Hoffnung an. Aktuell rechnen wir deswegen mit einer verlängerten Transitzeit aus Asien von ca. 2-3 Wochen. Die Giant Group hat langfristige Verträge mit Logistikpartnern abgeschlossen, daher bleiben kurzfristig unsere Frachtraten unverändert. Je länger allerdings in dieser Region Konflikte anhalten, und daher weiterhin Umleitungen notwendig sind, desto wahrscheinlicher, dass Reedereien bei der Verhandlung von Neuverträgen die Kosten umlegen werden. Die künftige Entwicklung unserer Logistikkosten steht in direktem Zusammenhang mit der Dauer und dem Ausmaß des Konflikts im Roten Meer, sowie der Notwendigkeit, dass Reedereien aufgrund von Sicherheitsbedenken längere Ausweichrouten wählen müssen. - Giant Deutschland GmbH
Weitere Anfragen bei Herstellern laufen - der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.