Ludwig Döhl
· 08.07.2017
Alles Überflüssige im Leben streichen und nur noch das tun, was am schönsten ist: biken, biken, biken! Robert Schulz lebt mit seinen Kumpels in einem alten Krankenwagen. Wie geht das denn?
Du lebst den ganzen Sommer lang in einem alten, ausrangierten Krankenwagen und gehst nur biken. Klingt ja wie im Märchen. Wie kam es denn zu diesem Lebensentwurf?
Ich war immer begeistert von den neuseeländischen Downhill-Fahrern, die den Weltcup als Privatiers ohne große Sponsorenverträge bestritten. Die Jungs haben wenig Geld, dafür aber viel Zeit zum Biken. Ein gutes Konzept, wie ich finde. Vor ungefähr zwei Jahren hab’ ich dann meinen Job als Konstrukteur gekündigt. Der Rest hat sich entwickelt.
Was reizt Dich am Mountainbiken so, dass Du dafür alles andere hinter Dir lässt?
Mich fasziniert, wie viel Spaß man mit der simplen Technik eines Mountainbikes haben kann. Je länger ich diesen Lebensstil durchziehe, desto klarer wird mir aber eigentlich, dass das Bike nur ein Hilfsmittel und nicht der wahre Grund meines Ausstiegs war. Was mich wirklich glücklich macht, ist, zusammen mit meinen besten Freunden Zeit in der Natur zu verbringen. Ohne das Biken hätte ich das nie herausgefunden. Ich hätte aber auch kein Problem damit, mit einem Surfbrett am Strand rumzuhängen.
Dann anders herum: Was war denn am geregelten Leben so schlimm?
Ich hab’ meinen Job im Büro hingeschmissen, weil ich einfach keinen Bock mehr hatte, jeden Tag in endlosen Besprechungen zu sitzen und über sinnlose Dinge zu diskutieren. Ich will mein Leben genießen und nicht die Zeit im Büro totschlagen. Der Schritt, das normale Leben hinter mir zu lassen, war hart, aber ich habe ihn bisher nicht bereut.
Was sagen Deine Bekannten zu Deinem Lebensstil?
Ich würde nicht sagen, dass unsere Eltern vor Freude jubeln. Aber wir werden akzeptiert, vor allem, weil wir uns nirgends durchschnorren. Finanziell steht jeder von uns auf eigenen Beinen. Einige meiner Freunde sind neidisch, andere skeptisch.
Du arbeitest nur ein paar Monate im Jahr. Da muss man sicher Abstriche machen. Oder?
Ab und zu wird es mit der Kohle eng, aber ich komme durchs Leben. Man lebt natürlich minimal. Der Besuch im Gourmet-Restaurant fällt aus, und im Sputnik, unserem Wohnmobil, zahlen wir keine Miete.
Genaugenommen bist Du eigentlich obdachlos?
Keinesfalls! Wenn ich hin und wieder in Thüringen bin, wohne ich bei meinen Eltern. Ansonsten ist mein zu Hause da, wo das Auto steht. Für die meisten Leute ist das aber nur schwer vorstellbar.
Du lebst zusammen mit zwei Freunden in einem Bus. Wie oft gerät man sich da in die Haare?
Das ist wie in einer Beziehung, von Zeit zu Zeit kracht’s. Was tierisch nervt, ist, wenn einer einen Topf mit Suppe auf dem Herd stehen lassen hat und sich dann nach ein paar Metern Fahrt alles im Bus verteilt. Da kommt Freude auf, und das ein oder andere Wort wird ein bisschen härter. Meistens fährt dann jeder für sich eine Runde Fahrrad, und am Abend ist wieder alles gut. Wenn du so lange in so einem kleinen Kasten wohnst, brauchst du einfach mal Abstand. Aber eigentlich hält sich das in Grenzen.
Herrscht im Bus Diktatur, oder haben alle Mitfahrer gleiches Stimmrecht?
In unserem Sputnik herrscht gesunde Demokratie. Unsere Reiseplanung ist meist eher spontan. Wenn wir Ziele besprechen, sagt einer zum Beispiel: "Los, wir fahren nach Norwegen!" Und die anderen stimmen dann meist zu. Zumindest hat bis jetzt noch niemand einen schlechten Vorschlag gemacht.
Das Markenzeichen von Ronny-Racing ist der alte Krankenwagen. Hat das einen tieferen Sinn?
Die Teile sind einfach praktisch. Durch den Kastenaufbau hat man mehr Platz als in einem normalen Lieferwagen. Außerdem sind Krankenwagen immer top in Schuss. Im Rettungsdienst werden alle nötigen Reparaturen erledigt, und kein Krankenhaus dreht am Tachostand oder arbeitet mit faulen Tricks.
Ihr habt ganz Europa bereist. Wo gibt es die besten Singletrails?
Wir waren diesen Sommer in Hafiel (Norwegen/Anm. d. Red.). Der Bikepark war einer der besten, in denen ich je war. Die Trails rund um Morzine in den französischen Alpen sind auch Wahnsinn. Ich würde sagen, die Trails in Frankreich sind die besten.
Was hat es eigentlich mit dem Namen Ronny-Racing auf sich? Fahrt Ihr auch Rennen, oder woher kommt der Name?
Ich war dieses Jahr bei der Deutschen Downhill-Meisterschaft in Tabarz. Jeder Hobbysportler will heute Profi sein und geht um halb 10 ins Bett. Party: Fehlanzeige! Bei den Top-Fahrern versteh’ ich das. Aber jetzt laufen alle komplett verbissen ihrem Wettkampf hinterher. Deswegen fahr’ ich immer weniger Rennen. Der Name Ronny-Racing kommt aus der ersten Saison, als wir mit Latzhosen und Partyshirts versuchten, wieder etwas Lockerheit in die Rennszene zu bringen. Bei uns in Thüringen versteht man unter einem Ronny einen totalen Anfänger.
INFO ROBERT SCHULZ
Robert Schulz (28) hat Wohnung und Job gekündigt und tourt seit zwei Jahren in einem ausrangierten Krankenwagen durch Europa. Zusammen mit zwei Freunden ist er unter dem Namen Ronny-Racing auf der Suche nach den besten Trails. Die Reisegruppe lebt von Gelegenheitsjobs und stellt den Spaß am Leben in den Mittelpunkt.
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