Große Aufregung um neues WaldgesetzWas bedeutet der Referentenentwurf und wie geht’s weiter?

Gitta Beimfohr

 · 04.12.2023

Große Aufregung um neues Waldgesetz: Was bedeutet der Referentenentwurf und wie geht’s weiter?Foto: BIKE Magazin
Sieht so unsere Zukunft in Deutschlands Wäldern aus? Bayern macht es leider schon vor.
Seit die Online-Plattform Forstpraxis einen Referentenentwurf zum neuen deutschen Waldgesetz veröffentlicht hat, wird auf Social Media wild diskutiert. Welche Konsequenzen könnte das für Mountainbiker haben, sollte das Gesetz tatsächlich so verabschiedet werden? Wir haben den Fakten-Check gemacht.

Seit 2015 ist klar: Das aktuell gültige deutsche Waldgesetz aus dem Jahr 1975 braucht eine Überarbeitung. Vor allem aktuell brennende Themen wie Biodiversität und Klimawandel machen eine entsprechende Anpassung dringend nötig. Einen ersten offiziellen Entwurf für die Novelle hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (kurz: BMEL) ursprünglich für Ende Oktober 2023 angekündigt. Da aber die eingereichten 50 Stellungnahmen von Bundesländern und Verbänden wohl noch ausgewertet werden, wurde der Veröffentlichungstermin des offiziellen Gesetzentwurfs verschoben. Auch die DIMB hat eine Stellungnahme eingereicht. Darunter das vor einigen Jahren erfolgreich erarbeitete und gefeierte “Eckpunktepapier” der WaSEG:

WaSEG Empfehlung zum Natursport im Wald

Die Bundesplattform Wald – Sport, Erholung, Gesundheit (WaSEG), die sich aus den deutschen Spitzenverbänden aus Forst, Waldbesitz, Jagd, Wandern und Sport zusammensetzt, hat sich auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Das Radfahren in Wald und Flur soll gleichbehandelt werden. Radfahren ist auf allen geeigneten Wegen erlaubt. Grundsätzlich geeignet sind Wege in festem Zustand. Diesem Empfehlungsschreiben haben auch die Bundesländer, Städte und Gemeinden zugestimmt.

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Die Zielsetzung der DIMB: ein bundesweit einheitliches Befahrungsrecht durchsetzen und Sperrungen dort zu akzeptieren, wo es berechtigte Gründe gibt (z. B. Naturschutz, Gefahrenstellen). Antiquierte Sonderwege wie die Zwei-Meter-Regelung in Baden-Württemberg sollten damit endgültig gekippt werden.

Ein einheitliches Befahrungsrecht in deutschen Wäldern würde Vieles erleichtern.Foto: Wolfgang WatzkeEin einheitliches Befahrungsrecht in deutschen Wäldern würde Vieles erleichtern.

Doch nun veröffentlicht Forstpraxis (ein Online-Portal verschiedener Magazine für Förster und Waldbesitzer) plötzlich diesen Referentenentwurf. Eine Fassung, die laut Referatsleiter vom Landwirtschaftsministerium ausdrücklich nicht autorisiert wurde und inhaltlich nicht mit dem offiziellen Entwurf übereinstimme, an dem derzeit noch gearbeitet werde.

Was genau ist ein Referentenentwurf?

Um das herauszufinden, haben wir uns durch die Seiten der Bundesregierung gewühlt: Ein Referentenentwurf ist die allererste Stufe im Gesetzgebungsprozess. Referenten des fachlich zuständigen Ministeriums erarbeiten die Anliegen der Beteiligten und tragen sie in einem Entwurf zusammen (evtl. die Version, die nun geleakt wurde). Inhaltlich wird dieser Entwurf noch mehrfach überarbeitet, bevor er im Justiz- und Innenministerium auf seine Rechtsförmlichkeit in Bezug auf geltendes Recht, mögliche angrenzende Gesetze und Grundgesetz überprüft wird. Anschließend wird über den Referentenentwurf im Bundeskabinett (Bundeskanzler und Bundesminister) abgestimmt.

Findet der Referentenentwurf eine mehrheitliche Zustimmung, wird daraus ein förmlicher Gesetzentwurf. Und das ist der erste Entwurf, der normalerweise veröffentlicht und zur Diskussion freigegeben wird. Inhaltlich diskutiert wird noch im Plenum, in Fachausschüssen und Experten-Runden. Meist hat das noch mal eine starke Überarbeitung zur Folge, bevor der Gesetzentwurf schließlich zur Abstimmung ins Parlament weitergereicht und - gegebenenfalls mit Zustimmung des Bundesrates - als Gesetz verabschiedet wird.

Ist die ganze Aufregung also verfrüht?

