Alessa Krempel
· 25.09.2005
Der richtige Dreh: Seit fast zwanzig Jahren baut der US-Hersteller Sram Drehgriffschaltungen für Mountainbikes. Grip Shift – von den einen geliebt, von den anderen gehasst – mischte Shimano auf.
1988 drang es zum ersten Mal an die Ohren der Mountainbiker. Auf der Eurobike in Köln: Ein ratterndes Krachen wie von Maschinengewehrsalven. Auf der Suche nach der Ursache des seltsamen Geräuschs landete man am Stand der Firma Trisport. Dort feierte die Drehgriffschaltung Grip Shift lautstark ihr Debüt auf dem europäischen Markt.
Damals war SRAM noch eine kleine, unbekannte Firma aus Chicago. Die Idee für die Schaltrevolution war der Brainpower der Bike-Kumpel Stan R. Day, Sam Patterson, Mike Mercuri, Jeff Shupe, Scotty Dog King und F.K. Day entsprungen. Als aktive Triathlon-Sportler hatten sie das endlose Gefummel nach den Schalthebeln am Oberrohr satt. Schalten, ohne die Hände vom Lenker zu nehmen – der Traum wurde 1987 Wirklichkeit. Die Firma SRAM brachte die ersten Grip Shifts für Triathlonbikes auf den Markt. 1988 in Köln folgte der Vorstoß auf den europäischen Markt. Mit Erfolg: Die ersten der 300 Griffpaare wurden noch direkt vor Ort verkauft: 189 DM verlangte der Importeur Trisport für die nackten Drehgriffe. Das dazu passende Schaltwerk musste man sich beim Konkurrenten Shimano besorgen.
1989 verbaute Cannondale Grip Shift erstmals an einem Serienbike. Anfang der 90er folgten andere große Hersteller. Der Clou der Griffe war ihre simple und intuitive Bedienung: Zum Wechseln der Gänge drehte man den Ring einfach in die gewünschte Schaltrichtung. Den Maschinengewehr-Sound gab’s inklusive. Dieser ertönte bald auf den Trails in aller Welt. Gegründet als Sechs-Mann-Firma, expandierte SRAM nach Mexiko, Taiwan und Europa. In vier Jahren spuckte man 24 Millionen Griffpaare auf den Markt. Auf dem Höhepunkt der Dreh-Mania schluckte SRAM 1997 die deutschen Sachs Fahrradkomponenten und katapultierte sich auf Platz zwei des Teilehersteller-Olymps.
In der noch jungen Szene der Mountainbiker wurde Grip Shift zur Glaubensfrage: Drehen oder Shiften, fragte man sich Ende der Achtziger. Die einen fühlten sich cool wie Easy Rider, wenn sie mit einem lässigen Dreh aus dem Handgelenk über die Ritzel ratterten. Dass man zum kompletten Durchschalten der Gänge einmal nachfassen musste, war nebensächlich. Andere hassten den 47 Millimeter dicken Gummiwulst. Bei Spielereien auf dem Trail provozierte er ungewollte Schaltvorgänge und bot bei Regen so viel Grip wie eine Blondine beim Schlammcatchen. Lieben oder Hassen – dazwischen gab es für die meisten Biker nichts. Im Profisport loderte die Liebe heiß. Mitte der 90er Jahre fuhr in der Rennszene alles, was Rang und Namen hatte, mit Grip Shift zum Sieg. Ob DH-Weltmeister Greg Herbold, Bike-Ikone John Tomac oder Cross-Country-Ass Thomas Frischknecht. Sie alle hatten den Dreh raus. 1996 in Atlanta die Krönung: Olympisches Gold für Bart Brentjens – und SRAM.
Doch auf den Siegesrausch folgte Katerstimmung. Ohne eigene Schaltwerke war gegen Shimanos Arsenal von Komplettgruppen nichts zu holen. Mit der Jahrtausendwende folgte der Neuanfang: Fusionieren statt Lamentieren war angesagt. Nacheinander landeten Gabel- und Dämpferspezialist Rock Shox, Bremsenspezialist Avid und Teilehersteller Truvativ im Bauch des US-Wals. Komplettgruppen made by SRAM. Aus den kleinen Gummigriffen ist ein Großkonzern entstanden, der seinen Wurzeln bis heute treu geblieben ist. Vielleicht, weil Grip-Shift-Mitbegründer Stan, Mike, Jeff und F.K. bis heute ein Wörtchen mitzureden haben und dafür sorgen, dass die legendären Gewehrsalven auch in Zukunft über die Trails schallen.