Henri Lesewitz
· 28.05.2020
Bernd Iwanow aus Sachsen-Anhalt fertigt CNC-Teile für die Autoindustrie, doch er träumte davon, ein Mountainbike zu erfinden. Sein Frace F160 ist komplett gefräst und soll in Kleinserie gebaut werden.
Das Projekt flutschte in sein Leben, wie ein Meteorit in die Erdatmosphäre. Der ostdeutsche Fahrrad-Hersteller MiFa hatte angefragt, ob er ein Klapp-E-Bike entwickeln könne, das in einen Autokofferraum passt. „Bis dahin hatte ich mit Fahrrädern eigentlich nichts groß zu tun“, sagt Bernd Iwanow, der mit seiner kleinen Firma in der sächsisch-anhaltinischen Provinz Teile für die Autoindustrie fertigt. In Lossa, einem so idyllischen wie verschlafen Dorf, dass sich irgendwo in den grünen Wellen zwischen Sangerhausen und Weimar befindet.
Das Projekt mit dem Klapprad nahm schnell Gestalt an, doch leider geriet der Radhersteller mal wieder ins finanzielle Trudeln – wie schon mehrmals nach der Wende – und musste Konkurs anmelden. Ein paar gefräste Rahmenfragmente, die in Bernds Besprechungsraum liegen, sind stumme Zeugen der einst voller Enthusiasmus gestarteten Auftragsarbeit. Doch Bernd hatte Blut geleckt. Mit einer Mischung aus Trotz und Ehrgeiz entschloss er sich ein eigenes Rad zu bauen. Nicht aus kommerzieller Absicht, sondern weil er es wollte. Ein Mountainbike sollte es sein. Und zwar kein gewöhnliches, denn davon gab es ja schon Abertausende.
Als Produzent von CNC-Teilen war klar, dass auch Bernds Bike auf diese Weise gefertigt werden sollte. Erste Internet-Recherchen zeigten, was für eine verwegene Idee das war. Bisher war noch kaum ein Mountainbike auf der Welt gefräst worden. Zumindest nicht aus dem Vollen. 1994 hatte Cannondale mit dem futuristischen, CNC-gefrästen V 4000 für Furore gesorgt. Das spektakuläre Projekt-Bike, entwickelt von Ingenieurs-Legende Alex Pong um die Konkurrenz aussehen zu lassen wie talentlose Hinterhof-Schweißer, blieb aber ein Prototyp.
Der damalige Cannondale-Chef Joe Montgomery musste vor der versammelten Fachpresse in seinen Hut beißen, nachdem er verkündet hatte, das V 4000 in kurzer Zeit zur Serienreife zu bringen. Andernfalls würde er seinen Hut essen, so Montgomery. Was er dann auch tat. Zumindest biss er ein Stück seiner Kopfbedeckung ab und würgte es fotowirksam hinunter. Das war es dann erst mal mit gefrästen Rahmen. Bis 2014 der Schweizer Adrian Summermatter ein spektakuläres CNC-Fully vorstellte. Aber auch das verschwand bald im Keller der Mountainbike-Geschichte. Doch als Bernd Bilder von Summermatters "Ribisu" im Internet sah, war er wie elektrisiert. So in etwa sollte sein Bike aussehen.
„Es sollte auch aus zehn Metern Entfernung jedem sofort klar sein, dass der Rahmen gefräst ist. Das war für mich wichtig“, sagt Bernd. Was bei dem berühmten CNC-Bike von Pole Bicycles nicht der Fall sei, fügt er hinzu. Die beiden miteinander verschraubten Alu-Halbschalen des finnischen Herstellers würden fast die Optik eines geschweißten Rahmens ergeben. Nach knapp zweijähriger Entwicklungszeit mit einigen Rückschlägen ist Bernds Frace F160 nun serienreif. Ein Enduro mit 160 Millimeter Federweg, 27,5-Zoll-Laufrädern und Viergelenker-Hinterbau, das keine einzige Schweißnaht aufweist. Noch gibt es nur ein einziges Exemplar, was das Bike noch seltener macht als die Blaue Mauritius. Doch das soll sich ändern. Bernd will das F160 auf Anfrage fertigen. Der Rahmen kostet wegen des enormen Produktionsaufwandes um die 5000 Euro, das Komplett-Bike in der hier abgebildeten Ausstattung gibt es für zirka 10 000 Euro. Mit einem Gewicht von knapp 17 Kilo lassen sich mit dem Frace F160 keine Höhenmeterrekorde aufstellen. Die Stärken des CNC-Bikes liegen dafür woanders. Die Hintergrundreportage und den ausführlichen Labor- und Praxistest gibt es in BIKE 7/2020. Das exklusive Video und eine Fotogalerie gibt es hier.