Jain. Grundsätzlich muss man natürlich erst mal abwarten, was im echten, offiziellen Gesetzentwurf des Ministeriums steht, der erst für Januar 2024 angekündigt ist (eigentlich Frühjahr 2024, wobei die Naturschutz-Verbände mehr Tempo fordern). Was der DIMB aber bereits Sorgen bereitet: Einige Formulierungen in dem “geleakten” Referentenentwurf haben es kürzlich so oder so ähnlich schon mal ins Gesetzbuch einer Landesregierung geschafft - nämlich in Bayern. Das Bayerische Waldgesetz wurde um eine Verwaltungsvorschrift erweitert, die es Grundbesitzern nun ermöglicht, Wege nach eigenem Ermessen mit einem Fahrverbot zu versehen. Etwa, wenn die Wege aus ihrer Sicht zu steil oder zu schmal für Mountainbiker seien.

Auf einigen Social Media-Kanälen wird daher bereits spekuliert, ob dieser Referentenentwurf eventuell unter Einflussnahme von Waldeigentümern und Förstern entstanden sein könnte. Doch diese Theorie kann man wohl ausschließen, denn bei der AGDW, der Arbeitsgemeinschaft der Waldeigentümer ist die Empörung über diesen ersten Gesetzesentwurf mindestens genauso groß:
Die Arbeitsgemeinschaft der Waldeigentümer lehnt den Entwurf “in Gänze” ab, heißt es auf der Online-Plattform Forstpraxis.de. Laut AGDW-Präsident Prof. Andreas Bitter sei der Entwurf zwischen dem Bundesforst- und dem Umweltministerium abgestimmt worden und könne schon wegen der vielen handwerklichen Mängel nur als erste Diskussionsgrundlage dienen. Andernfalls würde man auch vor großen Protestaktionen nicht zurückschrecken.
Tatsächlich zielt ein Großteil des neuen Waldgesetzes auf die Forstwirtschaft ab (nachhaltiges Wirtschaften, Biodiversität, Vermeidung von Schäden durch Forstmaschinen, Rückegassen!) und da 48 Prozent des deutschen Waldes in Privatbesitz ist, dürfte diese Interessensgemeinschaft bei den Diskussionen entsprechend Gewicht haben.

Die einzigen Passagen, die bei den Waldbesitzern im geleakten Dokument gut ankommen, sind die Paragrafen, die uns Mountainbiker betreffen. Nämlich:

  • Das Fahrradfahren soll auf "geeignete Wege" beschränkt werden: Im schlimmsten Fall könnten die einzelnen Bundesländer mit dieser Formulierung sogar das Modell Österreich einführen, befürchtet die DIMB. Demnach wäre das Fahrradfahren nur noch auf gekennzeichneten Wegen erlaubt. Nachvollziehbare Begründungen für Wegesperrungen wie Naturschutz, hohes Nutzeraufkommen oder Gefahrenstellen müssten die Grundbesitzer dann nicht mehr abgeben.
  • Wege für den Forstbetrieb dürfen nicht befahren werden: Das trifft auf die von schwerem Gerät in den Waldboden gefurchten Rückegassen zwar heute schon zu, könnte sich künftig aber auch auf Trails ausweiten, die beispielsweise zu einem Jägerstand führen.
  • Der “Komoot-Paragraf”: Laut geleaktem Referentenentwurf soll die digitale Verbreitung von Touren-Tracks abseits öffentlicher Wege künftig nur noch mit Genehmigung des Grundeigentümers gestattet sein.

Allein der völlig unrealistische, wohl schwerlich durchsetzbare letzte Punkt zeigt, wie viel Raum für Diskussion und Aufklärung in diesem Vorab-Entwurf tatsächlich noch steckt.

Fahrbar oder nicht - das könnten künftig die Grundbesitzer festlegen.Foto: Patrick KunkelFahrbar oder nicht - das könnten künftig die Grundbesitzer festlegen.

Und wie geht’s jetzt weiter?

Die Veröffentlichung des ersten förmlichen Entwurfs hat das Bundesministerium für Landwirtschaft, wie gesagt, für Januar 2024 angekündigt. Um sich breiter aufzustellen, tauschen sich die Fachberater der DIMB bis dahin bereits mit anderen Interessensverbänden aus, die zum Thema Waldbetretungsrecht ähnliche Restriktionen fürchten müssen wie wir Mountainbiker (z. B. mit den deutschen Verbänden für Wanderer, Reiter und Tourismus). Zusammen mit Anwälten wird nun eine Strategie für das weitere Vorgehen entwickelt - für den Fall, dass einige der befürchteten Formulierungen tatsächlich im offiziellen Entwurf auftauchen sollten.

Wer die DIMB bei dieser wichtigen Lobbyarbeit unterstützen möchte: Je größer ein Verein, desto stimmgewaltiger. Die Basis-Mitgliedschaft kostet im Jahr 28 Euro und eignet sich hervorragend als Weihnachtsgeschenk für einen begeisterten Trailbiker!

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