Die Diskussion um eine Helmpflicht für Radfahrer, im speziellen E-Bike-Fahrer ist neu entbrannt. Ausgehend von einem Weckruf des Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst (DBRD), Frank Flake. Er fordert eine gesetzliche Helmpflicht für Pedelec*-Fahrerinnen und -Fahrer. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) begründet er diese Forderung mit den häufig schwerwiegenden Verletzungsmustern, die Rettungskräfte bei verunglückten E-Bike-Nutzenden beobachten. "Bei Pedelec-Fahrern sehen wir immer wieder schwere Kopfverletzungen", erklärte Flake gegenüber der Zeitung. Die Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern, die Pedelecs ohne aktives Treten erreichen können, erscheine auf den ersten Blick nicht besonders hoch, könne jedoch bei einem Sturz bereits lebensgefährliche Verletzungen verursachen. Die Kombination aus höherer Durchschnittsgeschwindigkeit und dem oft höheren Alter der Pedelec-Nutzenden führe zu einem gesteigerten Risiko für schwerwiegende Unfallfolgen.
In die Diskussion zur Einführung einer Helmpflicht für E-Bike-Fahrer hat sich auch die ARGE Fahrrad eingeschaltet. Die Kommunikations- und Informationsplattform der österreichischen Fahrradindustrie umfasst 27 Unternehmen, darunter AT Zweirad GmbH, Bosch GmbH, Giant Österreich, KTM Fahrrad GmbH. Sie agiert seit 2014 unter dem Dach des Verbands der Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler Österreichs (VSSÖ).
Die ARGE Fahrrad positioniert sich in einer aktuellen Stellungnahme deutlich gegen eine gesetzliche Helmpflicht für E-Bikes, die im Rahmen einer geplanten StVO-Novelle diskutiert wird. Als Stimme der österreichischen Fahrradindustrie unterstützt der Verband zwar ausdrücklich das freiwillige Tragen von Helmen, lehnt jedoch eine gesetzliche Verpflichtung ab. Die Begründung stützt sich auf internationale Erfahrungen, die nach Einführung einer Helmpflicht massive Rückgänge in der Radnutzung dokumentieren. Laut ARGE Fahrrad würde eine Helmpflicht die Bemühungen zur Förderung des Radverkehrs konterkarieren und somit zentrale Ziele der Bundesregierung gefährden. Der Verband setzt stattdessen auf bessere Infrastruktur, niedrigere Tempolimits und gezielte Bewusstseinsarbeit, um die Sicherheit im Radverkehr zu erhöhen.
Die ARGE Fahrrad stützt ihre Ablehnung einer Helmpflicht auf Erfahrungen aus Ländern wie Australien, Neuseeland und Kanada. Dort sei die Radnutzung nach Einführung einer Helmpflicht um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen, bei Jugendlichen sogar um bis zu 80 Prozent. Für Neuseeland wurde selbst ein Jahrzehnt nach Einführung noch ein Minus von rund 51 Prozent bei den Radstunden pro Person gemessen. Auch wenn diese Daten teilweise umstritten seien, zeigten sie konsistent, dass zusätzliche Hürden die Nutzung des Fahrrads als Verkehrsmittel deutlich reduzieren. Übertragen auf Österreich würde dies bedeuten, dass statt einer angestrebten Verdoppelung auf 13 bis 14 Prozent Radverkehrsanteil ein Rückfall auf 9 bis 10 Prozent drohe. Ein solcher Rückgang stünde im direkten Widerspruch zu den Klimazielen und dem Mobilitätsmasterplan 2040 der österreichischen Bundesregierung, der eine deutliche Steigerung des Radverkehrsanteils vorsieht.
Besonders problematisch wäre eine Helmpflicht für den wachsenden E-Bike-Markt, der als wichtiger Motor der Mobilitätswende gilt. Bereits über 50 Prozent der in Österreich verkauften Fahrräder sind E-Bikes. Diese Räder erhöhen laut ARGE Fahrrad sowohl die Nutzungshäufigkeit als auch die jährliche Kilometerleistung der Radfahrenden. Viele Autofahrten würden durch E-Bike-Fahrten ersetzt, was einen zentralen Beitrag zu den Klimazielen und der angestrebten Mobilitätswende darstelle. Eine Helmpflicht würde diesen positiven Trend bremsen, da sie Alltagsfahrten erschwere und die spontane Nutzung reduziere. Gerade im Bereich der Sharing-Modelle, die auf unkomplizierte Nutzung setzen, wäre eine Helmpflicht ein erhebliches Hindernis. Die ARGE Fahrrad argumentiert, dass dadurch ein wichtiges Instrument zur Erreichung der Klimaziele geschwächt würde, ohne dass ein entsprechender Sicherheitsgewinn zu erwarten sei.
