Adrian Kaether
· 01.02.2021
Breite Reifen und Vario-Sattelstützen machen Racebikes trailtauglich. Aber was sagen Profi-Rennfahrer zu solchen Trends? Nachgefragt bei Karl Platt und Pirmin Sigel.
Cross-Country-Racebikes galten lange als Folterinstrumente mit Star-Allüren. Gebaut für Athleten mit übermenschlicher Fitness und perfekter Fahrtechnik, die zur Not Worldcup-Strecken auch auf dem Cyclocrosser bewältigen könnten. Doch moderne Racebikes werden immer alltagstauglicher. Flachere Lenkwinkel verzeihen mehr Fehler, dank breiter Reifen und breiter Felgen ist Grip ebenfalls massig vorhanden und wenn’s steil wird, senkt man einfach den Sattel ab. Super für Wochenend-Rennfahrer und kilometerhungrige Langstrecken-Biker. Doch was sagen Profi-Racer zu den Technik-Trends? Wir haben unseren großen Racebike-Test 2021 genutzt und bei unseren Profi-Testern Karl Platt und Pirmin Sigel nachgefragt.
Karl Platt: „Ich fahre viel mit Teleskop-Stütze – einer Rockshox Reverb AXS – und nutze eine unscheinbare , kabellose Knopf-Fernbedienung (Sram AXS Blip) am Lenker, direkt neben dem Griff. Das ist absolut minimalistisch und ich spare mir die Kabel. So kann ich für das Fahrwerks-Lockout die klassischen Daumenhebel einsetzen. Das Lockout nutze ich aber eher sporadisch: Beim Attackieren, im Zielsprint oder auf kurzen steilen Stichen, um hart anzutreten.“
Pirmin: „Ich fahre ohne Variostütze und mit einem gemeinsamen Lockout für Gabel und Dämpfer, den ich aber nur auf Asphalt wirklich benutze. Ein komplett cleanes Cockpit wäre der Traum, aber es geht eben nicht anders. Dass ich keine Vario-Stütze verbaut habe, liegt daran, dass ich sie kaum benutzen würde. Im Rennen kann man in vielen Situationen einfach nicht umgreifen oder die Hand vom Lenker nehmen. Gerade dann nicht, wenn man in Runde fünf ohnehin schon fix und fertig ist. Und es geht ja auch so ganz gut.“
Pirmin: „Ich bin kein Grammfuchser. Wichtiger als das Gewicht ist mir, dass ich mich auf dem Bike wohlfühle, auch wenn das Rad dann vielleicht ein paar hundert Gramm schwerer ist. Deswegen greife ich auch sofort zum Fully, wenn ich mich auf einer Strecke auf dem Hardtail nicht zu hundert Prozent wohlfühle. Zumal das Mehrgewicht meines Fullys mit rund einem Kilo recht überschaubar ist, der konventionellen Sattelstütze sei Dank.“
Karl: „Mein Fully wiegt dank Vario-Sattelstütze rund 1,5 Kilo mehr als mein Hardtail. Deswegen würde das Hardtail auf manchen Anstiegen schon gut Zeit bringen. Und auch bergab kann man mit dem Hardtail schnell fahren, zumindest für kurze Zeit. Das Problem ist aber, dass man dabei immer extrem viel riskiert. Zum einen, dass man sich einen Platten oder einen anderen Defekt einhandelt. Zum andern, dass man wegen eines Fahrfehlers am nächsten Baum klebt. Deswegen ist in Summe für mich das schwerere Fully meist das schnellere und bessere Bike.“
Karl: „Ich bin schon mit vielen Felgen gefahren, auch sehr breiten. Meine Meinung ist: Breite Felgen über 30 Millimeter sind zu schwer und erzeugen ein zu unrundes Reifenprofil – schlecht für den Rollwiderstand. Ich fahre daher mit 25 bis 28 Millimeter Innenmaulweite aber mit 2,35 Zoll breiten Reifen. Die wirken zwar nicht viel breiter als 2,25 Zoll, aber man kann den Druck doch etwas weiter absenken und hat so mehr Grip und mehr Komfort.“
Pirmin: „Ich fahre aktuell mit Felgen mit 25 Millimeter Innenmaulweite und 2,25 Zoll breiten Reifen. Ich hatte bisher wenig Gelegenheit, mit der Reifenbreite mal etwas eingehender zu experimentieren. Kann mir aber schon vorstellen, dass 2,35 Zoll auf lange Sicht noch mehr Sinn macht.“
Pirmin: „Klar, die Lenker-Vorbau-Einheiten oder eine cleane Kabelführung, das sieht schon geil aus. So wie zum Beispiel beim Canyon. Dazu kommt der Steifigkeits- und Gewichtsvorteil von Lenker-Vorbau-Einheiten. Aber mal schnell den Lenker etwas drehen, das geht dann nicht mehr. Deswegen: Wenn man es ausprobieren kann und gut damit zurechtkommt, ist es ok. Der breiten Masse würde ich eher abraten.“
Karl: „Systemintegration finde ich super wichtig – optisch wie funktional. Speziell bei den Lenker-Vorbau-Einheiten ergeben sich aber klare Nachteile: Denn das Cockpit lässt sich dann nicht mehr ohne Weiteres anpassen.“
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