Als Alternative zur Helmpflicht präsentiert die ARGE Fahrrad einen Dreipunkte-Plan. An erster Stelle steht der Ausbau der Infrastruktur mit sicheren Radwegen, Verkehrsberuhigung und niedrigeren Tempolimits innerorts. Zweitens schlägt der Verband eine freiwillige Helmförderung durch Aufklärungskampagnen, Kooperationen mit Handel und Industrie sowie Rabatt- und Bonusmodelle in Zusammenarbeit mit Versicherungen vor. Der dritte Punkt umfasst Kommunikation und Bewusstseinsbildung, wobei das Helmtragen als Zeichen von Verantwortung positioniert werden solle und Vorbilder aus Sport und Politik genutzt werden könnten. Mit diesem Ansatz will die ARGE Fahrrad die Sicherheit im Radverkehr erhöhen, ohne die Nutzung des Fahrrads als umweltfreundliches Verkehrsmittel zu gefährden. Der Verband betont, dass eine gesetzliche Helmpflicht den Radverkehr massiv reduzieren, die Klimaziele gefährden, Unfallopfer benachteiligen und die eigentliche Ursache – die mangelnde Infrastruktur – nicht adressieren würde.
In die Diskussion um eine Helmpflicht für elektrisch unterstützte Fahrräder hat sich nun Ernst Brust, Sachverständiger für Mikromobilität bei Velotech, eingeschaltet. Seiner Ansicht nach sollten umfassende, systemische Ansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verfolgt werden, anstatt sich auf eine einzelne Maßnahme wie die Helmpflicht zu konzentrieren.
In der aktuellen Diskussion um die Verkehrssicherheit von Radfahrenden zeigt sich ein grundlegendes Problem: Die unpräzise Verwendung von Begriffen führt zu Missverständnissen und falschen Schlussfolgerungen. Besonders deutlich wird dies bei der Debatte um eine mögliche Helmpflicht für sogenannte "E-Bikes". Was im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als E-Bike bezeichnet wird, ist rechtlich und technisch in den meisten Fällen ein Pedelec (Pedal Electric Cycle oder EPAC - Electrically Power Assisted Cycle). Der entscheidende Unterschied: Bei Pedelecs arbeitet der Elektromotor ausschließlich unterstützend beim aktiven Treten der Pedale und die Motorunterstützung endet bei 25 km/h. Rechtlich werden diese Fahrzeuge wie herkömmliche Fahrräder behandelt.
E-Bikes im engeren Sinne verfügen hingegen über eine Anfahrhilfe oder einen Gasgriff, mit dem das Fahrzeug auch ohne Treten bewegt werden kann. Diese Fahrzeuge sind häufig zulassungspflichtig und unterliegen anderen rechtlichen Bestimmungen. Die begriffliche Unschärfe in der öffentlichen Diskussion führt regelmäßig zu Fehlinterpretationen von Unfallstatistiken und verzerrt die Wahrnehmung der tatsächlichen Risiken im Straßenverkehr. Eine sachgerechte Berichterstattung und fundierte Diskussion über Verkehrssicherheit muss daher auf einer präzisen Terminologie basieren, die die unterschiedlichen Fahrzeugtypen korrekt differenziert und ihre spezifischen Eigenschaften berücksichtigt.
Das Tragen eines Fahrradhelms ist grundsätzlich empfehlenswert und kann bei Stürzen die Schwere von Kopfverletzungen erheblich reduzieren. Diese präventive Wirkung ist wissenschaftlich belegt und wird von Verkehrssicherheitsexperten nicht in Frage gestellt, bestätigt Brust. Dennoch greife eine gesetzliche Helmpflicht speziell für Pedelec-Fahrende zu kurz, wenn es um die umfassende Verbesserung der Verkehrssicherheit geht. Detaillierte Unfallanalysen zeigten, dass die Hauptursache schwerer und tödlicher Unfälle mit Fahrrädern und Pedelecs nicht fehlende Helme, sondern Kollisionen mit Kraftfahrzeugen sind.
Bei diesen Unfallszenarien böte ein Helm zwar einen gewissen Schutz, könne aber die schwerwiegenden Folgen eines Zusammenstoßes mit einem mehrere Tonnen schweren Fahrzeug nur begrenzt abmildern. Der präventive Effekt einer Helmpflicht bleibe daher limitiert, wenn die grundlegenden Unfallursachen struktureller Natur sind und in der mangelhaften Trennung verschiedener Verkehrsteilnehmender, unzureichender Infrastruktur und unangepassten Geschwindigkeiten im motorisierten Verkehr liegen. Eine isolierte Betrachtung der Helmpflicht lenke zudem von der Verantwortung ab, die alle Verkehrsteilnehmenden für die Sicherheit im Straßenverkehr tragen, und suggeriert fälschlicherweise, dass die Hauptverantwortung für Unfallvermeidung bei den Radfahrenden selbst liege.
Anstatt sich auf eine einzelne Maßnahme wie die Helmpflicht zu konzentrieren, sollten umfassende, systemische Ansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verfolgt werden, so Brust. An erster Stelle stünde dabei die konsequente Reduzierung von Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs in Bereichen, wo verschiedene Verkehrsteilnehmende aufeinandertreffen. Studien belegten eindeutig, dass niedrigere Tempolimits in innerstädtischen Bereichen und auf Landstraßen die Unfallschwere drastisch reduzieren können.
Bei einer Kollision mit 30 km/h statt 50 km/h sinkt das Risiko tödlicher Verletzungen für ungeschützte Verkehrsteilnehmende erheblich. Ebenso wichtig sei nach Brusts Ansicht die systematische Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur. Getrennte, ausreichend breite und gut instandgehaltene Radwege, sichere Kreuzungsführungen mit guter Sichtbarkeit und durchgängige Radverkehrsnetze würden wesentlich zur Unfallvermeidung beitragen. Die konsequente Durchsetzung bestehender Verkehrsregeln, insbesondere beim Überholabstand von mindestens 1,5 Metern innerorts und 2 Metern außerorts, sei ein weiterer wichtiger Baustein.
Technische Lösungen wie Abbiegeassistenten für Lastkraftwagen könnten zudem besonders gefährliche Unfallsituationen entschärfen. Nicht zuletzt trage auch die Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmenden zur Sicherheit bei: Radfahrende sollten Handzeichen geben und Verkehrsregeln wie das Anhalten an roten Ampeln beachten, während Autofahrende für die besonderen Bedürfnisse und die Verletzlichkeit ungeschützter Verkehrsteilnehmender sensibilisiert werden müssen.
Eine Helmpflicht für Pedelec-Fahrende mag auf den ersten Blick als einfache und schnell umsetzbare Maßnahme erscheinen, greife jedoch zu kurz, wenn es um nachhaltige Verbesserungen der Verkehrssicherheit geht. Sie adressiere lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen der Gefährdung im Straßenverkehr. Ein wirklich effektiver Ansatz müsse die Verkehrssicherheit ganzheitlich betrachten und bei den strukturellen Ursachen ansetzen. Dies bedeute, die Infrastruktur fahrradfreundlicher zu gestalten, Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs zu reduzieren und das Bewusstsein aller Verkehrsteilnehmenden für ihre gemeinsame Verantwortung zu schärfen.
Nur durch eine Kombination dieser Maßnahmen kann eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheit erreicht werden. Die Debatte um die Helmpflicht sollte daher zum Anlass genommen werden, den Blick zu weiten und umfassendere Lösungsansätze zu diskutieren. Eine präzise Terminologie und faktenbasierte Diskussion bilden dabei die Grundlage für zielführende Entscheidungen. Letztendlich geht es nicht um symbolische Politik, sondern um wirksame Maßnahmen, die das Leben aller Verkehrsteilnehmenden schützen – unabhängig davon, ob sie mit dem Fahrrad, dem Pedelec oder dem Auto unterwegs sind. Eine große Auswahl an Helme gibt es z. B. bei Bike-Components, Bergfreunde oder Rosebikes.